Keine Gnade für Wackelkandidaten

Karlsbrunn · Straßen und Wanderwege im Wald müssen verkehrssicher sein. Kranke, verletzte und alte Bäume sind zu entfernen, ehe sie zur Gefahr werden können. An Steilhängen sind solche Sicherungsarbeiten aufwendig und gefährlich. Und oft verstehen die Leute die Hintergründe nicht.

 Aufwendige und gefährliche Baumfällarbeiten an der Landstraße 276 zwischen Karlsbrunn und St. Nikolaus: vor allem die Arbeiten in den Steilhängen. Foto: Rolf Ruppenthal

Aufwendige und gefährliche Baumfällarbeiten an der Landstraße 276 zwischen Karlsbrunn und St. Nikolaus: vor allem die Arbeiten in den Steilhängen. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Sturmtief "Niklas" hat Ende März bei seiner Saarland-Durchquerung allerorten Äste abgebrochen und Bäume umgeworfen. Das halbe Land trauerte um die betagte Kaiserlinde in Elversberg, die als prominentes Sturmopfer in die lokalen Geschichtsbücher eingehen dürfte. Alles in allem hielten sich die Bäume aber wacker. Es waren keine Verletzten und keine schweren Schäden zu beklagen - wohl auch ein Indiz dafür, dass die vorbeugende Verkehrssicherungspflicht Beachtung findet.

Der Gesetzgeber verlangt von den Waldbesitzern, dass sie ihre Bestände regelmäßig kontrollieren, um Gefahren für die Allgemeinheit abzuwenden. Vor allem an öffentlichen Straßen, Wander- und Radwegen, Eisenbahnlinien und Versorgungsleitungen müssen geschädigte, kranke und altersreife Bäume entfernt werden, ehe die Natur sie unkontrolliert niederstürzen lässt. Kritiker belegen derlei Vorsorge oft mit Vorwürfen wie "Frevel" oder "Profitdenken", denn der Sinn der Arbeiten und ihr Ausmaß erschließen sich dem Laien oft nicht. Der Förster hat aber ein anderes Auge für die Statik eines Baumes. Selbst wenn der Baum unten kerngesund ist, kann ihn ein Pilz in der Krone oder ein Specht in sieben Metern Höhe zum gefährlichen Wackelkandidaten machen. Meist nehmen die Verantwortlichen "lieber einen kränkelnden Baum zu viel raus als einen zu wenig", beharrt Saarförster Philipp Klapper auf dem Vorrang für Sicherheit. Gerade an den viel frequentierten Premiumwanderwegen soll es so sicher wie möglich zugehen, obwohl man nie alle waldtypischen Gefahren wird beseitigen können.

In diesen Tagen hat Philipp Klapper, Leiter des Reviers Großrosseln, eine Herkulesaufgabe zu stemmen, nämlich Baumfällarbeiten am Meisenberg entlang der Landstraße 276 von Karlsbrunn nach St. Nikolaus. Etliche alte Bäume stehen krumm, sind verletzt (etwa nach Verkehrsunfällen) oder nicht gesund. An dem extremen Steilhang hat seit vielen Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten keine Durchforstung mehr stattgefunden. Holzernte am Berg ist nämlich aufwendig und so teuer, dass sie sich selten rechnet. Klapper schildert, dass allein die Vollsperrung der Straße (in der Woche vor Ostern) und des parallel verlaufenden Premium-Wanderweges mit Beschilderungen und Kontrolldienst 900 Euro am Tag koste. Sogar Buslinien mussten umgelegt werden. Schon mehrere Kilometer vor den Orten wurden die Verkehrsteilnehmer auf die Sperrung und ihren Grund hingewiesen. Die Maschinen, vor allem ein Seilkran, schlagen mit 3200 Euro am Tag auf die Gesamtrechnung. Da der Förster die nicht aufschiebbaren Sicherungsarbeiten mit einer kräftigen Durchforstung verbindet und am Ende 800 Festmeter Buchen, Eichen und Kiefern verkaufen kann, hofft er, dass unter dem Strich ein kleines Plus stehen wird. Von Profit redet da aber keiner.

Die zwölf Mitarbeiter an der Baustelle kommen von drei Firmen (eine sogar aus Karlsruhe) und vom Saarforst Landesbetrieb selbst. Als die Forstbehörde noch hunderte Mitarbeiter hatte, erledigte sie alles selbst, nun kauft sie die Dienstleistungen ein. Das ist mutmaßlich günstiger, doch sind nun die diversen Unternehmen zu koordinieren. Da ist der Förster als Manager und auch als Dolmetscher gefragt. Etliche Waldarbeiter kommen aus Osteuropa und tun sich bisweilen schwer mit dem Deutschen. Philipp Klapper widerspricht aber ausdrücklich vereinzelten Vorurteilen, dass die Arbeitskräfte schlecht bezahlt würden und keine gute Arbeit leisteten. Die Arbeit der Waldarbeiter und Maschinisten ist hart und gefährlich, hin und wieder schießt sogar ein gefällter Baum den Hang hinunter - wie ein Schlitten auf dem Schnee. Schon das Gehen und Stehen verlangen enorme Konzentration.

Um so erschreckender, dass Autofahrer - Klapper nennt sie "lebensmüde" - nach Feierabend die Barrieren wegnahmen und die gesperrte Trasse befuhren. "Nur weil man keine Motorsägen hört, ist die Gefahr nicht gebannt. Nachbrechende Äste, hängende Bäume und unter Spannung stehendes Holz können tödliche Gefahren darstellen," weiß der Experte. Beleidigungen setzt es hin und wieder von Autofahrern und Wanderern, die vorübergehend nicht die gewohnten Parkplätze oder Pfade benutzen können. Philipp Klapper und seine Mitarbeiter weisen dann gern darauf hin, dass demnächst wieder und für lange Zeit ein Waldbestand mit verkehrssicheren Straßen und Wanderwegen angeboten werden könne.

Wer genau hinsieht, wird bemerken, dass die Durchforstung auch mit ästhetischem Blick geschieht. Immer mal wieder bleiben nah an der Straße einzelne Kiefern, Buchen und Birken stehen, die sich als standfeste Solitärbäume entwickeln sollen und um ein schönes, abwechselungsreiches Bild zu erzeugen.

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