Streit um Dubai an der Themse

London · London plant den Bau von mehr als 200 neuen Hochhäusern, vor allem aufgrund der steigenden Nachfrage von reichen Chinesen, Arabern und Russen. Bei vielen Stadtplanern schrillen bereits die Alarmglocken.

 So sieht die Skyline der britischen Hauptstadt heute aus. Foto: Hayds Davidson

So sieht die Skyline der britischen Hauptstadt heute aus. Foto: Hayds Davidson

Foto: Hayds Davidson

In manchen Souvenirläden der Londoner Innenstadt steht mittlerweile zwischen dem Big Ben aus Plastik und der typisch roten Telefonzelle als Spardose jeweils ein Minimodell der berühmtesten Megagebäude der Metropole. Zum Beispiel der "Shard" von Renzo Piano, mit 306 Metern der derzeit höchste Wolkenkratzer Westeuropas, oder das auffällige "Gherkin" von Norman Foster - die beiden Glastürme sind laut einer Umfrage die beliebtesten Wolkenkratzer Londons. Bei zukünftigen Erhebungen werden die Bürger eine weitaus größere Auswahl haben. Denn die englische Hauptstadt hat sich offenbar Dubai und Manhattan als Vorbilder auserkoren - die Skyline Londons befindet sich in einem gewaltigen Wandel.

Bereits heute leben mehr als 8,3 Millionen Menschen in der Stadt. Und es werden täglich mehr. Bis 2030, so Statistiken, könnten es gar zehn Millionen sein. Wo sollen die alle hin? Londons Bürgermeister Boris Johnson findet, der Bau in die Vertikale löst das Problem. Er versprach bereits im vergangenen Jahr: "Überall werden Hochhäuser wachsen." Doch die Entwürfe, die die neue Ausstellung "London's Growing Up" zur zukünftigen Skyline der Stadt enthüllt, lassen Stadtplaner und Architekten aufschrecken. 236 neue Gebäude mit mehr als 20 Stockwerken sind geplant oder befinden sich bereits im Bau, so ein Bericht der Architektur-Denkfabrik New London Architecture (NLA). "Die Londoner Skyline ist außer Kontrolle", schrieben daraufhin 80 Architekten, Stadtplaner, Künstler und Ingenieure in einem offenen Brief. Viele der Wolkenkratzer seien ungeheuer markant und ohne Rücksicht auf ihre unmittelbare Umgebung und das Aussehen der Skyline geplant. Deren gewöhnliche Entwürfe bedrohten den einzigartigen Charakter und die Identität Londons. Die Unterzeichner des Briefs bemängelten einen "schockierenden Mangel" an öffentlichem Bewusstsein oder Debatten.

Der Boom der Hochhäuser hat viele Gründe. Dienten Wolkenkratzer früher vor allem als Ort für Büros, sind bei den neuen Gebäuden rund 80 Prozent für Wohnungen gedacht. Denn die Grundstückspreise in der Metropole steigen Monat für Monat, Wohnraum wird zunehmend knapper, gleichzeitig kommen Makler kaum hinterher, die immense Nachfrage nach Luxusimmobilien zu bedienen. Insbesondere reiche Chinesen, Araber und Russen stecken ihre Millionen in Londoner Wohnbauten. Dementsprechend werden viele Immobilien auch nicht mehr auf dem Heimatmarkt vermarktet, sondern stehen nur ausländischen Investoren zur Verfügung. So werden die meisten Londoner niemals in einem der modernen Türme wohnen, weil es schlichtweg zu teuer ist.

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