„Große Verärgerung über Koalition“

Die Parteivorsitzende der Linken im Saarland, Astrid Schramm, sieht gute Chancen, dass ihre Partei 2017 im Saarland an die Regierung kommt. Mit SZ-Redakteurin Ute Klockner sprach die 59-Jährige darüber hinaus über Versäumnisse der Landesregierung bei der Mitarbeiterbeteiligung und die Rolle Oskar Lafontaines in ihrer Partei.

 Linken-Chefin Astrid Schramm vor dem leerstehenden Pingusson-Bau. Foto: Oliver Dietze

Linken-Chefin Astrid Schramm vor dem leerstehenden Pingusson-Bau. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Sie haben sich den Pingusson-Bau als Ort ausgesucht, der auf jeden Fall erhalten werden soll. Warum?

Schramm: Weil es einfach wichtig ist, solche Denkmäler der saarländischen Geschichte zu erhalten, unabhängig davon, wie die finanzielle Lage im Saarland aussieht. Ich bin für eine Komplettsanierung. Eigentlich hätte das schon längstens getan werden müssen.

Eine Sanierung soll 40 Millionen Euro kosten - ist das dem Wähler vermittelbar in Zeiten, in denen manches Schwimmbad um seine Existenz bangt?

Schramm: Man darf beides nicht gegeneinander ausspielen. Es wurde so viel Geld verschwendet: IV. Pavillon, Gondwana, die Meeresfischzuchtanlage, die sanierte HTW, die nun leer steht. Mit diesen Millionen Euros hätte man den Pingusson-Bau sanieren und die Schwimmbäder sichern können.

Wo würden Sie sparen?

Schramm: Wir würden zunächst einmal an der Imagekampagne des Landes sparen. Stattdessen hätten wir zum Beispiel den Botanischen Garten an der Universität gerettet. Wir würden vorher klare Planungskonzepte erstellen und nicht einfach wie bei der HTW ein Gebäude umbauen lassen, um dann festzustellen, dass es den Anforderungen nicht gerecht wird. Um zu mehr finanziellen Einnahmen zu kommen, fordern wir immer wieder, dass die Vermögenssteuer eingeführt wird.

Aber darüber, ob die Vermögenssteuer kommt, entscheidet der Bund. . .

Schramm: Bundesratsinitiativen können vom Land ausgehen. Das haben wir mehrfach beantragt. Diese Anträge wurden immer abgelehnt. Die große Koalition ist in unseren Augen eine Schicksalsgemeinschaft. Sie verwaltet hier nur noch ihre Schulden und ihre Unzulänglichkeiten aus den letzten Jahren.

Wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die Linke 2017 im Land an der Regierung beteiligt wird?

Schramm: Viele Menschen sagen uns, dass sie mit der CDU/SPD-Regierung unzufrieden sind, darunter viele Mitglieder dieser Parteien. Man spürt große Verärgerung und eine gewisse Enttäuschung über die Arbeit der großen Koalition. Deswegen bin ich ganz zuversichtlich, dass die Linke gute Möglichkeiten hat, Regierungsverantwortung zu übernehmen. In Thüringen oder Brandenburg klappt es ja auch gut.

Umfragen sehen die Linke bei zehn Prozent, drei Prozentpunkte weniger als noch vor einem Jahr. Wie wollen Sie die Wähler zurückgewinnen?

Schramm: Umfragen sind keine Wahlergebnisse. In Umfragen schnitten wir stets schlechter als bei den Wahlergebnissen ab, da bin ich ganz zuversichtlich. Dazu kommt eine gewisse Politikverdrossenheit. Die Leute sind nicht mehr motiviert, wählen zu gehen, weil sie zu oft belogen und enttäuscht wurden. Wir brauchen mehr Ehrlichkeit in der Politik. Dazu möchte die Linke beitragen.

Braucht die Saar-Linke Oskar Lafontaine bei der Landtagswahl 2017 als Zugpferd?

Schramm: Wir brauchen auf jeden Fall Oskar Lafontaine , weil er der Spiritus Rector unserer Partei ist. Oskar hat oft unbequeme Dinge prophezeit, die dann leider später eingetroffen sind. Der Wunsch von allen ist, Oskar Lafontaine als Spitzenkandidat dabei zu haben. Einen Stimmenverlust fürchten wir nicht. Ohne ihn würde es sicherlich schwer werden.

Sie streben für 2017 eine Regierungsbeteiligung im Land an. Mit wem könnten Sie sich ein Bündnis vorstellen?

Schramm: Wir werden nicht um jeden Preis in eine Koalition gehen. Uns ist es wichtig, dass unsere Inhalte sichtbar sind. Wir haben jetzt zum Beispiel Rot-Rot in Brandenburg. Diese Koalition arbeitet gut. Deswegen könnte ich mir vorstellen, dass beispielsweise Brandenburg für uns ein Beispiel sein kann.

Mit wem von der SPD könnten Sie Ihre Ziele besser durchsetzen: Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger oder der Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz? Haben Sie da eine Präferenz?

Schramm: Nein. Das ist eine Personalentscheidung, die von der SPD getroffen werden muss.

Ihr Volksbegehren gegen die hohen Dispo-Zinsen ist jedoch nicht geglückt. War das Thema zu abstrakt?

Schramm: Die ersten 5000 Unterschriften haben wir gesammelt, aber die zweite Hürde, die Unterschrift auf dem Rathaus leisten zu müssen, war zu hoch. Wir haben gefordert, dass per Briefwahl oder Internet abgestimmt werden kann. Das hat die Landesregierung abgelehnt. Sie will keine direkte Demokratie.

Das ist nicht der einzige Fall, in dem sie der Landesregierung Versäumnisse vorwerfen. Worüber haben Sie sich besonders geärgert?

Schramm: Dass sie die von uns geforderten Belegschaftsbeteiligungen in Betrieben mit fadenscheinigen Gründen abgelehnt hat und auf diese Weise "Heuschrecken" zulässt. Das haben wir bei Whitesell in Beckingen gesehen. Da kommen Firmen, die kaufen und verkaufen der Profite wegen und ohne, dass ihnen etwas an den Menschen vor Ort gelegen ist. Wir müssen damit rechnen, dass dieses Problem immer wieder auftreten kann und dadurch engagierte Mitarbeiter/innen in die Arbeitslosigkeit getrieben werden.

Zum Thema:

HintergrundDen leer stehenden Pingusson-Bau, den früheren Sitz des französischen Botschafters, hat sich Saar-Linken-Chefin Astrid Schramm als den Ort im Saarland gewählt, der auf keinen Fall dem Sparzwang geopfert werden darf. Sie selbst hat im früheren Kultusministerium 20 Jahre in der Kulturabteilung gearbeitet. ukl

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