Großrazzia gegen Menschenhändler-Bande im Saarland

Schiffweiler · Fünf Haftbefehle vollstreckt – Hintergrund: Illegale Beschäftigung am Bau und Sozialleistungsbetrug



Seit drei Jahren sind die Ermittler des Landespolizeipräsidiums, die sich schwerpunktmäßig mit Menschenhandel beschäftigen, auf der Spur eines 51 Jahre alten Deutsch-Türken aus Schiffweiler. Am Donnerstag schlugen sie im Rahmen einer Großrazzia gegen den angeblichen Unternehmer Ü., dessen Ehefrau Gesellschafterin einer Baufirma ist, zu. 140 Beamte waren im Saarland im Einsatz, durchsuchten an 21 Adressen, unter anderem in Illingen, Schiffweiler, Saarbrücken, Völklingen und im Quierschieder Ortsteil Göttelborn sowie bei bekannten Firmen aus der Baubranche. Fast zeitgleich traten Fahnder an insgesamt neun Objekten, meist Baustellen und Firmen, in Rheinland-Pfalz, Baden Württemberg und Nordrhein-Westfalen auf. Insgesamt fünf Haftbefehle wurden vollstreckt. Drei im Saarland, zwei in Baden Württemberg.

Der 51-Jährige Ü. ist für die Polizei und die Schwarzarbeitsfahnder vom Hauptzollamt kein Unbekannter. Er ist einschlägig vorbestraft. Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts verurteilte ihn 2006 im Zusammenhang mit illegaler Beschäftigung und Sozialabgabenbetrug zu einer Haftstrafe von drei Jahren. Er hatte damals angeblich auch Schwarzarbeiter beim Bau des Wirtschaftsministeriums eingesetzt und die Männer ausgebeutet.
Die Ermittlungen laufen wegen "gewerbs- und bandenmäßigen Menschenhandels zur Ausbeutung der Arbeitskraft" und wegen gewerbs- und bandenmäßig begangenen Betrugs. Zu der kriminellen Bande zählen die Fahnder nach SZ-Informationen neben Ü. dessen 35 Jahre alte Ehefrau, einen 36 Jahre alten Rumänen mit Adresse in Neunkirchen-Wellesweiler, einen 46-jährigen Deutsch-Türken aus Saarbrücken sowie eine 60-jährige Frau aus Schiffweiler. Gegen diese fünf Personen wurden Haftbefehle vollstreckt. Sie sollen im Verlauf des Donnerstags dem Haftrichter vorgeführt werden.

Die Ermittler gehen davon aus, dass Geschäftsmann Ü., der angeblich privat Pleite sein soll, faktischer Geschäftsführer von zwei Firmen aus der Bau- und Stahlbranche war. Er soll mit Helfern und Komplizen in Rumänien und Bulgarien Arbeiter mit falschen Versprechungen angeworben haben und diese ins Saarland gebracht haben. In diesem Zusammenhang ist auch von Scheinselbstständigkeit die Rede. Auf seinen Baustellen, unter anderem beim Bau eines Einkaufsmarktes in Oberthal, wurden demnach die Arbeiter systematisch ausgebeutet. Sie sollen deutlich weniger als den Mindestlohn erhalten haben. Gegenüber dem Jobcenter hat der mutmaßliche Bandenchef dann offenbar erklärt, die Arbeitskräfte seien nur geringfügig beschäftigt, um sich die Auszahlung entsprechender Sozialleistungen zu sichern. Zu allen Behördengängen, zum Jobcenter und zu Bankterminen wurden die Arbeiter dann auch von ihrem Boss oder dessen Helfern, dazu zählte auch eine 60-jährige Nachbarin aus Schiffweiler, begleitet worden sein.

Nach Angaben von Polizeisprecher Georg Himbert, der auch die Vollstreckung der fünf Haftbefehle gegenüber der Saarbrücker Zeitung bestätigte, soll der 51-Jährige aus Schiffweiler auch Familienangehörige der Arbeiter ins Saarland geholt haben. Sozialleistungen für diese soll er selbst vereinnahmt haben. Nach Schilderungen von Polizisten wurden die Bulgaren und Rumänen, die ihre Rechte nicht kannten und der deutschen Sprache kaum mächtig waren, menschenunwürdig in so genannten Schrottimmobilien des Mannes aus Schiffweiler untergebracht worden sein. Teilweise habe die Heizung nicht funktioniert und es habe soll auch kein fließendes Wasser gegeben.

Ausführlicher Bericht in der Freitagausgabe der Saarbrücker Zeitung.

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