Luft kann richtig viel Spaß machen

Ottweiler · Die erste deutsch-arabische Lesung bei Spielstark fand vor elf Interessierten statt, hatte aber ein ganz besonderes Ambiente zu bieten. Gerrit Bernstein und Mwoloud Daoud fesselten ihr Publikum ein ums andere Mal.

 In Weiß und Hellblau: Maria Schneider und Hauke Grewe (Hintergrund) vom Piccolo-Theater in Cottbus spielen mit den Kindern im zweiten Teil der Aufführung. Foto: Anika Meyer

In Weiß und Hellblau: Maria Schneider und Hauke Grewe (Hintergrund) vom Piccolo-Theater in Cottbus spielen mit den Kindern im zweiten Teil der Aufführung. Foto: Anika Meyer

Foto: Anika Meyer

Das ist sicher einer der schönsten Aspekte am Kindsein, dass man sich von hübschen, bunten Gegenständen wunderbar verzaubern lassen kann - und dass man ganz und gar hin und weg ist, wenn diese auch noch durch die Luft schweben können. So jedenfalls ging es den Kindern von der städtischen und der evangelischen Kindertagesstätte Ottweiler gestern Morgen im Schlosstheater. Im Rahmen des Kinder- und Jugendtheaterfestivals Spielstark (veranstaltet von der Stadt Ottweiler und dem Saarbrücker Theater Überzwerg ) zeigten Maria Schneider und Hauke Grewe vom Cottbuser Piccolo-Theater das Stück "Wind , Wind ".

Vor einer großen Leinwand mit blauem Himmel und weißen Wolken gingen die Darsteller - in ebensolches Himmelblau und weiß gekleidet - auf Entdeckungsreise, was man mit Luft alles so anstellen kann. Dabei kamen Ballons, Federn, Bänder, Windräder und mehr zum Einsatz, alles in Kunterbunt. Besonders vergnügt quietschten die kleinen Zuschauer etwa, als Schneider und Grewe sich gegenseitig hauchdünne Tücher zupusteten oder kleine Fallschirme zu Boden fallen ließen. Aber mit Luft kann man natürlich nicht nur optische Effekte erzielen, sondern auch akustische. So führte Grewe unter anderem vor, wie man verschiedenen Glasflaschen tiefere und höhere Töne entlockt, Schneider absolvierte das Ganze mit Gießkannen. Worte kamen dabei nicht über die Lippen der beiden - stumm tänzelten sie in ihrer Luft-Entdecker-Welt umher, probierten, schauten und staunten. Etwas Verträumtes, Poetisches hatte das und die Kinder ließen sich fesseln, blieben erstaunlich still und nahmen das Theater sehr ernst.

Noch waren kleine Zusatzdarsteller eigentlich nicht eingeplant, einige Zeit später schon: Demonstrativ wickelten Schneider und Grewe ein dickes Seil auf, das an der Vorderseite der Bühne gelegen hatte und luden die Kinder zu sich ein. Nun durften die Kleinen all das mitmachen, was sie zuvor beobachtet hatten: Alle ließen auf einem Schwungtuch Luftballons tanzen. Wer hätte das gedacht, dass Luft so viel Spaß machen kann! . Es ist nicht ganz fair, wenn man an einem Samstagnachmittag im September mit Mittelaltermarkt und prächtigem Spätsommerwetter konkurrieren muss. Verloren hat Spielstark - für die elf Besucher der Premiere aber war sie trotzdem ein reiner Gewinn, diese erste deutsch-arabische Lesung. "Ich bin ein Erzähler aus Deutschland, gehe von Stadt zu Stadt und erzähle Geschichten. Und wer bist du?" Mit Lederklamotten, Krempenhut und Wanderstab auch optisch deutlich als Reisender erkenntlich, betrat Gerrit Bernstein die Szene. Vor den im Halbkreis sitzenden Zuhörern traf er auf Mwoloud Daoud. Der ist Schauspieler wie Bernstein, stammt aus Syrien und war dort ein bekannter Theatermann. Nach der Flucht aus seinem Heimatland kam er ins Saarland, wo er seit 18 Monaten lebt. Für die Lesung hatte er ein langes Gewand angezogen. "Ich bin ein Erzähler aus Arabien. Das ist weit weg von hier", antwortete Daoud. Die Männer kamen überein, gemeinsam das Märchen von Ali Baba und den 40 Räubern zu erzählen.

Und schon tauchten sie ein in die Welt aus 1001 Nacht: Bernstein las ein Stück vor, dann folgte die arabische Version, die oft deutlich kürzer als die deutsche ausfiel, dafür aber von Daoud mit umso stärkerem Minenspiel und vielen ausladenden Gesten begleitet wurde.

Das Märchen erwies sich als drastischer, als es viele in Erinnerung hatten. So wird dem gierigen Bruder Ali Babas, Kasim, kurzerhand vom Räuberhauptmann der Kopf abgeschlagen. Dem standen etliche komische Momente gegenüber. Etwa, als Kasim in der Räuberhöhle Versionen des vergessenen Zauberspruchs ausprobiert wie "Kichererbse öffne dich" oder "Gurke mach die Tür auf" oder Daoud plötzlich die typische, leicht hysterische Totenklage der arabischen Frauen imitiert.

Im Anschluss blieb noch etwas Zeit für eine modernere Geschichte aus Syrien: "Tanzen mit den Sternen". Darin ging es um die Träume des kleinen Mädchens Noor, ihre untreue Freundin Nasrin und einen Stern, der sich die Haare lang wachsen lässt, damit die Kinder daran hoch in den Himmel klettern und ihm für seinen Tanz applaudieren können. Viel Applaus und ein herzliches Dankeschön waren auch der Lohn für das Duo. "Ich habe es ganz toll gefunden", schwärmte Klaus Gerhard, der sich kaum eine Spielstark-Aufführung entgehen lässt. "Dadurch, dass erst Deutsch vorgetragen wurde, konnte man sich anschließen ganz auf die melodiöse Sprache und die Mimik konzentrieren." Aufgefallen war Gerhard, dass Arabisch im Fernsehen oft viel abgehackter und härter klingt als es hier der Fall war.

Mit einem Lächeln im Gesicht und dem Vorsatz, nicht gleich wieder zu vergessen, dass "Sesam öffne dich" mit "Öfte ja sim sim" übersetzt wird, verabschiedeten sich die reich beschenkten Zuschauer. Noch einmal wird es diese Lesung übrigens am Donnerstag geben. Dafür sind bereits 80 Schüler angemeldet.

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