„Ich lasse alles platzen“

Saarbrücken · Er ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Das hat Innenminister Klaus Bouillon auch bei einer Veranstaltung CDU-naher Unternehmer bewiesen. Jeder bekam sein Fett weg: Kommunen, Kreise und die große Koalition.

 Klaus Bouillon, seit November saarländischer Innenminister, will bei den Kommunen mit Reformen hart durchgreifen.Location:Saarbrücken

Klaus Bouillon, seit November saarländischer Innenminister, will bei den Kommunen mit Reformen hart durchgreifen.Location:Saarbrücken

Foto: Becker&Bredel

Er gilt als Macher, als einer, der die Dinge anpackt: Innenminister Klaus Bouillon (CDU ). Dass er dabei der Koalitionsdisziplin unterworfen ist, scheint ihm nicht immer zu schmecken. Bei einer Veranstaltung des Wirtschaftsrates der CDU am Montagabend in Völklingen teilte er gegen den Koalitionspartner SPD aus - und nicht nur gegen den.

Scharf schoss er gegen den "Sonderfall Saarbrücken": Die überschuldete Landeshauptstadt mache ihren Haushalt, "als würde es keine Gesetze geben". Bouillon sieht durchaus Einsparpotenzial: "Wenn ich 100 Millionen Euro Personalkosten habe, eine Frauenbibliothek, einen Fahrradbeauftragten und fünf Beigeordnete, da frage ich, ist denn das nötig?" Laut Gesetz müsse die überschuldete Stadt einen Sanierungshaushalt vorlegen. "Das wollen sie natürlich nicht." Dann beginne "die Praxis" einer großen Koalition im Land: Saarbrückens Bürgermeister Ralf Latz (SPD ) rufe SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn an, der wiederum kontaktiere CDU-Fraktionschef Klaus Meiser , "dann rufen die die Annegret an", die schließlich ihn, Bouillon , darauf anspreche. Wenn er dann sage, er verlange nur das, was im Gesetz stehe, heiße es: "Oh, das gibt aber Ärger."

Bouillon scheint das wenig zu kümmern: "Ich lasse alles platzen, es geht so nicht, weil die Menschen baden es doch aus." Er werde weiterhin klare Vorschläge zur Sanierung der verschuldeten Kommunen machen: "Ich bin völlig unabhängig und ich ziehe das durch." Was die große Koalition dann aus diesen Vorschlägen mache, könne er nicht sagen: "Ich weiß ja auch nicht, ob ich in zwei Jahren noch Minister bin, die Halbwertszeit ist manchmal relativ kurz, wenn man die Wahrheit sagt."

Die Kommunalreform ist eine von Bouillons Mammutaufgaben, dabei sieht er Teile der SPD offenbar als Bremser, etwa den innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion , Magnus Jung : "Wenn solche Leute schon sagen, bevor es losgeht, er ist gegen eine Reform, er ist gegen eine Fusion von Kommunen. (…) Da brauche ich eigentlich nichts zu machen." Deshalb sei es Aufgabe der CDU-Abgeordneten im Landtag, deutlich zu machen, "wer was will und wer nix will". Da müsse man "klipp und klar in den Clinch".

Dass Bouillon mit seiner forschen Art so manchen vor den Kopf stößt, scheint ihm egal zu sein: "Die Grünen sagen, ich bin nicht kommunikationsfähig. Die haben Recht. Die Dinge kann man nur entweder brutal durchsetzen oder es geht nicht". Für seine Forderung, die Kommunen müssten zehn Prozent ihres Personals abbauen, war der Innenminister heftig kritisiert worden. Um dieses Ziel zu erreichen, so Bouillon , müsste nur jede zweite Stelle in den kommenden fünf Jahren nicht nachbesetzt werden: "Wenn dann einer behauptet, die Verwaltung fällt ins Koma, lache ich mich kaputt." Er sei lange genug im Geschäft, jeder habe doch getrickst: "Ich habe 50 Zeitverträge, die stehen in keinem Haushaltsplan. Das macht ziemlich jeder, der einigermaßen clever ist."

Er persönlich sei auch überzeugt, dass eine Gebietsreform kommen müsse, mehr noch: "Ich mache es mal noch provokanter, dann fallen wieder einige in Ohnmacht: Natürlich muss man auch prüfen, ob man drei Verwaltungsebenen (Land, Landkreise, Kommunen, Anm. d. Red.) in einem Landkreis braucht." Die Kreise klagten immer, die Soziallasten und die Kosten für die Kitas seien gestiegen, doch überprüfen lassen wolle sich keiner. "Als ich als Bürgermeister in St. Wendel anfing, hat die Stadt umgerechnet vier Millionen Euro Kreisumlage gezahlt, heute sind es 16,8 Millionen." Selbst wenn man die gestiegenen Kosten für Kitas und Sozialleistungen herausrechne, sei das "einfach zu viel". Es sei lange genug diskutiert worden, nun werde er gemeinsam mit der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) die Landkreise und den Regionalverband auf den Prüfstand stellen - "da müssen dann alle mitmachen".

Von einigen seiner früheren Amtskollegen scheint der ehemalige Bürgermeister von St. Wendel übrigens nicht viel zu halten: "Für alle Berufsgruppen auf dieser Welt gibt es Lehrjahre (…). Nur Bürgermeister kann jeder werden, der braucht überhaupt nichts zu können, nur 18 Jahre alt sein. Dementsprechend ist auch die Qualität des ein oder anderen."

MEINUNG

Poltergeist der Landespolitik

Von SZ-Redakteur Peter Stefan Herbst

Klaus Bouillon redet Klartext. Das kommt bei Wählern in der Regel gut an. Seine aktuellen Einschätzungen vor Unternehmern hatten hohen Unterhaltungswert. Falsch war auch nicht alles, was er gesagt hat. Mit vielen Einschätzungen liegt er sogar richtig. Für einen Oppositionspolitiker wäre dies ein guter Auftritt gewesen. Als Innenminister wird er aber vom Steuerzahler für Lösungen und Ergebnisse bezahlt. Ob er diesen mit leichtfertiger und teilweise beleidigender Zuspitzung näher kommt, darf bezweifelt werden. Politik ist immer Dialog, Streit und Kompromiss. Einzelgänger können sich am Ende selten durchsetzen. Mittlerweile wirkt Bouillon wie ein Poltergeist der Landespolitik. Niemand weiß, wann und wo er wieder zuschlägt. Der frühere Alleinherrscher von St. Wendel ist kein Teamplayer. Dies war kein Geheimnis. Dass er aber nicht nur Gegner, sondern auch Mitspieler der eigenen Mannschaft foult, überrascht dennoch.

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