„Ohne das Frauenbüro geht gar nichts“

Saarbrücken · „Geflüchtete Frauen“ und „Frauen in der Politik“ sind in diesem Jahr die Schwerpunkte des Frauenthemenmonats. Das Saarbrücker Frauenbüro, das ihn organisiert, wird zudem 30 Jahre alt. Zu diesem Anlass wollten Ilka Desgranges und Fatima Abbas (beide SZ) von der kommunalen Frauenbeauftragten, Petra Messinger, wissen, wie es um die Gleichstellung bestellt ist.

 Seit zwölf Jahren im Amt: Die Frauenbeauftragte der Stadt Saarbrücken, Petra Messinger.

Seit zwölf Jahren im Amt: Die Frauenbeauftragte der Stadt Saarbrücken, Petra Messinger.

Foto: Iris Maurer

Ilka Desgranges: Frau Messinger, brauchen wir das Frauenbüro noch? Oder ist alles erreicht?

Petra Messinger: Tatsache ist, dass die Gleichberechtigung nicht umgesetzt ist. Was die Bezahlung anbelangt, die Machtpositionen, die repräsentativen Entscheidungsfunktionen, die Gewalt gegen Frauen, die Geschlechterrollen . Der Gesetzgeber hat schon 1994, als das Grundgesetz dahingehend geändert wurde, anerkannt, dass Nachteile vorhanden sind. Als wir das Frauenbüro vor 30 Jahren gegründet haben, sind wir nicht mit der Illusion gestartet, dass das schnell erledigt sein würde. Es geht um den Umbau der gesamten Gesellschaft. Wir haben ein knallhartes Demokratiedefizit.

Desgranges: Es gibt ja Frauen, die bestimmte Tätigkeiten gar nicht ausüben wollen,obwohl sie die Fähigkeiten hätten…

Messinger: Ja, das gibt es. Ich habe mich auch immer gefragt, wieso in den Kommunalparlamenten so viel weniger Frauen sitzen als in den Landtagsparlamenten. Da ist es nämlich ein Hauptamt. Wir haben das Problem bei Frauen im Ehrenamt, weil das noch on top kommt zu den ganzen Belastungen, die Frauen ja ohnehin schon haben. Als Ehrenamtlerin sind sie da ganz bös dran. Deshalb haben wir auch kaum junge Frauen zum Beispiel in den Stadträten. Frauen wollen andere Strukturen. Gerade in der Politik ist es immer noch so, dass wir da am männlichen Normalleben angelehnte Zeitstrukturen haben. Bei uns beginnt der Stadtrat um 16 Uhr und geht in der Regel bis 20 Uhr. Und dann geht's weiter im Restaurant. Man braucht ein richtig gutes Zeitbudget.

Fatima Abbas: Je höher die Führungsebene desto weniger Frauen. Häufig entscheiden Männer über den beruflichen Erfolg von Frauen. Wie durchbricht man den Teufelskreis? Ist die Quote dafür geeignet?

Messinger: Ich stehe der Quote sehr positiv gegenüber. Nicht weil ich das Instrument an sich so schick finde, sondern weil ich denke, dass sie eine Krücke ist, die wir brauchen. Wenn wir keine Quote mehr bräuchten, wäre das wunderbar. Man hört ja immer wieder, dass durch die Quote Frauen gefördert würden, die nicht geeignet sind. Das stimmt definitiv nicht.

Abbas: Muss man die Männer nicht viel stärker einbinden? Auf der Agenda des Frauenthemenmonats sucht man sie vergeblich...

Messinger: Gleichstellung geht nicht ohne Männer . Wir wollen natürlich auch Männer ansprechen. Dann fragt man sich: Wieso schreiben die dann Frauenthemenmonat drüber? Wir haben dieses Jahr auch in der Tat überlegt, die Veranstaltungsreihe umzubenennen. Aber da ist uns kein knackiger Titel eingefallen. Wir hatten gedacht an "Frauen-und-Männer-Themenmonat" oder "Gleichstellungsmonat". Aber das klingt doch alles ganz furchtbar.

Abbas: Wie kann man Männer für das Thema sensibilisieren?

Messinger: Ich glaube, Männer kriegt man nur über Frauen, sprich in den Familien, in den Partnerschaften, wo fitte Frauen sind und bei denen die Partner halbwegs offen sind. Das sieht man ja auch bei jüngeren Männern. Aber auch bei denen gilt: Sobald Kinder im Spiel sind, schlägt die Geschlechterrolle zu. Dann wird es eine knallharte ökonomische Rechnung. Die Frauen verdienen in der Regel weniger. Und dann ist man schnell wieder bei der traditionellen Geschlechterverteilung. Frauenveranstaltungen interessieren Männer einfach weniger, weil es sie nicht direkt betrifft. Wenn ein Mann ein Kind bekommt, hat er die Familie im Rücken. Die Frau hat sie sozusagen am Bein.

Desgranges: Kann ein Frauenthemenmonat uns da weiterhelfen? Ist das Format nicht überholt? Wo ist beispielsweise die IT-Spezialistin in Ihrem Programm?

Messinger: Wir hatten zum Auftakt des Themenmonats ein wichtiges politisches Thema. Es ging um geflüchtete Frauen. Die Frauen hängen unter den schlimmsten Bedingungen fest. Und das Thema IT ist auch wichtig. Aber meine Aufgabe ist eine gesellschaftspolitisch-strukturelle. Deshalb bin ich sehr wohl der Meinung, dass wir so etwas brauchen. Ob wir das in dieser Form brauchen, ist eine andere Frage. Früher war das ein Frauenkulturmonat. Das war mir zu eng.

Desgranges: Was hat der Frauenthemenmonat bisher bewirkt?

Messinger: Der Frauenthemenmonat ist eine Veranstaltungsreihe, und das Frauenbüro hat die Aufgabe, so steht es im Gesetz, in der Öffentlichkeit dafür zu sorgen, dass Defizite der Gleichstellung benannt werden. Und wie benenne ich die? Ich muss Öffentlichkeitsarbeit machen. Ich muss versuchen, breite Kreise der Bevölkerung zu erreichen. Die Veranstaltungsreihe ist ein Teil dieser Arbeit.

Desgranges: Zwölf Jahre als Frauenbeauftragte, das ist eine lange Zeit. Was sind besondere Erfolge Ihrer Arbeit? Und: Gibt es etwas, woran Sie verzweifeln?

Messinger: Ein gefühlter Erfolg ist es, wenn man beispielsweise im Rathaus hört: "Ohne das Frauenbüro geht gar nichts mehr!" Ich finde, dass wir sehr gut akzeptiert sind innerhalb der Verwaltung. Das Klima hat sich verändert, es gibt auch weniger sexuelle Belästigung. Und natürlich haben wir auch mehr Frauen in Führungspositionen . Wir haben 35 Prozent Frauen in der Topführungsposition auf der Amtsleitungsebene. Das waren, als wir anfingen, vier Prozent. Das waren zwei Frauen und 53 Männer . Und jetzt sind es elf und zwanzig. Es gibt inzwischen 55 Prozent Frauen bei der Stadt. Da gab es damals 39 zum Beispiel. In den Führungspositionen ist natürlich noch Handlungsbedarf, und in den technischen Bereichen. Mein Lieblingsstichwort in diesem Zusammenhang: Berufsfeuerwehr. 180 Feuerwehrmänner und drei Frauen. Das ist so eine richtige Männerdomäne. Wir haben die Frauen beim Bund, bei der Polizei , aber bei der Berufsfeuerwehr nicht.

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