So bleiben das Lachen und die Freude am Leben

Schiffweiler · Mit 92 Jahren ist Mathilde Neurohr aus Schiffweiler ein gutes Beispiel für Aktivität und Lebensfreude bis ins hohe Alter. Viele Jahre war sie nicht nur Dozentin bei der Volkshochschule, sondern auch die gute Seele.

 Eine lustige Truppe, die viel Spaß zusammen hat, ist die Line-Dance-Gruppe der VHS Schiffweiler. Mathilde Neurohr (links, winkend) hat hier schon viele schöne Stunden erlebt. Foto:

Eine lustige Truppe, die viel Spaß zusammen hat, ist die Line-Dance-Gruppe der VHS Schiffweiler. Mathilde Neurohr (links, winkend) hat hier schon viele schöne Stunden erlebt. Foto:

Foto: Sabine Jochum

Gibt es ein Erfolgsrezept, im hohen Alter noch körperlich fit und geistig rege zu sein? Keine schlechte Lebenseinstellung ist es wohl, sich für etwas zu begeistern, das Freude und Kontakt mit anderen Menschen bringt. So wie der Sport oder das Tanzen. Beides gehört seit frühester Jugend zum Leben von Mathilde Neurohr aus Schiffweiler , die mit ihren 92 Jahren noch aktives Mitglied in der Line-Dance-Gruppe der VHS Schiffweiler ist.

Doch es wäre schade, sich auf die vergangenen beiden Jahre im Leben von Mathilde Neurohr zu beschränken, seitdem sie sich den Line-Dancern angeschlossen hat. So viel hat die schlanke, humorvolle Frau mit dem hellwachen Geist zu erzählen. Die ersten Tanzversuche hat sie übrigens als Kind mit ihrer Mama gemacht. "Das Tanzen war in mir, das habe ich von meiner Mutter." Sie sei die erste gewesen, die sich ein Radio angeschafft habe und zu Walzerklängen mit den Kindern in der Küche tanzte. Aber bevor Mathilde Paul, wie sie bis zu ihrer Heirat mit Willi Neurohr hieß, zum Tanzen kam, wurde sie an ihrem Ausbildungsplatz im Rathaus Schiffweiler für den Betriebssport "entdeckt". Der Kreissportwart hatte wohl ihr Talent erkannt und die damals 18-Jährige zu einer Schulung geschickt, die sie mit Bravour meisterte. Es folgte ein Ausleselehrgang in Prag, und schließlich wurde Mathilde sogar zum Studium in Straßburg zugelassen, wo sie ihr Examen im Fach Leibesübung absolvierte. Doch es gab keine Chance, ihr Talent zum Beruf zu machen, durch den Krieg war alles Makulatur. Die junge Frau half ihren Eltern in der Landwirtschaft und erlebte eine schwere Zeit. Der geliebte Bruder starb an Gelbfieber , an Sport oder gar Tanzen war nicht zu denken. "Ich hab' gemeint, ich hätte das Lachen verlernt", sagt Mathilde Neurohr und wischt sich die Tränen aus den Augen. Neuen Lebensmut fand die junge Frau damals, als sie mit "dem Schiffwilla Bub" Willi Neurohr einen Mann traf, der wie sie sportbegeistert war und gerne tanzte. Mit ein paar Gleichgesinnten, die sie auf dem Fußballplatz kennenlernten, gründeten sie einen Handballclub mit Herren- und Damenteam. "Wir hatten jeden Sonntag ein Spiel und gingen öfter zusammen tanzen."

Das Ehepaar zog nach Fischbach-Camphausen, weil Willi auf der Grube als Elektrosteiger arbeitete, die Familie vergrößerte sich um zwei Mädchen. Ein glücklicher Zufall führte Mathilde Neurohr wieder zum Sport. Eine Bekannte nahm sie zur Gymnastikstunde mit, die von der Dudweiler Volkshochschule angeboten wurde. Damals dachte sie: "Ich komme so glücklich heim und habe Kraft getankt für die ganze Woche." Diese Glückmomente wollte sie auch anderen schenken und kämpfte gegen einige Widerstände dafür, in der Grubenhalle in Camphausen ein Kinder-Turnen zu organisieren. Als der Kursbeginn festgelegt wurde, stutzte Mathilde Neurohr einen Moment, sie zögerte jedoch nicht: Es war der 6. Oktober 1964, ihr 40. Geburtstag. "Also hab' ich an meinem 40. Geburtstag meine erste Übungsstunde gehalten. Feiern konnten wir auch noch am Wochenende."

Es sprach sich schnell herum, wie mitreißend die neue Übungsleiterin ihre Stunden gestaltete, die übrigens immer mit einem kleinen Tänzchen endeten. Fortan und in den nächsten über vier Jahrzehnten war sie als Übungsleiterin für etliche Volkshochschulen im Saarland tätig, auch als die Familie wieder nach Schiffweiler zog, wo sie natürlich auch bei der dortigen VHS als Dozentin tätig war. Sie leitete dort die Gruppe "Gesellschaftstanz in geselliger Form". Sie sei nicht nur eine hervorragende Übungsleiterin gewesen, berichtet VHS-Leiterin Sabine Jochum, sondern auch die gute Seele, die neben dem Tanzen viele gemeinsame Unternehmungen organisierte.

Vor zwei Jahren starb Ehemann Willi Neurohr, Mathilde fühlte sich leer und einsam. Da las sie, dass es in Stennweiler eine Line-Dance-Gruppe von der VHS Schiffweiler gebe. Da sie diesen Tanz bereits kannte und schätzte, besuchte sie eine Stunde. "Ich habe gespürt, hier tut sich wieder ein Türchen auf", sagt Mathilde mit einem Lächeln. Sie habe heute überhaupt keinen Ehrgeiz mehr, aber Line Dance und die schöne Gesellschaft machen sehr viel Spaß, erzählt die 92-Jährige. Einen Wermutstropfen gibt es, denn seit ein paar Monaten zwickt der Rücken. Sie gehe zwar zu den Übungsstunden, könne aber kaum mehr mitmachen. Ihre Line-Dance-Freunde drücken Mathilde Neurohr fest die Daumen, dass sie auch mit 93 noch mittanzen kann.

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