Sprechen mit Händen und Füßen

Ottweiler · Elf afghanische Flüchtlinge arbeiten seit Wochenbeginn auf dem Ottweiler Bauhof. Beschäftigt werden sie vom Landkreis Neunkirchen, der in Schiffweiler bereits ein ähnliches Projekt initiiert hat.

 Orientierungshilfe im fremden Land: Afghanische Flüchtlinge im Schilderwald auf dem Ottweiler Bauhof. Foto: Andreas Engel

Orientierungshilfe im fremden Land: Afghanische Flüchtlinge im Schilderwald auf dem Ottweiler Bauhof. Foto: Andreas Engel

Foto: Andreas Engel
 Sprachkurse helfen Flüchtlingen bei der Integration. Foto: Hof

Sprachkurse helfen Flüchtlingen bei der Integration. Foto: Hof

Foto: Hof

"Ich lerne hier, wie die Deutschen arbeiten, und freue mich, nicht mehr nutzlos Zuhause herumzusitzen", sagt Aminallah Qayoumi aus Afghanistan. Qayoumi ist einer von insgesamt elf Flüchtlingen, die seit Montag durch den Landkreis Neunkirchen auf dem Bauhof Ottweiler beschäftigt sind. Nachdem bereits im Dezember vergangenen Jahres drei Flüchtlinge auf dem Bauhof der Gemeinde Schiffweiler zu arbeiten begannen, initiiert der Kreis damit das zweite Bauhof-Projekt für Flüchtlinge . Bürgermeister Holger Schäfer sowie Vertreter des Landkreises stellten die Rahmenbedingungen Pressevertretern gestern vor Ort vor.

"Die Flüchtlinge arbeiten maximal 20 Stunden pro Woche auf dem Bauhof und erhalten eine Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro pro Stunde", erklärt Michael Trapp, stellvertretender Geschäftsführer von "Arbeit, Qualifizierung, Ausbildung" (AQA). Die 1995 vom Kreis Neunkirchen gegründete Gesellschaft zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen führt das Bauhof-Projekt durch und versorgt die Flüchtlinge mit Arbeitskleidung sowie Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel.

Dienstags und donnerstags arbeiten die jungen Männer von 8 bis 15 Uhr auf dem Bauhof, montags und freitags besuchen sie einen Deutschkurs im Rathaus Ottweiler . Anders als bei dem Bauhof-Projekt der Gemeinden Merchweiler und Spiesen-Elversberg, das im Januar begonnen hatte (wir berichteten), ist der Sprachkurs in Ottweiler aber nicht Bestandteil des Projekts.

Der 19-jährige Qayoumi wohnt erst seit einem Monat in Ottweiler , zuvor war er drei Monate in der Landesaufnahmestelle in Lebach untergebracht. Ihm gefällt die Arbeit, die neben der Friedhofspflege auch die Einrichtung von Wohnungen für Flüchtlinge beinhaltet. Damit ist sie zwar weit entfernt von Qayoumis Literaturstudium , dem er in seiner Heimatstadt Samangan nachging, aber sie gibt ihm wieder einen geregelten Tagesablauf. Wie die anderen zehn Flüchtlinge wartet der junge Afghane derzeit auf seine Anerkennung.

"Die Arbeit ist nicht nur eine Beschäftigungsmaßnahme, sondern dient vor allem der Integration", erklärt Landrat Sören Meng auf SZ-Anfrage. Der Kreis habe seit dem vergangenen Jahr insgesamt 1887 Asylbewerber aufgenommen, denen man Orientierung und Hilfestellungen für das Leben in Deutschland geben müsse - genau das seien die Projekt-Ziele."Damit wollen wir auch Akzeptanz in der Öffentlichkeit schaffen", sagt Bürgermeister Schäfer - also der Meinung entgegenwirken, Flüchtlinge würden nur Leistungen in Anspruch nehmen.

Dass derzeit nur afghanische Flüchtlinge auf dem Bauhof arbeiten, hänge damit zusammen, dass dem Kreis bekannt war, "dass in Ottweiler eine Gruppe von männlichen Afghanen gerne Arbeit aufnehmen würde", hieß es. Grundsätzlich stehe das Angebot aber auch anderen Flüchtlingen offen.

Conrad Reinshagen, Leiter des Ottweiler Bauhofs, ist mit den jungen Männern sehr zufrieden: "Sie sind alle engagiert dabei und kommen auch bei den Mitarbeitern gut an." Die Verständigung laufe meist auf Englisch und zur Not stünden immer noch Hände und Füße zur Verfügung, sagt Reinshagen lachend.

"Das Projekt hat auch einen positiven Nebeneffekt für die Bauhof-Mitarbeiter", bemerkt Bürgermeister Schäfer. Denn bedingt durch die hohe Anzahl an Flüchtlingen während der letzten zwei Jahre hätten viele Mitarbeiter Überstunden angesammelt. Die elf Flüchtlinge würden diese nun entlasten. "Die Stadt Ottweiler hat sich in zunehmendem Maße der Verantwortung und den Pflichten gestellt, die mit dem Zuzug der Flüchtlinge seit Ende 2013 auf sie zugekommen sind", erklärt Bürgermeister Holger Schäfer in einer aktuellen Pressemitteilung. Von Beginn an habe die Stadt auf die Mitarbeit einer ständig wachsenden Zahl von ehrenamtlichen Helfern zählen können, ohne die diese Herausforderung nicht zu stemmen wäre. "Dafür ein herzliches Dankeschön!", schreibt Schäfer. Zusätzliche Helfer suche man jedoch weiterhin.

Von den zugewiesenen 238 Flüchtlingen leben in Ottweiler und den Außengemeinden derzeit 194 Personen, davon 63 Kinder. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Syrien, viele aus Afghanistan und ein kleiner Teil aus dem Iran. Das wichtigste Anliegen sei es, die Kinder umgehend in Schulen und Kindergärten unterzubringen, damit diese möglichst schnell die deutsche Sprache erlernen, heißt es weiter.

Für die Erwachsenen gibt es in Ottweiler zurzeit fünf Sprachkurse : einen bei der Stadtmission mit Kinderbetreuung, einen im Rathaus Ottweiler und einen in Mainzweiler. Alle werden von ehrenamtlichen Helfern geleitet. Zwei weitere Kurse würden über das Bundesamt für Arbeit finanziert werden. Letztere liefen allerdings im März aus, eine Fortsetzung werde es nicht geben.

Da die Nachfrage nach Deutschkursen weiter steigt, sucht die Stadt ehrenamtliche Kräfte, die Deutsch unterrichten möchten. Auch in den Schulen besteht für die Flüchtlingskinder Bedarf an Sprachmittlern, da die bereits angebotenen Unterrichtseinheiten den steigenden Bedarf nicht decken können. Das Sportangebot der Ottweiler Vereine, vor allem im Bereich Fußball und Basketball, wird inzwischen gut angenommen. Großes Interesse sei zwar da, aber die jungen Leute wüssten oft nicht, wen genau sie wegen der Teilnahme am Training ansprechen sollten, teilt Bürgermeister Holger Schäfer mit. Hier sei also ebenfalls weitere Unterstützung hilfreich.

Für Flüchtlingsfrauen bietet die Internationale Kochgruppe die Möglichkeit, andere Frauen aus Ottweiler zu treffen, um gemeinsam zu kochen. Auch dieses Angebot werde inzwischen gut angenommen. Ebenfalls für Frauen bietet Hildegard Marwan im Geschenke- und Bastelshop der Lebenshilfe (Wilhelm-Heinrich-Straße 35) Stricken und Nähen an, bei dem der Kontaktaustausch im Vordergrund steht.

Wer sich ehrenamtlich engagieren oder Sachspenden abgeben möchte kann sich bei der Stadtverwaltung Ottweiler unter Telefon (0 68 24) 30 08 13 melden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort