Von Gretchen und der neuen Religion des Sparens

Unsere Woche · Das Gretchen hatte da mal eine Frage: "Nun sag, wie hast du's mit der Religion ?", wollte sie von diesem Herrn Faust wissen. Der deutlich ältere Mann war, so beschreibt es Johann Wolfgang von Goethe in seiner Tragödie "Faust I", hinter Gretchen her.

Und wo das Mädchen schon mal dabei war, teilte es ihm nach der Frage auch gleich ihren Verdacht mit: "Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon."

Knapp 200 Jahre nach Goethes erfundenem Mädchen hatte das wirklich existierende saarländische Innenministerium diese Woche auch eine Gretchenfrage. So nennt man, seit Faust einst die Bühne betrat, Fragen, die eine Gesinnung aufdecken sollen. Auch fürs Ministerium geht es um so etwas wie Religion - es geht ums Geld. Die ministerialen Beamten wollen von denen in der Saarbrücker Stadtverwaltung wissen, wie die es mit dem Sparen halten.

Das Ministerium hat das natürlich anders formuliert. Es geht darum, dass die Stadt in diesem Jahr voraussichtlich rund 56 Millionen Euro Schulden machen will. Ende des Jahres steht Saarbrücken dann mit 1,2 Milliarden Euro bei Banken in der Kreide. Kurz vor Weihnachten hat die Stadt den vom Stadtrat beschlossenen Haushalt an die Kommunalaufsicht geschickt. Und die hat nun auf Anfrage der SZ mitgeteilt, "dass die Stadt zum Thema Haushaltssanierung noch einige Erläuterungen geben muss". So wie die Stadt ihn eingereicht hat, sei der Haushalt "derzeit insgesamt nicht bearbeitungsfähig".

Wie Gretchen ihrem Faust nicht so recht getraut hat, klingen auch die ministerialen Formulierungen nicht danach, als sei man davon überzeugt, dass die Stadt das Sparen zur Religion macht. "Bekanntermaßen braucht die Landeshauptstadt in diesem Jahr ihr Eigenkapital auf, so dass sie als überschuldet gilt. Die Beseitigung der Überschuldung erfordert strukturell wirkende Sparmaßnahmen , die in einem sogenannten Sanierungshaushalt darzustellen sind. Ob die von der Stadt aktuell und in den nächsten Jahren vorgesehenen Sparmaßnahmen ausreichen, steht erst nach Abschluss der aufsichtsrechtlichen Prüfung durch das Landesverwaltungsamt fest", sagt das Ministerium.

Das höre sich alles strenger an, als es gemeint sei, sagt der städtische Kämmerer, Torsten Lang. Es gehe nur um das "System" in der Buchhaltung, mit dem sichergestellt werden soll, dass genug gespart wird. Das Ministerium habe mitgeteilt, dass es das System der Stadt nicht verstehe. Was verwundere, sagt Lang, weil genau dieses System erst neulich vom Ministerium selbst vorgestellt und gewünscht worden sei.

Während Stadt und Land nun also Systemfragen klären, drängen sich mir immer drängendere Fragen an Bundes- und Landespolitiker auf: Könntet Ihr mal damit aufhören, unsere Städte und Gemeinden kaputt- und unsere Lebensqualität wegzusparen? Könntet Ihr mal damit aufhören, so zu tun, als seien viele der Menschen, die für uns Bürger arbeiten, Einsparmasse, also überflüssig? Fällt Euch sonst wirklich nichts ein? Könntet Ihr nochmal nachdenken, bitte?

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort