Mobisaar: Senioren und Behinderten wird beim Bus- und Bahnfahren geholfenord

Immer mehr Menschen benötigen Hilfe beim Bus- und Bahnfahren. Heute fällt der offizielle Startschuss für das Lotsenprogramm Mobisaar, das bis 2020 aufs ganze Saarland ausgedehnt werden soll. Auch der frühere Bundesverkehrsminister Franz Müntefering (SPD) kommt. Wie Mobisaar auch die Bevölkerung im ländlichen Raum erreichen will, darüber sprach SZ-Redakteurin Ute Klockner mit dem Leiter des Instituts für Sozialforschung und Sozialwirtschaft, Professor Daniel Bieber.

 Ein Mobilitätslotse hilft einer älteren Frau beim Einsteigen in den Bus.

Ein Mobilitätslotse hilft einer älteren Frau beim Einsteigen in den Bus.

Foto: Ines Kirchhoff/Stadtwerke

Am 1. April ist Mobisaar im Regionalverband mit 20 hauptamtlichen Lotsen gestartet. Wie ist die Nachfrage?

Bieber: Die Nachfrage steigt kontinuierlich. In Saarbrücken ist das Angebot schon recht bekannt, da es hier von 2012 bis 2015 das Vorgängerprojekt "Mobia" gab. Noch haben sich viele dauerhaft eingeschränkte Menschen Alternativlösungen geschaffen, da springt beispielsweise die Tochter als Fahrdienst ein. Aber das Potenzial ist da: Zwölf Prozent der Saarländer haben eine Behinderung, die Hälfte davon ist gehbehindert. Zudem sind die Saarländer im Schnitt älter als die Menschen in den westdeutschen Bundesländern. Aber so weit wie in Berlin oder Düsseldorf, wo Anfragen abgelehnt werden müssen, sind wir bei Weitem noch nicht.

Neben hauptamtlichen Lotsen setzt Mobisaar auch auf Ehrenamtler. Ist das zu schaffen?

Bieber: Ob uns das flächendeckend gelingen wird, ist offen. Allerdings ist die Ehrenamtsquote im Saarland höher als anderswo. Wir kooperieren auch mit der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, dem Sozialverband VdK und der Bahnhofsmission und ihren Ehrenamtlichen. Darüber hinaus wollen wir auch spontane Helfer finden. In unserer App können Autofahrer zusagen, ob sie kurzfristig jemanden mitnehmen können. Wir müssen es auf diese Weise hinkriegen, denn wir haben nicht so viele hauptamtliche Lotsen, wie wir es uns wünschen. Als Mobilitätslotsen werden Langzeitarbeitslose eingestellt. Wir möchten zeigen, dass man so ein System aufbauen kann, ohne dass es die Kommunen mehr Geld kostet, als sie ohnehin schon ausgeben. Es muss ein bisschen für die Software bezahlt werden, ansonsten trägt sich Mobisaar durch das Jobcenter und zusätzliche Fahrkartenumsätze selbst. Im Pilotprojekt "Mobia" haben einige Lotsen dadurch auch wieder im ersten Arbeitsmarkt Fuß gefasst. In jedem Fall kann sich der ÖPNV neue Kundenkreise erschließen.

Müsste nicht viel mehr für die Barrierefreiheit getan werden, etwa groß gedruckte Fahrpläne an Haltestellen, einfacher zu bedienende Automaten oder schlicht mehr Strecken?

Bieber: Der ÖPNV im Saarland ist nicht so schlecht wie sein Ruf, aber es gibt Verbesserungsbedarf. Ich glaube, er ist zu kompliziert und zu teuer. Das Tarifsystem kann einfacher gestaltet werden und auch die Automaten könnten nutzerfreundlicher sein. Dort wo keine Verbindungen mehr bestehen, werden unsere hauptamtlichen oder ehrenamtlichen Lotsen die Kunden mit dem Auto abholen. Wir verstehen uns aber nicht als Kompensation für die Nicht-Schaffung von Barrierefreiheit, nach dem Motto, die Kommunen machen ein bisschen Mobisaar und dann brauchen sie sich nicht um Barrierefreiheit zu kümmern. Wir machen mit Unterstützung der Landesregierung ein Haltestellen-Kataster, das alle Haltestellen und vorhandene Barrieren im Saarland auflistet. Daraus soll dann bis Ende 2017 ein barriereberücksichtigender Fahrplan entstehen. Dieser zeigt dann, wo Barrieren sind und schlägt entsprechende Alternativrouten vor.

Zum Thema:

Auf einen Blick Mobisaar richtet sich an Personen, die aufgrund ihres Alters oder einer Behinderung Hilfe beim Bus- und Bahnfahren brauchen. Die Lotsen holen auf Wunsch die Kunden zuhause ab und begleiten sie bis zum Bus oder bis zum Ziel, helfen beim Umsteigen oder Fahrkartenkauf. Seit 1. April gibt es Mobisaar im Regionalverband, zum 1. August sollen der Saarpfalz-Kreis sowie der Kreis Saarlouis folgen. Bis Ende 2019 soll das gesamte Saarland mit Lotsen ausgestattet sein. Das Projekt läuft bis 2020. Die Lotsen begleiten die Kunden von Mo-Fr von 8 bis 18 Uhr. Der Service ist kostenlos und kann unter der Nummer (0 68 98) 500 40 00 (werktags 6 bis 19 Uhr) oder per E-Mail mobisaar@saarvv.de kontaktiert werden. Zudem gibt es die kostenlose Lotsen-App "mobisaar" für Android und Apple . ukl

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