Es klingelt der Kanzlerkandidat

Spiesen-Elversberg · Einen „halben Saarländer“ nennt ihn die Saar-SPD gerne. Denn Kanzler- kandidat Martin Schulz hat einen Großcousin in Spiesen-Elversberg. Dort klingelte es gestern.

„Hallo, Vincent!“ SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz besucht seinen Großcousin Vincent Schulz in Spiesen-Elversberg. Fotos: Becker&Bredel

„Hallo, Vincent!“ SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz besucht seinen Großcousin Vincent Schulz in Spiesen-Elversberg. Fotos: Becker&Bredel

Das Haus ist eher unscheinbar. Mintgrün, zweistöckig, auf dem Türschild steht "Familie Schulz". Hier, in der Herrenstraße 31 in Spiesen-Elversberg, wohnt der Großcousin von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Großcousin, das ist der Enkel des Bruders vom Vater. Oder, ganz einfach: Die sind miteinander verwandt. Der Vater von Martin Schulz wurde in diesem Haus geboren und wuchs hier auf. Und heute will der Kanzlerkandidat, der gerade auf Wahlkampftour im Saarland ist, mal vorbei schauen. Und weil er noch nicht da ist, klingeln wir schon mal.

"Och, du liebe Zeit, was ne Aufregung", sagt Renate Schulz. "De Martin hat vorhin schon angerufen und gefragt, ob ich aufgeregt bin. Ja, habe ich gesagt. Aber er hat gemeint: Du musst nicht aufgeregt sein, es bin ja nur ich, der kommt." Und dann nimmt die 64-Jährige einen beiseite und fügt lachend hinzu: "Dabei habe ich ihn erst weggedrückt." Sie habe doch erst seit 14 Tagen ein neues Smartphone und kenne die Tasten noch nicht so. Zwei mal habe sie auf dem Display gesehen: Martin Schulz ruft an. Zweimal habe sie ihn versehentlich weggedrückt. "Ach, du liebe Zeit", sagt Renate Schulz. Beim dritten Mal hätten sie dann miteinander geredet.

Als Schulz (Martin) noch EU-Parlamentspräsident war, hatte er über die SPD nach seinen Verwandten im Saarland suchen lassen. Als die Partei fündig geworden war, kam Schulz wenig später - im September 2013 - das erste Mal in Spiesen-Elversberg vorbei. Seither hätten sie regelmäßig telefonischen Kontakt, berichtet der 69-jährige Vincent Schulz. Öfter angesprochen auf seine prominente Verwandschaft werde er im Ort aber erst, seit Martin Schulz Kanzlerkandidat ist. "Die fragen mich sogar: Kann man den wählen? Ei, sage ich, das musst du doch selbst wissen."

Dabei wissen längst nicht alle im Ort, dass Martin Schulz "saarländische Wurzeln" hat, wie die Saar-SPD nicht müde wird zu erwähnen. "Och joh? Guck' mol do", sagt etwa die Inhaberin von "Schreibwaren Neininger" an der Hauptstraße überrascht. "Das ist ja schön." Da ihr Geschäft auch Bücher führt und Martin Schulz lange Buchhändler war: Was würde sie ihm empfehlen, wenn er heute nicht nur bei Vincent und Renate, sondern auch bei ihr hereinschneien würde? "Ganz klar: Den neuen Brabänder ,Mitgift', ein Muss für alle Spiesen-Elversberger", sagt Petra Knecht-Neininger.

In der Herrenstraße hat Renate Schulz inzwischen den selbst gebackenen Marmorkuchen auf den Tisch gestellt. Kurz darauf, es ist 15.30 Uhr, klingelt der Kanzlerkandidat. Zusammen mit der saarländischen SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger sitzen sie rund anderthalb Stunden zusammen, blättern alte Fotoalben durch und tauschen Erinnerungen, wie Renate Schulz später berichtet. Anderthalb Stunden, in denen die schwarzen Limousinen von Kanzlerkandidat und Spitzenkandidatin in der Herrenstraße mehrfach rangieren müssen, weil sie vor der Garageneinfahrt des Nachbarn stehen, der erst von der Arbeit kommt - und eine halbe Stunde dann wieder los will.

Als Schulz wieder vor der Tür erscheint, schwärmt er von dem Blick auf den Wald, den man aus dem Wohnzimmerfenstern habe. Ein Blick, von dem schon seit Vater begeistert erzählt habe. Er könne sich zudem noch daran erinnern, dass das Haus früher einstöckig gewesen sei. Geboren wurde Martin Schulz zwar in Hehlrath im Landkreis Aachen, aber als Junge sei er Anfang der 70er Jahre einmal in Elversberg gewesen, weil sein Vater ihn mit dem neuen Auto mit zur "Kerb" dort nahm. Erzählt hat er das bei seinem Besuch 2013. Heute weiß er dagegen noch etwas anderes zu berichten: Nämlich, dass er "noch viele Verwandte im Saarland" habe. "In Bous, in Sulzbach, in Fischbach-Camp hausen", zählt Schulz die Ortsnamen auf. Denn sein Vater habe viele Brüder gehabt. "Mein Herz schlägt halb saarländisch", sagt er. Und: "Ich esse auch Lyoner, wenn's sein muss." Das Wichtigste, was er von seinem Vater gelernt habe, sei aber "nie aufzugeben".

Türschild der Familie Schulz in der Herrenstraße in Spiesen-Elversberg.

Türschild der Familie Schulz in der Herrenstraße in Spiesen-Elversberg.

Dann taucht neben Schulz plötzlich eine Nachbarsfrau auf, die resolut Aufmerksamkeit einfordert. "Ich wollte Ihnen schon immer mal die Hand schütteln", sagt sie - und schüttelt, strahlend.

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