Fünf Schritte zum inneren Frieden

Neunkirchen · Knapp 90 Zuhörer erlebten am KBBZ den Unternehmer und Autor Walter Kohl. Offen und authentisch zeigte er, wie man aus einer Lebenskrise – seine war bedingt durch den Spendenskandal der CDU und den Freitod der Mutter – heraus und Wege zur Versöhnung findet.

 Vor seinem Auftritt unterhielt sich Walter Kohl mit Schülern des Kaufmännischen Berufsbildungszentrums (KBBZ) Neunkirchen.

Vor seinem Auftritt unterhielt sich Walter Kohl mit Schülern des Kaufmännischen Berufsbildungszentrums (KBBZ) Neunkirchen.

Foto: Jörg Jacobi

"Berufliche Bildung ist für uns mehr als die reine Aneignung von Wissen", zitierte Lisa Karaku, Stellvertreterin von Schulleiter Heiko Staub, nach ihrem "Herzlich willkommen in der (Bildungs)Anstalt" diesen in Abwesenheit: "Persönlichkeit sowie die Entwicklung von Talenten spielen eine ebenso große Rolle." Diese auszubilden, trägt Bildung prozesshaft bei. Insofern macht es unbedingt Sinn, zum "1. Tag der Beruflichen Bildung" Walter Kohl einzuladen mit einem Vortrag, der so gar nichts mit beruflicher Bildung zu tun hat.

Dass von den 1100 Schülern nur wenige die Chance nutzten, etwas über "Leben oder gelebt werden" zu erfahren, ist schade, aber letztlich wohl eine Frage des Alters und der Prioritäten. Umso mehr genossen die älteren Semester, darunter viele der 69 Lehrkräfte, diesen Austausch mit dem Sohn des Ex-Bundeskanzlers. Erstaunlich offen erzählte Kohl über den Selbstmord seiner Mutter ("in meinem Jugendzimmer, in meinem Bett"), der zusammen mit der Spendenaffäre der CDU und dem Aus seiner Ehe in eine abgrundtiefe, 18 Monate dauernde Lebenskrise führte, in der er auch versuchte, sich mit dem Motorrad das Leben zu nehmen.

Das erste Mal überraschte Kohl am Mittwochabend mit seinem Plädoyer fürs Internet: "Heute gibt es keine Entschuldigung mehr, etwas nicht zu wissen." Wer Fragen hat, findet im World Wide Web Antworten zuhauf, darunter die von Logopädie-Erfinder Victor Frankl, von dem Kohl viel hält. Die wichtigsten Antworten gibt man sich jedoch selbst. "Was heißt Glück für mich jetzt, Ende 2016?" war eine Frage, die der in der Automobilbranche arbeitende Unternehmer den Zuhörern für daheim als "Hausaufgabe" empfahl. Diese "Ölbohrung in die Seele" bringe letztlich die eigene Sehnsucht zum Vorschein. Ihm selbst sind unter anderem gewachsene Beziehungen wichtig, offenzubleiben für neue Erfahrungen oder, was ihn zum Bücherschreiben und Coachen motiviert, etwas für den Frieden zu tun.

Von Anfang an interagierte Kohl, ging im Saal herum, sprach gezielt Leute an und fragte ihnen philosophische Löcher in den Bauch. Das tut unter Umständen weh, schließlich hat nicht jeder aus dem Stehgreif eine druckreife Definition von Gerechtigkeit parat.

Mit Fotos visualisierte Kohl seine dem Schicksal abgerungenen Erkenntnisse. Der Kreisverkehr beispielsweise steht für persönliche Sackgassen und die Frage: "Bist du am Lenkrad deines Lebens oder auf dem Beifahrersitz?" Dass unser gegenwärtiges Lebensgefühl sowohl von unserer Vergangenheit als auch von den Erwartungen an die Zukunft mitbestimmt wird, symbolisiert eine Skulptur namens Felix: drei Köpfe in einem, die in verschiedene Richtungen blicken. Während Felix durch die Reihen von Hand zu Hand - "huch ist der schwer" - wanderte, formulierte Kohl schließlich die "Fünf Schritte zum inneren Frieden", mithilfe derer man "den Komfort des Opferlandes" verlassen kann. Spätestens hier wurde es etwas schwammig. Nicht jeder kann etwas mit "Energiewandel" anfangen. Um alles erschöpfend zu erklären, fehlte letztlich die Zeit. Alles in allem ein höchst anregender Abend, der dank Schulpfarrer Udo Nilius zustande gekommen war und dem man mehr als die knapp 90 Besucher gewünscht hätte.

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