Überlebende, nicht Opfer

Boston · Drei Menschen kamen ums Leben, als Terroristen in Boston zwei Bomben zündeten. Für viele der Verletzten war das bisherige Leben zerstört. Aufgeben wollten sie sich aber nicht. Manche hat es stärker gemacht.

 Daumen hoch: Jeff Bauman hat bei den Boston-Anschlägen beide Beine verloren, doch seine Lebensfreude ließ er sich nicht nehmen.

Daumen hoch: Jeff Bauman hat bei den Boston-Anschlägen beide Beine verloren, doch seine Lebensfreude ließ er sich nicht nehmen.

 Die Wucht der Explosion riss diesen Läufer zu Boden. Unter den Polizisten herrschte in den ersten Momenten Verwirrung. Fotos: Getty

Die Wucht der Explosion riss diesen Läufer zu Boden. Unter den Polizisten herrschte in den ersten Momenten Verwirrung. Fotos: Getty

Als Adrianne Haslet-Davis im Krankenhaus aufwachte, freute sie sich über Schmerzen im Fuß. "Gott sei Dank, er ist noch da", dachte sie - aber es war nur ein Phantomschmerz. Die junge Frau hat beim Bombenanschlag auf den Boston-Marathon ihren linken Fuß verloren - und ihr bisheriges Leben als professionelle Tänzerin. Doch Aufgeben gab es für sie nicht, genau so wenig wie für andere Opfer.

Drei Menschen wurden am 15. April 2013 durch die Bomben von zwei Islamisten getötet. Mehr als 264 Menschen wurden verletzt. Manchen wurde das Leben zwar nicht genommen, aber zerstört. So sah es auch für Haslet-Davis aus. Ihr Mann war gerade vom Einsatz in Afghanistan zurückgekehrt, jetzt hielt er schreiend ihren abgetrennten Fuß in der Hand. Im Krankenhaus war es ihre Mutter, die ihr beibrachte, dass sie ihren linken Fuß für immer verloren habe - und nie wieder tanzen werde.

Doch damit wollte sie sich nicht zufriedengeben. Bis zu 60 Stunden die Woche hatte sie zuvor getanzt, die Muskeln halfen ihr nach dem Anschlag. Und Hugh Herr, selbst ohne Beine und ein Experte für Prothesen. Er und sein Team entwarfen das erste künstliche Bein speziell zum Tanzen. Acht Monate dauerte es, dann tanzte Haslet-Davis wieder. Sie habe sich selbst nie aufgegeben, sagte sie CNN. "Deshalb nenne ich mich auch Überlebende des Anschlags. Nicht Opfer."

"Es geht jeden Tag ein bisschen besser", sagt auch Jeff Bauman. Der 28-Jährige verlor durch die Bomben beide Beine. Sein Bild ging um die Welt: Helfer, einer mit Cowboyhut, fahren den jungen Mann in einem Rollstuhl in Sicherheit, die Beine völlig zerfetzt. "Es hat mich nur noch stärker gemacht", sagt Bauman. "Stronger" heißt auch das Buch, das er geschrieben hat. Er beschreibt, wie ihm die Füße weggerissen wurden. Als er in der Klinik aufwachte, konnte er nicht sprechen. "Habe den Typen gesehen. Sah aus wie ich", kritzelte er auf ein Stück Papier. Die Beschreibung half, die Täter zu finden.

Amanda North half nach den Bomben einer schwer verletzten Frau. Als die Sanitäter kamen und auf sie zeigten, guckte sie an sich herunter. "Da klaffte ein Loch in meinem Oberschenkel", sagte sie der Website "fastcompany.com". Eigentlich hatte sie nur ihre Tochter beim Zieleinlauf sehen wollen, jetzt lag sie schwer verletzt und mit Verbrennungen dritten Grades auf einer Straße in Boston.

Einen neuen Anfang haben alle gefunden. Haslet-Davis will Tanzlehrerin werden. North gründete ei ne Firma, die Kunsthandwerker weltweit vermitteln will. Die wohl größte Freude empfinden Bauman und seine Freundin: Im Sommer erwarten sie ihr erstes Kind.

Heute um 14.29 Uhr Ortszeit hält Boston eine Schweigeminute für die Opfer des Bomben-Anschlags. Nächsten Montag findet der jährliche Marathon statt - mit einer Rekordzahl von 36 000 Teilnehmern.

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