Wenn eine Lesung zum packenden Schauspiel wird . . .

Quierschied · Die in Graz geborene Isabella Archan zieht die Besucher in der Quierschieder Gemeindebücherei gekonnt in die Geschichte, aus der sie liest.

 Isabella Archan ist in ihrem Element. Foto: Iris Maurer

Isabella Archan ist in ihrem Element. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

An einem Tisch sitz vorne der Schriftsteller und trägt Passagen aus seinem Werk vor, die er zuvor sorgfältig ausgewählt hat. Ab und an blickt er hoch und schielt die Leute im Publikum kurz an. So stellt man sich für gewöhnlich eine Autorenlesung vor. Das kann mitunter recht tröge sein.

Das kann man auch völlig anders machen: Den Beweis trat die Autorin Isabella Archan in der Gemeindebücherei an. Die in Köln lebende Autorin und Schauspielerin las am Welttag des Buches aus ihrem aktuellen Kriminalroman "Anton zaubert wieder" vor. "Las" stimmt nur bedingt. Denn es handelte sich vielmehr um eine szenische Lesung der Frau, die vielen Saarländern als Gretchen im Faust I des Staatstheaters bekannt ist. Eine gute Grundlage für die 1965 in Graz Geborene. Denn die Schriftstellerin steht vor den Besuchern und zieht diese mit ihrer Aura in ihren Bann. "Lassen sie alles los, was Sie beschäftigt. Gehen Sie mit mir auf die Reise in die Welt Ihrer Vorstellungskraft", sagte sie zu den Besuchern in der Bücherei. Das klang fast wie bei einem Entspannungskurs. Soll es wohl auch. Die Menschen schauten zunächst verdutzt, waren wohl ein wenig unsicher, lächelten und machten dann doch mit. Man musste schon gute Nerven haben und hellwach sein. Wenn nicht, wurde man es. Denn da vorne lief ein Film ab. Eine Handlung, die man nicht sieht, aber dennoch spürt. Denn Archan steuert jedes kleinste Detail bei, das man braucht, um sich mittendrin, statt nur dabei zu wähnen. Etwa in einer Kölner Cocktailbar, in der sich eine Frau in der Mitte des Lebens, deren Make-up noch keine Sprünge hat, auf einen Männer-Abenteuer-Trip begibt. Gelächter kommt auf, als die seit 15 Jahren als Schriftstellerin tätige, burschikose Frau das Schminke-Detail beschreibt. Das Publikum ist mehrheitlich weiblich und meist mittleren bis reiferen Alters. In Köln treibt ein Serienmörder sein Unwesen. Doch der rustikale Österreicher, der die Blonde in der Bar abschleppt, ist es nicht. Stattdessen packt die Frau ihr Stilett aus. Was er nicht mehr sieht: Die Frau trägt eine Perücke und ist ein Mann.

"Hüten Sie sich davor, einen Menschen nach seinem Aussehen zu beurteilen", rief Isabella Archan den Literaturfans zu. Die waren angesichts solch geballter Ladung Spannung und Verzauberung erst einmal baff. Ganz ohne Lesen ging es dann doch nicht: Auch die Hauptperson, Anton, wurde in Graz geboren. Als die Mutter ermordet wurde, zog er früh mit den Nachbarn, die ihn adoptierten, nach Köln. Der Womanizer wird morgens nackt im Bett von Anni wach. Die erinnert ihn an seine Mutter, deren Tod er nie verarbeiten konnte. Als er Anni tot in der Wohnküche findet, kommt das Trauma wieder hervor. Anton kann nicht mehr sprechen und wird in die Psychiatrie gebracht. Täter oder Zeuge? Das ist zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklar. Die Autorin testete in Quierschied - zumal die Polizei gleich kommen werde, wie sie sagte - wie man den Satz "Oh Gott, mein Mann ist tot" auf verschiedene Arten sagen könnte. Eine Generalprobe sei das, sagte sie verschmitzt. Die Buchfans werden aktiv mit einbezogen. Archan spielt gerne mit so'n bisschen Erotik, geht dabei in die Tiefe und greift zwischenmenschliche Erfahrungen auf. Und sei es nur bei den imaginären Schlagzeilen der Boulevardpresse. Kostprobe: "Horrormorde in Quierschied. Wer schlachtet unsere Männer ab?". Der Tipp für den perfekten Mord: Die Hintertür der Wohnung offenlassen.

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