Porträt Dem Bürgerkrieg in Syrien entronnen

Karlsbrunn · Aus seiner Heimatstadt Damaskus musste Eyad fliehen, in Deutschland hat er nun die Chance auf einen Neuanfang. Tatkräftige Unterstützung erhält er dabei von Familie Schnabel aus Karlsbrunn.

 Sven Schnabel mit Hund Paule, Sohn Noah, Eyad, Tochter Eva-Lotta und seiner Frau Melanie Schnabel in ihrem Haus in Karlsbrunn (v.l.). Seit fünf Monaten lebt der junge Syrer Eyad in einer Einzimmerwohnung in der Nähe der Familie.

Sven Schnabel mit Hund Paule, Sohn Noah, Eyad, Tochter Eva-Lotta und seiner Frau Melanie Schnabel in ihrem Haus in Karlsbrunn (v.l.). Seit fünf Monaten lebt der junge Syrer Eyad in einer Einzimmerwohnung in der Nähe der Familie.

Foto: Oliver Dietze

Fast 4000 Kilometer liegen zwischen dem 18-jährigen Mohammed Eyad Ghannam und seiner syrischen Heimatstadt Damaskus. Eyad ist ein fröhlicher und charmanter junger Mann, besucht seit Februar die zehnte Klasse eines Gymnasiums und hat eine Ausbildung zum Sanitäter abgeschlossen. Vor zehn Monaten überquerte er als Flüchtling die deutsche Grenze - allein.

Eyad floh vor vier Jahren mit seiner Familie nach Jordanien, wo er drei Jahre lebte. Er konnte dort weiter zur Schule gehen und schloss sogar die elfte Klasse ab. Dann entschieden seine Eltern, eines ihrer Kinder auf die gefährliche Reise nach Deutschland zu schicken. Sie wählten den damals 17-jährigen Eyad, in der Hoffnung er könnte seine Familie später nachholen. Zunächst flog der minderjährige Junge in die Türkei. Von dort aus schlug sich Eyad dann mit einigen Freunden seines Bruders, der in der Türkei lebt, bis nach Deutschland durch. Genaueres möchte er über die drei Wochen dauernde, traumatische Flucht nicht erzählen.

Sven und Melanie Schnabel leben in dem 900-Seelen-Dorf Karlsbrunn . Er arbeitet bei Saarstahl in Völklingen, sie ist bei Juz United angestellt. Das Ehepaar hat drei Kinder. Im Sommer vergangenen Jahres begann Sven Schnabel, sich ehrenamtlich in Lebach zu engagieren. Durch einen Zufall kam der Familienvater für einen Termin in die Notunterkunft Köllerbach - dort schnitten sich die Wege des Syrers und des Deutschen zum ersten Mal.

"Eyad war etwas zurückhaltend, aber er sprach Englisch", erinnert sich der dreifache Familienvater. Also sei er direkt auf ihn zugegangen, um sich mit ihm zu unterhalten. Dann folgten weitere Treffen, auch mit Schnabels Frau und Kindern. Daraufhin entschied die Familie, sich um Eyad zu kümmern: Sie besorgten ihm eine Einzimmerwohnung in Karlsbrunn , 200 Meter Luftlinie von ihrem eigenen Haus entfernt, und halfen ihm bei Amtsgängen und dem Ausfüllen von Anträgen. Melanie Schnabel meldete Eyad an einem Gymnasuim an. "Ich dachte, dass ich viel mehr kämpfen muss, aber die Schule stimmte sofort zu", erzählt sie. Die zehnte Klasse wurde ihm anerkannt, da er aber seine Deutsch-Kenntnisse noch verbessern muss, geht der junge Syrer noch einmal in die zehnte Klasse des Albert-Einstein-Gymnasiums in Völklingen. Zusätzlich besucht er zweimal die Woche nach dem Schulunterricht einen Deutschkurs.

"Die anderen Schüler des Gymnasiums sind sehr nett", erzählt Eyad strahlend. Er sei dort keine Ausnahmeerscheinung, das habe ihm den Start erleichtert, erklärt Melanie Schnabel. Etwa zehn andere Flüchtlinge unterschiedlichen Alters besuchen die Schule. "Dem Leiter des Gymnasiums, Wolfgang Pfaff, ist es wichtig, dass die Flüchtlinge in Deutschland ihren Abschluss machen können, eine Zukunft haben", erzählt Familienvater Schnabel. Er bietet auch einen Arabisch-Test an, sodass die syrischen Schüler ihre Muttersprache als zweite Fremdsprache anerkennen lassen können. Außerdem hat die Schule eine Stelle für eine Integrationslehrerin geschaffen, die den Flüchtlingen zur Seite steht.

Täglich skypen die Schnabels mit Eyads Eltern, die noch immer in Jordanien sind. Sein Asylantrag konnte erst eingereicht werden, als er schon 18 Jahre alt war. Damit ist ein Familiennachzug nicht mehr möglich. "Wenn mein Junge in der gleichen Situation wäre, dann könnte ich mir doch auch nur wünschen, dass eine andere Familie ihn aufnimmt", sagt Sven Schnabel. Für Eyad sei es sehr wichtig, dass die Familien in engem Kontakt stünden, "das mache eine runde Sache daraus", so Schnabel. Außerdem sollen die Zurückgebliebenen wissen: "Das Kind ist gut aufgehoben, macht euch keine Sorgen, wir kümmern uns."

Auch für die Schnabels sei es eine Bereicherung, eine andere Kultur kennenzulernen, da sind sich alle einige. "Und das Essen schmeckt so lecker", ergänzt Sven Schnabel lachend. Er hat ein enges Verhältnis zu dem 18-Jährigen, "ich behandele ihn wie einen eigenen Sohn", erzählt er. "Für mich ist er wie ein großer Bruder", wirft die jüngste Tochter, Eva-Lotta, ein. Und auch Sohn Noah hat sich mit dem neuen Familienmitglied angefreundet.

"Eyad ist halt ein Junge wie jeder andere und macht viel Quatsch, er ist aber auch charmant, höflich und hilfsbereit", so Sven Schnabel. Das Engagement beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), wo Eyad seine Sanitäterausbildung abgeschlossen hat, ist für den Jugendlichen selbstverständlich: "Mir wurde geholfen, nun will ich auch etwas zurückgeben", sagt er nachdenklich. Egal ob bei der Seniorenbetreuung oder dem Blutspende- und Sanitätsdienst, Eyad ist mittlerweile ein fester Bestandteil des Teams.

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