„Das ist ein Armutszeugnis“

Der Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar, Richard Bermann, schließt auch im Saarland verstärkte antisemitische Demonstrationen nicht aus. Im Gespräch mit SZ-Redakteur Dietmar Klostermann äußerte er Unverständnis über das Vorgehen der Verfassungsorgane bei der bisher einzigen Palästinenser-Demo vor der Europa-Galerie in Saarbrücken.

 Die Synagogengemeinde Saar hat ihren Sitz in Saarbrücken. Im Bild die Synagoge in der Lortzingstraße am Beethovenplatz. Foto: Becker&Bredel

Die Synagogengemeinde Saar hat ihren Sitz in Saarbrücken. Im Bild die Synagoge in der Lortzingstraße am Beethovenplatz. Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel

Hat es auch im Saarland in den Wochen nach Beginn des neuen Gaza-Kriegs antisemitische Äußerungen gegen Sie oder die Synagogengemeinde gegeben?

Bermann: Kurioserweise kann ich das verneinen. In den vergangenen Jahren hatten wir eine ganze Fülle von Drohungen, bis zu Morddrohungen unseren Kindern gegenüber, erhalten. Das ist im Augenblick bei uns im Saarland ausgeblieben. Ich schließe nicht aus, dass das noch kommen wird. Das hängt auch vielleicht damit zusammen, dass die Synagogengemeinde Saar noch keine Aktivitäten unternommen hat zugunsten Sympathie-Demos für Israel. Was nicht ist, kann noch werden. Ich bin in meiner Funktion als Direktoriumsmitglied im Zentralrat der Juden im Bilde, was sich in anderen Gemeinden in Deutschland abspielt. Das ist wirklich grauenhaft.

Hat es im Saarland bereits Kundgebungen mit antisemitischen Äußerungen wie in anderen Ländern gegeben?

Ich weiß vom Hörensagen, dass zwei Demos angemeldet worden sind in Saarbrücken. Eine hat nicht stattgefunden. Eine zweite hat am 17. Juli vor der Europa-Galerie stattgefunden. Dort ist überwiegend in Arabisch gesprochen worden. Die Verfassungsorgane haben sich dahingehend geäußert, dass sie keine Übersetzer hätten und nicht wüssten, was da gesagt wurde. Das ist ein Armutszeugnis. Wenn man Aufzeichnungen gemacht hätte, könnte man sehr wohl wissen, was da gesprochen wurde. Da sollen laut Polizei etwa 250 Demonstranten teilgenommen haben.

Haben Sie selbst Kontakt zu den palästinensischen Gruppen im Saarland , um über einen Dialog Missverständnisse aus der Welt zu schaffen?

Bermann: Ich bin seit Jahren sehr intensiv beteiligt am interreligiösen Dialog in Saarbrücken. Da sind die muslimischen Gemeinden involviert. Wir haben immer versucht, im Dialog ein Verständnis herbeizuführen für die einzelnen Glaubensgemeinschaften. Aber seit mehr als einem Jahr haben sich die arabischen Muslime zurückgezogen. Der evangelische Superintendent Christian Weyer hat es übernommen zu versuchen, den Kontakt wiederherzustellen - aber er ist gescheitert.

Wissen Sie, warum sich die arabischen Muslime aus dem interreligiösen Dialog zurückgezogen haben?

Bermann: Nein, die reagieren weder auf Telefonate, noch auf E-Mails, noch auf Anschreiben.

Die arabischen Muslime werden jedes Mal, wenn die Treffen stattfinden, eingeladen. Sie reagieren leider überhaupt nicht. Ich bin der Meinung, nur das Gespräch unter Menschen kann etwas bewegen. Wenn man sich bekriegt, gibt es immer einen Verlierer. Meistens sind es sogar zwei Verlierer.

Sehen Sie im Palästina-Konflikt auf absehbare Zeit eine Chance für eine friedliche Lösung?

Bermann: Nein, kurzfristig gibt es keine Lösung. Die Siedlungsbauten der Israelis sehe ich als nachrangiges Problem, das hat bisher Friedensverhandlungen nicht gestört, obwohl der Siedlungsbau weiterbetrieben wurde. Die Kernprobleme sind Jerusalem und Gaza. Da ist die Hamas nur ein Teil des Problems. Die Hamas ist zwar eine Terrororganisation, aber das ist nicht die einzige. Es gibt dort viel militantere Gruppen. Meine große Sorge ist Isis. Die wirkt sehr stark auf die Dschihadisten in Gaza ein. Wenn man sich mit der Hamas einigen würde, kämen noch radikalere Kräfte nach. Dennoch gibt es positive Beispiele für Friedensschlüsse zwischen Israel und den arabischen Nachbarn. Ägypten und Jordanien stehen dafür. Bei uns hätte man noch vor 100 Jahren die Aussöhnung zwischen den Erbfeinden Deutschland und Frankreich nie für möglich gehalten. Deshalb führe ich bei Besuchen in Saarbrücken die israelischen Freunde immer über die Grenze, ohne es ihnen zu sagen. Erst hinterher sage ich ihnen das. Das ist immer ein Aha-Effekt. Das ist die Hoffnung, die ich habe, dass diese Aufhebung der Grenze auch irgendwann zwischen Israel und den Palästinensern möglich wird.

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