Hat der Beichtstuhl ausgedient?

Saarbrücken · Ist der Beichtstuhl zu einem verstaubten Möbelstück verkommen? Und wenn nein: Wer geht heutzutage noch beichten? Der Saarbrücker Pfarrer Eugen Vogt erklärt im Gespräch mit SZ-Redaktionsmitglied Fatima Abbas, wie sich das Sakrament der Beichte mit den Jahren verändert hat.

 Wenn das Lämpchen rot leuchtet, ist er der Beichtstuhl besetzt: Pfarrer Matthias Holzapfel in der Basilika St. Johann. Foto: Iris Maurer/ bub

Wenn das Lämpchen rot leuchtet, ist er der Beichtstuhl besetzt: Pfarrer Matthias Holzapfel in der Basilika St. Johann. Foto: Iris Maurer/ bub

Foto: Iris Maurer/ bub

Herr Vogt, hat die traditionelle Beichte, wie sie viele Katholiken aus ihrer Jugendzeit kennen, ausgedient?

Es hat sich vieles verändert in den letzten Jahrzehnten. Es gibt aber eine Wiederentdeckung. Die Beichte ist eine Hilfe, sich auszusprechen und Schuld zu bearbeiten. Das Gespräch spielt eine große Rolle.

Gibt es eine Beichtpflicht?

Ein katholischer Christ ist nur verpflichtet zu beichten, wenn er sich einer schweren Schuld bewusst ist.

Dürfen nur Katholiken bei Ihnen beichten?

Es geht eigentlich nur, wenn man Christ ist und an die Sakramente glaubt.

Wie können die Menschen in der Basilika St. Johann beichten?

Es gibt hier einen traditionellen, schalldichten Beichtstuhl, einen Raum des Vertrauens. Jeden Donnerstag und Samstag bieten wir feste Beichtzeiten an. Dann ist immer ein Priester anwesend, der auch eine anonyme Beichte anbietet. Zehn bis 15 Prieser wechseln sich wöchentlich ab. Es gibt außerdem noch die Möglichkeit eines direkten Versöhnungsgesprächs in der Taufkirche. Da sitzen sich Pfarrer und Beichtender gegenüber. Jetzt vor Weihnachten gibt es noch mehr Angebote, auch Bußgottesdienste, bei denen gemeinsam gebeichtet wird. Es gibt derzeit auch mehr Leute, die spirituell suchen.

Wird das Angebot überhaupt noch genutzt? Wie viele Menschen kommen denn zu Ihnen?

Das ist sehr unterschiedlich. Wir haben das feste Beicht-Angebot bereits seit einem Jahr und es wird durchaus genutzt. Ich habe noch nie erlebt, dass zwei Stunden lang niemand kommt.

Und wer kommt hier beichten?

Viele junge Menschen entdecken die Beichte wieder neu. Es kommen viele aus Italien, Polen und Lateinamerika. Dort ist die Beichte auch anders verankert als hierzulande. Außerdem kommen ältere Menschen öfter beichten, für viele ist es eine Art Lebensbegleitung. Nur die Menschen mittleren Alters kommen selten. Das liegt wohl daran, dass diese Generation Beichte als etwas Negatives erlebt hat.

Aber ist das nicht verständlich?

Ja, früher war die Beichte stets mit Druck und Angst verbunden. Der dunkle, unheimliche Beichtstuhl - viele haben damit schlechte Erfahrungen gemacht. Sie haben in diesem Sakrament nur Gott als Richter wahrgenommen. Die Kirche hat sich das selber kaputtgemacht. Beichte ist negativ besetzt, dabei sollte es etwas Positives sein. Ich spreche lieber vom Sakrament der Versöhnung statt von Beichte. Denn der Akt ist eigentlich etwas Wunderschönes.

Aber was ist daran wunderschön, wenn man eingetrichtert bekommt, man müsse sich schuldig fühlen? Ist dieses Konzept der Schuld und Sühne nicht antiquiert?

Das Gewissen ist ein innerer Kompass, der uns sagt, was gut und böse ist. Man ist zutiefst dankbar, wenn man über Schuld und Versöhnung spricht. Es gibt unendliche Leidgeschichten, die darauf zurückgehen, dass man unversöhnt ist. Wir wollen nicht, dass Kinder sich nur von Werbung und Medien leiten lassen.

Das ist ein wichtiger Punkt. Was hat sich denn in der Beichtkultur genau verändert?

Vor 60 Jahren standen die Leute von morgens bis abends Schlange, um beichten zu gehen. Das war wie am Fließband. Aber alles sehr schematisch. Erwachsene und Kinder hatten einen sogenannten Beichtspiegel mit zehn Punkten, der sich an den zehn Geboten orientierte. Also, quasi eine Liste, die abgearbeitet wurde. Vor allem auf das sechste Gebot "Du sollst nicht ehebrechen" war man sehr fixiert. Auch auf Sexualität. Wenn die Menschen mit Registern in der Hand beichten gehen, kann man als Pfarrer gar nicht mehr wissen, was sie wirklich bewegt.

Ist die Beichte heutzutage authentischer als früher?

Man kann sagen, die Beichte ist ehrlicher geworden. Früher hat man sich Spickzettel geschrieben, das war viel oberflächlicher. Es war früher keine innere Befreiungserfahrung. Man hat sich vielmehr gezwungen gefühlt, dem Priester jedes Detail zu beichten und der hat die Leute regelrecht ausgefragt.

Was wird denn so gebeichtet?

Was konkret gebeichtet wird, kann ich natürlich nicht verraten. Priester unterliegen einer absoluten Schweigepflicht. Allgemein kann man aber sagen, dass es häufig um Partnerschaft und Ehe geht, um den Umgang mit Arbeitskollegen, die Beziehung zu Gott und zum eigenen Körper. Es gibt auch Menschen, die stundenlang die Sünden der anderen beichten (lacht). Das ist natürlich nicht Sinn und Zweck der Sache.

Und was tun Sie, wenn Ihnen jemand ein Verbrechen gesteht?

Das ist noch nie vorgekommen. Aber selbst in diesem Fall haben wir ein Zeugnisverweigerungsrecht. Natürlich würden wir an das Gewissen appellieren und der Person nahelegen, zur Polizei zu gehen.

Wird auch Intimes gebeichtet?

Alles. Bis ins tiefste Detail.

Und verzeihen Sie alles? Wenn ich jetzt zu Ihnen sagen würde: Ich habe gestern abgetrieben. Würden Sie mir vergeben?

Am 20. November hat Papst Franziskus ein Schreiben rundgeschickt, dass Priester dazu aufruft, auch Abtreibung und andere schwerwiegende Vergehen zu vergeben.

Auch Homosexualität?

Das ist ja keine Sünde.

Gibt es denn Fälle, in denen Sie keine Vergebung aussprechen?

Ja, wenn jemand beispielsweise eine Straftat begeht und sie nicht bereut.

Was halten Sie von der digitalen Beichte, also von Webseiten, die die anonyme Beichte im Internet anbieten?

Es kann ein sinnvolles Angebot sein, aber es ersetzt nicht den menschlichen Kontakt. Gott vergibt die Sünde durch das Wort des Priesters. Der menschliche Kontakt gehört zur Beichte wie das Wasser zur Taufe.

Gehen Sie auch selber beichten?

Ja, ich habe einen Priester, bei dem ich ab und zu beichte und der mich geistlich begleitet.

Zum Thema:

Auf einen Blick Wo kann überall gebeichtet werden? Im Dekanat Saarbrücken gibt es zwölf Seelsorgereinheiten mit 48 katholischen Einzelkirchen. Ein regelmäßiges Beichtangebot gibt es in der Saarbrücker Innenstadt lediglich in der Basilika St. Johann. Im Regionalverband gibt es außerdem 23 Evangelische Kirchengemeinden mit rund 30 Pfarrerinnen und Pfarrern. Letztere bieten auf Anfrage Beichtgespräche an. faa

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