Abschied von einem Menschenfreund

Als vor zwei Jahren der Brunchbox-Laden aus meinem Quartier, dem Nauwieser Viertel, verschwunden ist, habe ich nicht mit der Wimper gezuckt. Als der Goldschmiedeladen verschwand, habe ich auch nicht zur trauernden Gemeinde gehört.

Selbst als der Käseladen zugemacht hat, war da nicht mehr als ein "schade eigentlich"-Gefühl - und der Eindruck, dass da einige Hausbesitzer mit ihren merkwürdigen Mietforderungen auf bestem Wege sind, ein Viertel uncharmant zu machen.

Aber dass Läden schließen und andere aufmachen, Ideen zur Goldgrube werden oder scheitern, Räume auch mal eine Weile leer stehen und sich dann plötzlich alle drängen, um da reinzukommen - das ist nichts Neues. Auch dass ganze Stadtviertel sich wandeln, finde ich eher faszinierend als beunruhigend. Der St. Johanner Markt wurde vom Rotlichtviertel zur "Gudd Stubb", das Chinesenviertel zur begehrten Adresse. Wer weiß, vielleicht ist es in 20 oder 30 Jahren hip und kultig, in Burbach zu leben statt im Nauwieser Viertel.

Leerstand - das Wort schafft es einfach nicht, bei mir Panik auszulösen. Ein Leerstand in meinem Viertel macht mich, und nicht nur mich, aber traurig. Der Briefmarken- und Münzladen am Anfang der Cecilienstraße direkt an der Johanneskirche steht seit einigen Wochen leer.

Ich interessiere mich für Briefmarken nur, wenn ich sie auf Briefe kleben, und für Münzen nur, wenn ich damit bezahlen kann. Den Laden selbst vermisse ich also nicht. Aber der Mann, der ihn 38 Jahre lang betrieben hat, fehlt. Axel Späth ist auf dem Heimweg unglücklich gefallen und an den Folgen seines Sturzes gestorben, haben mir seine Nachbarn erzählt.

Axel Späths Laden, sagt einer dieser Nachbarn, Werner Bierbrauer, war mehr als ein Geschäft für Münzen und Briefmarken. Der Laden war ein Beichtstuhl und eine Concierge-Loge. Axel Späth hatte den Eingang zum Viertel im Blick und damit immer viel zu erzählen. Er war aber keiner, der gerätscht hat, keiner, der Klatsch verbreitet hat. Im Gegenteil: Axel Späth war einer, bei dem die Menschen ihr Herz ausgeschüttet haben. Einer, der geholfen hat, ohne darüber zu reden.

"Seinen Mitmenschen begegnete er immer mit Achtung und Wohlwollen", erinnert sich Manfred Nikolai, ein Nachbar, der auch Geschäftsführer war im Saraphon (das bis Mitte 2002 schräg gegenüber auf der anderen Seite der Kreuzung lag).

Als es um die Menschen ging, die Drogen- und Alkoholprobleme ins Viertel brachten, und bei vielen Anwohnern und Geschäftsleuten der Blutdruck stieg, sei es Axel Späth gewesen, der mahnte: "Regt Euch nicht so auf", erinnert sich Gudrun Pink, die Inhaberin des Hotel Madeleine. Axel Späth war auch einer von denen, die dafür sorgten, dass der Kirchgarten heute ein öffentlicher Park ist. Einer, der sein Viertel mochte, sich engagierte, ohne sich wichtig zu machen. Dieser Menschenfreund hinterlässt nicht einfach einen Leerstand, sondern eine Leere, die weh tut.

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