„Massive Verstöße gegen den Arbeitsschutz“

Wolfgang Pieper ist im Bundesvorstand der Gewerkschaft Verdi für Bund und Länder sowie Gemeinden zuständig. Im Gespräch mit SZ-Redaktionsmitglied Lars Reusch moniert er, der öffentliche Dienst sei an der Grenze der Belastbarkeit angekommen.

Im Saarland sollen bis 2020 im öffentlichen Dienst bis zu zehn Prozent des Personals eingespart werden. Ist das machbar?

Pieper: Wenn das umgesetzt wird, wird dies negative Konsequenzen haben. Das geht auf Kosten von Qualität und bedeutet, dass Dienstleistungen weiter eingeschränkt werden. Vor allem freiwillige Leistungen der Kommunen, etwa Bibliotheken und Schwimmbäder zu unterhalten, könnten eingespart werden. Der öffentliche Sektor wird also immer weiter abgebaut. Dabei müsste man eigentlich genau das Gegenteil machen.

Warum?

Pieper: Die Flüchtlingsarbeit und die Integration von Menschen, die hier bleiben wollen, lässt sich nicht mit weniger Personal machen. Da ist eher mehr Personal notwendig. In den Schulen, den Kitas, aber auch in der Verwaltung. Die muss im Stande sein, das Zusammenleben zu organisieren. Blitzartig sind die Anforderungen an den öffentlichen Sektor gestiegen. Und mein Eindruck ist, dass die Bundesregierung, aber auch alle anderen Regierungen nicht umschalten können auf die neue Situation. Und das hieße jetzt, den Sparkurs zu verlassen.

Die Schuldenbremse sieht aber vor, dass in wenigen Jahren keine neuen Schulden mehr gemacht werden dürfen.

Pieper: Wir müssen Investitionskosten aus der Schuldenbremse ausnehmen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und andere Experten sind sich einig, dass die Ausgaben, die wir jetzt tätigen, sich relativ schnell amortisieren werden. Uns kann nichts Besseres passieren als kräftige Investitionen in die Infrastruktur. Auch künftige Generationen haben nichts davon, wenn unsere Brücken kaputt sind und in den Schulen der Putz bröckelt. Und da gehören Investitionen in Personal natürlich auch dazu. Wir sind derzeit in einer Niedrigzinsphase, der Staat müsste also gerade jetzt für Investitionen nur sehr wenig Zinsen zahlen.

Das führt trotzdem wieder zu einer höheren Verschuldung.

Pieper: Wie gesagt, Investitionen amortisieren sich, man muss aber auch auf der Einnahmeseite ansetzen. Es wäre an der Zeit, die Vermögenssteuer wieder zu erheben und die Erbschaftssteuer vernünftig zu regeln. Diese Steuern greifen da, wo viel Geld ist. Es geht darum, dass die Reichen wieder ihren Beitrag für diese Gesellschaft leisten. Denn ohne Infrastruktur und ohne Daseinsvorsorge gibt es den Reichtum nicht.

Wie wirkt sich das Sparprogramm auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst aus?

Pieper: Auf die Arbeitsbedingungen der Menschen: Immer mehr Leute sind im Dauerstress, die Krankenquoten im öffentlichen Dienst steigen. Die Arbeitsbelastung ist derzeit überall dort ziemlich hoch, wo Flüchtlingsarbeit gemacht wird oder Beschäftigte für Flüchtlingsarbeit abgezogen wurden. Es gibt massive Verstöße gegen den Arbeitsschutz. Da die Registrierungsstellen vielerorts unterbesetzt sind, gibt es riesige Warteschlangen. Man kann das in Berlin ganz gut beobachten, da ist der Hof immer voll. Die Beschäftigten gehen dann ja nicht nach acht Stunden nach Hause. Unsere Personalräte gehen zum Teil zu den Kolleginnen und Kollegen und sagen: Denk auch an dich, es nutzt nichts, wenn du auch ausfällst. Aber die Arbeit muss gemacht werden, und deshalb machen die Kollegen die Arbeit, ohne auf die Uhr zu achten.

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