„Es sind mutige Entscheidungen gefragt“

Die Saarbrücker Oberbürgermeisterin prescht in der Debatte um eine Kommunalreform mit eigenen Ideen vor.

 Charlotte Britz erwartet, dass das Thema Verwaltungsreform nach der Landtagswahl am 26. März auf die Tagesordnung kommt. Foto: Robby Lorenz

Charlotte Britz erwartet, dass das Thema Verwaltungsreform nach der Landtagswahl am 26. März auf die Tagesordnung kommt. Foto: Robby Lorenz

Foto: Robby Lorenz

Frau Britz, Sie halten eine Diskussion über die Verwaltungsstrukturen für überfällig. Braucht das Saarland fünf Landkreise und einen Regionalverband?

Britz Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, darüber nachzudenken, ob nicht drei Landkreise ausreichen und die Großstadt Saarbrücken zu bilden. Die war ja 1974 schon angedacht. Bei sinkenden Einwohnerzahlen brauchen wir effiziente Strukturen - unter gewissen Prämissen, die eingehalten werden müssen.

Zum Beispiel?

Britz Die Bürger müssen ihre Ansprechpartner in den Behörden gut erreichen können und Ansprechpartner in den politischen Gremien haben. Deshalb fände ich es problematisch, wenn es im gesamten Saarland nur noch einen Landkreis gäbe, wie von der "Allianz für Reformen" gefordert. Die Strukturreform darf nicht nur unter dem Spardiktat diskutiert werden. Das Ziel muss sein, effiziente Strukturen zu schaffen, damit wir uns gut verwalten können, die Bürger zufrieden sind und wir in der Konkurrenz mit anderen Städten in Deutschland mithalten können, statt weiter abgehängt zu werden.

Das hieße, die Kommunen im Regionalverband werden nach Saarbrücken eingemeindet.

Britz Ich weiß, dass das nicht zu Freude bei den Kollegen im Regionalverband führt, aber ich würde schon dazu tendieren, dass wir die entsprechenden Strukturen für eine Großstadt schaffen. Es ist die Frage, wie man das organisiert, ob man aus den Kommunen zum Beispiel Stadtbezirke macht. Wir haben im Moment ja auch große Bezirke mit ehrenamtlichen Bezirksbürgermeistern, Dudweiler hat 27 000 Einwohner, Mitte über 95 000 Einwohner.

Was wäre im Regionalverband gewonnen, wenn es nur noch die Großstadt gäbe?

Britz Es ist wichtig, eine Stadt ganzheitlich verwalten zu können. Deshalb empfinde ich es als Nachteil, dass die Stadt Saarbrücken kein Sozial- und kein Jugendamt hat. Die Entwicklung von Gewerbegebieten über die heutige Stadtgrenze hinweg wäre leichter. Wir wissen, dass das Gebiet der Landeshauptstadt endlich ist. Ein anderes Thema ist die Entwicklung des Einzelhandels, die Abstimmung, wo können die Bürger einkaufen? Da sehe ich sehr viele Vorteile, weil es dann zu schnelleren Entscheidungen kommt. Wenn wir eine größere Stadt sind, profitieren wir auch von einer stärkeren Finanzkraft und Zuwendungen und können die Region entsprechend entwickeln.

Würde eine solche Strukturreform zu Einsparungen führen?

Britz Ich bin sicher, dass es auf längere Sicht zu Einspareffekten kommen wird. Es gäbe nicht mehr in jedem Ort ein Steueramt oder ein Bauamt.

Sehen Sie derzeit Doppelstrukturen im Regionalverband, die es abzubauen gilt?

Britz Das ist ein schwieriges Thema. Der Regionalverband hat eine Bauaufsicht, die Landeshauptstadt hat auch eine. Da könnte man mit Sicherheit etwas zusammenführen. In Saarbrücken haben wir viele und große Bauprojekte, da ist eine eigene Bauaufsicht wichtig.

Die Diskussion, wie man die Verwaltung im Regionalverband effizienter aufstellen kann, wird seit langer Zeit geführt. Fast alle sehen Handlungsbedarf. Trotzdem gibt es bis heute keine Ergebnisse.

Britz Ich kenne viele, die immer noch die Gebietsreform 1974 heranziehen. Es bestehen große Ängste, dass die Wege zu weit werden. Deshalb ist mir wichtig, dass bei der Reform im Vordergrund steht, wie Bürger schnell ihre Dienstleistung erhalten können und dass die Ämter gut erreichbar sind. Es ist immer schwierig, Dinge im Leben aufzugeben, das macht niemand gerne. Das macht es so schwierig, weil natürlich kein Bürgermeister sagt: Ich bin dafür, dass meine Stadt in Zukunft keinen Bürgermeister mehr hat.

Sehen Sie in der Landespolitik eine Offenheit für Ihre Idee oder laufen Sie gegen eine Wand?

Britz Es wird schon darüber diskutiert, mehr als noch vor Jahren. Vielen ist schon klar, dass sich in den nächsten Jahren etwas ändern muss.

Bekommen Sie für Ihre Ideen Unterstützung in der SPD? Mit Innenminister Klaus Bouillon wären Sie sich in diesem Punkt ja vermutlich schnell einig.

Britz Ich denke, dass er dort die Zeichen der Zeit erkannt hat. Es gibt einzelne, mit denen man darüber reden kann, aber eine Mehrheit sehe ich im Moment nicht.

In der nächsten Legislaturperiode wird in Sachen Verwaltungsreform irgendetwas passieren, bloß was?

Britz Nach dem 26. März müsste das Thema aus meiner Sicht eine Rolle spielen, in welcher Form auch immer. Wir haben 2019 Kommunalwahlen. Bis dahin werden natürlich alle wieder vorsichtig sein. Aber ich finde, dass mutige Entscheidungen gefragt sind. Eine Kommunalreform muss in ein übergeordnetes Entwicklungskonzept für das Saarland eingebettet werden. Wir müssen einen Plan entwickeln, der Stärken, Leistungsfähigkeit und Funktionen des ländlichen Raumes, der Mittelzentren und des Oberzentrums definiert und fördert. Wenn man es richtig angeht, bin ich mir ziemlich sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger mitmachen.

Das Gespräch führte Daniel Kirch.

Zum Thema:

Saarbrücken wäre größer als Bonn und Münster Eine Großstadt Saarbrücken, die alle bisher selbstständigen Kommunen des Regionalverbandes umfasst, hätte rund 327 000 Einwohner und wäre damit etwas größer als Münster, Bonn, Mannheim oder Karlsruhe. Die Idee spielte bereits vor der Gebietsreform 1974 eine Rolle. Eine Arbeitsgruppe der Landesregierung entwickelte damals drei Modelle, von denen eines vorsah, große Teile des heutigen Regionalverbandes einzugemeinden. Die Stadt hätte dann 324 000 Einwohner gehabt. Am Ende wurde aber ein anderes Modell gewählt - die Landeshauptstadt wuchs dadurch "nur" von 123 000 auf damals 209 000 Einwohner.

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