Harsche Kritik an Maut-Plänen

Saarbrücken · Politiker und viele Bürger aus Lothringen sind sich einig: Die Franzosen in der Grenzregion sollten von der geplanten Maut in Deutschland ausgenommen werden. Die Pläne seien Wasser auf die Mühlen der Europagegner, meint Forbachs Bürgermeister Kalinowski.

 Sylviana Chapel

Sylviana Chapel

Foto: Becker&Bredel

Die junge Mutter auf dem Parkplatz vor dem DM-Markt an der Folsterhöhe nimmt kein Blatt vor den Mund. "C'est de la merde - das ist Sch...", sagt die Kleinrossellerin über die geplante Vignette, die Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU ) einführen will.

Sie gehört zu den vielen Lothringern, die zum Einkaufen über die Grenze fahren, aber auch zum Arbeiten. "Wir haben zwei Autos, macht zwei Vignetten", seufzt sie und findet es ungerecht von Deutschland . Er könne die Deutschen schon verstehen, meint dagegen Denis Kocheren, Lehrer in Kleinrosseln: "Auch in Frankreich gab es ja mal Vignetten, die Gebühr nahm der Staat für die Altersvorsorge." Für die Grenzgänger sei die Ausländer-Maut aber ein harter Schlag, fügt Kochems hinzu. Er denkt dabei vor allem an die Minijobber, aber auch an die Nahversorgung. In Kleinrosseln gebe es seit einem Jahr keinen Supermarkt mehr, gerade werde direkt neben der Grenze in Großrosseln ein neues Einkaufszentrum gebaut. Da sehe man doch, wie wichtig die französische Kundschaft für die deutsche Seite sei.

Noch nähmen die Kleinrosseller die Sache nicht so ernst, weil die Politiker in Frankreich ja auch ständig irgend etwas ankündigten und dann wieder Rückzieher machten, hat Kochems beobachtet. Er fordert: "Es sollte eine Ausnahme für Grenzgänger geben."

Der Architekt Jean-Marie Helwig aus Forbach meint: "Ich bin perplex, wenn die Lothringer hier aus Moselle-Ost in unserer Zeitung die Maut als Eintrittsgeld nach Deutschland bezeichnen. Und das, wo sie doch jeden Tag eine saftige Maut als Eintrittsgeld nach Frankreich zahlen müssen, wenn sie über die Autobahn nach Metz oder Straßburg fahren wollen." Für die Pendler zwischen Nancy und Luxemburg dagegen sei die Autobahn mautfrei, da gebe es also Ungerechtigkeiten innerhalb Frankreichs. Das wirkliche Problem sei der Transitverkehr, der europäische Länder unterschiedlich belaste. "Deshalb müsste man den finanziellen Ausgleich auf EU-Ebene regeln und nicht jedes Land für sich", so sein Fazit.

Forbachs Bürgermeister Laurent Kalinowski sieht das ähnlich: "Man sollte auf europäischer Ebene ein Straßenerneuerungsprogramm schaffen, das brächte sogar Wachstum und neue Arbeitsplätze", sagt er. Doch eine spezielle Ausländer-Maut sei gerade hier im Eurodistrikt kontraproduktiv, eine ärgerliche Bremse für die Mobilität . Gerade erst habe man den Ministern aus Berlin und Paris grenzüberschreitende Arbeitsvermittlung und Ausbildung vorgeführt und viel Lob erhalten. Doch wie sollten sich Azubis aus Lothringen die Vignette leisten können? Sie koste ja je nach Auto zwischen 80 und 150 Euro im Jahr, das System sei viel zu kompliziert. Gerade nach der Erfahrung der jüngsten Wahlen dürfe die Bundesregierung doch nicht den Euroskeptikern mit einem "Eintrittsgeld" einer Abschottung der Grenzen neue Nahrung geben. Der Morsbacher Bürgermeister Gilbert Schuh sieht derzeit nur einen Ausweg: Alle Bürgermeister des Eurodistrikts müssten bei Minister Dobrindt "eine Ausnahme für die Menschen im Eurodistrikt" erwirken.
Zum Thema:

Die Maut soll 2016 eingeführt werden und nicht nur für Autobahnen, sondern für alle Straßen gelten. Die deutschen Autofahrer werden nach den Plänen der Bundesregierung nicht zusätzlich belastet, sondern zahlen im Gegenzug weniger Kfz-Steuer. Die Straßengebühr richtet sich nach Hubraum und Schadstoffklasse. red
"Wir kommen weiter nach Saarbrücken"

 Virgile Miralet

Virgile Miralet

Foto: Becker&Bredel
 Didier Lambroni

Didier Lambroni

Foto: Becker&Bredel
 Samantha Roumens

Samantha Roumens

Foto: Becker&Bredel
 Christine Miralet

Christine Miralet

Foto: Becker&Bredel
 Françoise Lambroni

Françoise Lambroni

Foto: Becker&Bredel

Was denken die Franzosen über die geplante Pkw-Maut in Deutschland? Eine kleine Umfrage in der Stadt ergab, dass einige nicht mehr nach Saarbrücken kommen würden, andere sich von einer Straßengebühr nicht abschrecken lassen.

Die geplante Pkw-Maut ist zurzeit eines der umstrittensten Themen. Besonders für das Saarland als Grenzregion könnte sie negative Folgen haben. Durch die Nähe zu Frankreich und Luxemburg kommen viele Menschen nach Saarbrücken, um einzukaufen oder zu arbeiten. Wir haben einige Franzosen zu den Maut-Plänen befragt.

Didier Lambroni, IT-Fachangestellter aus Metz, hat nichts gegen die Maut einzuwenden: "Es wird nicht ganz so teuer wie bei uns in Frankreich . Das ist wirklich nicht so schlimm", meint der 47-Jährige, den wir in der Bahnhofstraße trafen. Seine Gattin Françoise Lambroni ergänzt: "Wir gehen sehr gern hier in Saarbrücken shoppen und werden dies auch mit Maut selbstverständlich weiter tun."

Ganz anders sieht das die 50-jährige Sylviana Chapel: "Das ist keine gute Idee. Wenn das wirklich durchgesetzt werden sollte, werde ich nicht mehr in Saarbrücken einkaufen gehen." Für Samantha Roumens gibt es nur eine Möglichkeit. "Ich werde dann eben online shoppen, wenn es mir hier zu teuer wird. Es ist ja nicht nur die Maut , sondern es fallen ja auch noch Parkgebühren an. Das wird einfach zu viel", sagt die 33-jährige Krankenhausangestellte aufgebracht.

Nicht nur zum Einkaufen, sondern auch für eine leckere Currywurst kommt Virgile Miralet aus Metz nach Saarbrücken. "Wir kaufen sehr gerne hier ein und essen auch gerne zu Mittag in Saarbrücken. Von einer Maut hören wir heute zum ersten Mal. Natürlich gefällt uns das nicht so gut", erklärt der 41-Jährige. "Andererseits verlangen wir hier in Frankreich auch Gebühren zur Nutzung unseres Straßennetzes, und da können wir uns eigentlich nicht beschweren", sagt der Techniker schmunzelnd.

Seine Frau Christine Miralet meint: "Wir kommen weiter nach Saarbrücken zum Einkaufen. In unserer Gegend gibt es keine alternativen Möglichkeiten, einzukaufen." bub

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