Was geschützt werden soll und warum

Dorf im Warndt · Umweltminister Reinhold Jost hat im SZ-Redaktionsgespräch ein Versprechen gegeben. Auch als Naturschutzgebiet, sagte er, bleibe der Warndt Bürgerwald. Es werde am Schluss nicht mehr Verbote geben als jetzt. Was ist derzeit erlaubt, was nicht? Hier ein Überblick (freilich ohne Gewähr).

 Buchen-Mischwald dominiert die Warndt-Landschaft. Hier ein besonders schönes Fleckchen: Knorrige Bäume umgeben den Teich, in den sich die Sprossmannsquelle ergießt. Archivfoto: Becker & Bredel

Buchen-Mischwald dominiert die Warndt-Landschaft. Hier ein besonders schönes Fleckchen: Knorrige Bäume umgeben den Teich, in den sich die Sprossmannsquelle ergießt. Archivfoto: Becker & Bredel

Hainsimsen-Buchenwald: Das ist der wichtigste und umfangreichste "Lebensraumtyp", den der Verordnungs-Entwurf für das geplante Naturschutzgebiet (NSG) Warndt verzeichnet. Umweltminister Reinhold Jost (SPD ) und seine Mitarbeiter haben Zahlen mitgebracht zum SZ-Redaktionsgespräch: 2933 der 5091 Hektar des Schutzgebiets zählen sie zu dieser Wald-Gesellschaft. Es ist der häufigste Waldtyp Deutschlands, dominiert von der Rotbuche, mit einigen Nebenbaumarten dabei. Weil das dichte Kronendach der Buchen wenig Licht nach unten durchlässt und die typischen Böden dieses Waldtyps eher sauer sind, also nicht allzu nahrhaft, bilden sich hier "Hallenwälder" - kräftige Stamm-"Säulen", ganz oben grüne "Gewölbe", untendrunter fast kein Unterholz und nur wenig Grünes in der Krautschicht.

Hainsimsen-Buchenwälder sind relativ artenarm. Auch mit Blick auf die Tierwelt. Warum soll dann dieser Wald in so großer Fläche unter strengen "Naturschutzgebiet"-Schutz? Weil der Warndt ein tolles Ökosystem sei, sagt der Minister, daher erhaltenswert. Die klassische - und plausible - Begründung für den Schutz eines weder seltenen noch regional gefährdeten Lebensraumtyps nennt er nicht: In Deutschland und speziell im Saarland wächst ein sehr großer Teil der europäischen Hainsimsen-Buchenwälder. Damit tragen der Bund und das Land besondere Verantwortung dafür, dass diese Wälder intakt bleiben.

19 Hektar des geplanten Schutzgebiets sind als Eichen-Hainbuchenwald kartiert, 0,8 Hektar als Auen-Wälder. Letztere sind so rar geworden, dass die Europäische Union (EU) sie aufgenommen hat in die Liste der "prioritäten" Lebensraumtypen (LRT); solchen Arealen gilt Extra-Fürsorge, sie sollen keinesfalls untergehen. Ebenso "Artenreiche montane Borstgrasrasen . . . ": Auf 0,45 Hektar im Warndt gibt es diese Relikte einstiger Landwirtschaft mit Pflanzen, die es mager mögen und moderne Grünland-Bewirtschaftung partout nicht vertragen.

Etwas weniger sensibel - und weniger selten, daher nicht "prioritär" - sind "Magere Flachland-Mähwiesen", 50 Hektar, auch sie durch Landwirtschaft alter Zeiten entstanden und mit moderner Intensiv-Bewirtschaftung unverträglich. So fordert die Schutz-Verordnung, dass Borstgrasrasen und magere Wiesen nur einmal jährlich gemäht werden, spät, wenn die Pflanzen abgeblüht sind. Wo das Ertragseinbußen bedeute, könnten die Bewirtschafter Förderung erhalten, sagt Jost; "sie müssen das nur beantragen".

Dann gibt es noch "Trockene europäische Heiden", zwei kleine Flächen, Überbleibsel einstiger Beweidung. Sie zu erhalten, sei ganz einfach, sagt Steffen Caspari vom Zentrum für Biodokumentation: Saarforst als Eigentümer müsse sie nur fürs Licht offenhalten, Wald-Aufwuchs verhindern und die Heidepflanzen gelegentlich zurückschneiden, damit sie nicht vergreisen.

Nicht allzu schwierig ist es nach Casparis Auskunft auch, seltene Tierarten zu schützen. Zum Beispiel die Spanische Flagge, auch Russischer Bär genannt: Dieser Schmetterling sei eine "Lichtwaldart", sagt Caspari, der helle, warme, aber nicht zu heiße Plätze schätze. Waldweg-Ränder etwa, deren Pflanzen erst den Raupen, dann den Faltern Nahrung liefern. Spätes Mähen der Wegränder genüge, um der Spanischen Flagge den Lebensraum zu bewahren. "Tut niemandem weh", sagt Caspari - aber den Schmetterlingen, auch anderen Arten, ausgesprochen wohl. Und für den Hirschkäfer, heute selten geworden, könnten die Forstleute allerhand tun, indem sie einfach totes Holz im Wald lassen.

Anders liegen die Dinge bei der Helm-Azurjungfer. Für diese Kleinlibelle haben die Biotop-Kartierer ein Habitat am Grohbruchbach ausgewiesen - obwohl die Ecke derzeit so beschaffen ist, dass die Tiere dort kaum leben können: Der Bach ist trocken gefallen, der Randbewuchs so hoch geworden, dass zu viel Schatten auf den eigentlichen Lauf fällt, berichtet Libellen-Spezialist Bernd Trockur. Doch mit nur kleinen Eingriffen lasse sich das Habitat wiederherstellen. Die Helm-Azurjungfer habe es früher bewohnt - und Libellen-Populationen kämen zurück, sobald das Umfeld wieder stimme. "Diese Libelle ist so extrem selten, da muss man wirklich was tun", sagt Trockur. Übrigens sei sie schwer zu unterscheiden von anderen blauen Kleinlibellen. Ihr Kennzeichen: eine helmartige schwarze Zeichnung auf dem zweiten Körper-Segment.

Und noch einen Seltenen beherbergt der Warndt : den Kammmolch, eine der größten heimischen Amphibien. Im Bereich der Ziegelei in Dorf im Warndt , berichtet Steffen Caspari, "gibt es sogar eine dicke Population". Aber wie viele Tiere dort leben, lasse sich kaum feststellen, wie bei anderen Arten auch. Dennoch: Durch die Biotop-Kartierungen, an denen man seit 2006 im Rahmen der europäischen Natura 2000-Vorhaben arbeite, wisse man heute viel mehr über seltene Tiere und Pflanzen in der Region als zuvor. "Das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundstücken zum Zweck der Erholung ist allen gestattet", heißt es in § 59 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Für den Wald erlaubt § 14 des Bundeswaldgesetzes (BWaldG) Gleiches. Das saarländische Landeswaldgesetz (LWaldG) fasst es genauer: Nach § 25 soll die Erholung "naturverträglich" sein. Überall gilt der freie Zugang ohne Wenn und Aber, egal ob auf Wegen oder querfeldein.

Allerdings nur für Fußgänger. "Das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen sowie das Reiten im Wald ist nur auf Wegen und Straßen gestattet", steht in § 25 LWaldG, der auch definiert, was "Wege" sind - Fußpfade zum Beispiel gehören nicht dazu.

Wobei Radler und Reiter ausnahmsweise die Wege verlassen dürfen, wenn sie die Erlaubnis des Waldbesitzers dafür haben. Ebenfalls nur "mit Zustimmung des Waldbesitzers" sind "Fahren und Abstellen von motorgetriebenen Fahrzeugen" gestattet, "Fahren mit Kutschen und Hundegespannen" und "Zelten im Wald". Oder "organisierte Veranstaltungen im Wald mit gewerblichem Charakter". Ohne Erlaubnis ist all das verboten und kann mit Bußgeld belegt werden.

Bei größeren Veranstaltungen redet die Naturschutzbehörde mit. Ist "mit mehr als geringfügigen Störungen des Naturhaushalts zu rechnen", ist das Vorhaben mindestens zwei Monate vorher anzuzeigen, speziell wenn "mehr als 100 Personen, erhebliche Lärmbelästigungen oder Sachschäden zu erwarten sind", heißt es in § 12 des Landesnaturschutzgesetzes (LNatSchG). Die Behörde kann Verbote oder Auflagen aussprechen. Lagerfeuer mögen bei der Wander-Rast gemütlich sein - doch nach § 11 LNatSchG ist Feuermachen in der freien Landschaft: verboten. Erlaubt ist hingegen, Pilze , Beeren, Kräuter zu sammeln. Und nicht nur am Wegesrand. Die "Handstraußregel" in § 39 BNatSchG, Absatz 3, besagt: "Jeder darf wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze , Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur an Stellen, die keinem Betretungsverbot unterliegen, in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen." Wer gewerblich sammeln will, etwa um Kräutertee oder Marmelade herzustellen, braucht nach § 39 BNatSchG das Einverständnis des Eigentümers und eine Genehmigung der Naturschutzbehörde. Aber: "Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn der Bestand der betreffenden Art am Ort der Entnahme nicht gefährdet und der Naturhaushalt nicht erheblich beeinträchtigt werden."

Hunde - ausgenommen Tiere für spezielle Aufgaben - müssen nach § 33 des Saarländischen Jagdgesetzes (SJG) in der Zeit vom 1. März bis 30. Juni an die Leine, "außer wenn sie zuverlässig den Bereich des Weges nicht verlassen". In der Brut- und Setzzeit gilt also für die große Mehrheit der normalen Haushunde Leinenzwang. Ansonsten aber haben Hunde und ihre Halter viel Freiheit.

Im Verordnungs-Entwurf fürs geplante Naturschutzgebiet Warndt sind deutlich weiter gehende Verbote festgeschrieben. Ausnahmen sind möglich, bedürfen aber einer Genehmigung der Obersten Naturschutzbehörde. Und wer gegen Verbote verstößt, den erwarten im Naturschutzgebiet teilweise doppelt so hohe Bußgelder wie anderswo. Ein Katalog regelt die Höhe.

 Ein Kammmolch – den „Kamm“ am Rücken, der der Art den Namen gab, besitzen nur die Männchen. Sichtbar ist er nur, wenn die Tiere, wie hier, im Wasser sind; an Land fällt er in sich zusammen. Foto: Jörg Flottmann

Ein Kammmolch – den „Kamm“ am Rücken, der der Art den Namen gab, besitzen nur die Männchen. Sichtbar ist er nur, wenn die Tiere, wie hier, im Wasser sind; an Land fällt er in sich zusammen. Foto: Jörg Flottmann

Foto: Jörg Flottmann
 22 bis 26 Millimeter misst der Leib der Kleinlibelle: eine Helm-Azurjungfer. Foto: Bernd Trockur

22 bis 26 Millimeter misst der Leib der Kleinlibelle: eine Helm-Azurjungfer. Foto: Bernd Trockur

Foto: Bernd Trockur
 Die Spanische Flagge, auch Russischer Bär genannt, liebt Wasserdost. Foto: Anita Naumann

Die Spanische Flagge, auch Russischer Bär genannt, liebt Wasserdost. Foto: Anita Naumann

Foto: Anita Naumann
 Abenteuer mit Lagerfeuer: Junge Leute aus dem Freiwilligen Sozialen Jahr trafen sich im Frühjahr 2003 im Warndtwald bei Ludweiler zu einem einwöchigen Wildniscamp. Archivfoto: Jenal

Abenteuer mit Lagerfeuer: Junge Leute aus dem Freiwilligen Sozialen Jahr trafen sich im Frühjahr 2003 im Warndtwald bei Ludweiler zu einem einwöchigen Wildniscamp. Archivfoto: Jenal

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HintergrundErholung spielt im Naturschutzrecht eine bedeutende Rolle. In § 11 des Landesnaturschutzgesetzes heißt es: "Zum Schutz ihres Erholungswertes sind die Landschaften des Saarlandes in ihrem typischen Charakter nachhaltig zu sichern oder zu entwickeln. Die Zugänglichkeit der für die Erholung besonders geeigneten Landschaftsteile ist grundsätzlich zu gewährleisten." Im Bundesnaturschutzgesetz, § 26, heißt es über Landschaftsschutzgebiete , man schütze dort "wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der Landschaft" oder "wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Erholung". Die Stadt Völklingen hat darauf aufmerksam gemacht, dass auch Landschaftsschutzgebiete den Natura 2000-Anforderungen der EU genügen. dd

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