Einfach nicht zu bremsen

Neunkirchen · Eigentlich könnte er sich zurücklehnen und seinen Ruhestand genießen. Stattdessen unternimmt der Wiener Günter Schnarr immer wieder waghalsige Abenteuer auf zwei Rädern. Jetzt ist er zufällig in Neunkirchen gelandet.

 Ganz schön schwer: Günter Schnarr bepackt sein Stahlross. Von der Hitze lässt er sich nicht beirren. Foto: Thomas Seeber

Ganz schön schwer: Günter Schnarr bepackt sein Stahlross. Von der Hitze lässt er sich nicht beirren. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

Er suchte das "Unerhoffte" und fand es auch: ein gerissener Fahrradschlauch führte den 74-jährigen Günter Schnarr am vergangenen Mittwoch nach Neunkirchen . "Das war so nicht geplant", sagt der pfiffige Österreicher, der vor drei Wochen in Wien auf sein vollbepacktes Rad gestiegen war und über Umwege auf dem Campingplatz des Prießnitz-Kneipp-Vereins landete. Vereinsleiter Reinhard Feltes hatte auf seinem Platz erst vor kurzem eine Begegnung mit "Exoten wie Günter". Der ungewöhnliche Ausflug einer 95-jährigen Belgierin mit ihrer 70-jährigen Tochter in einem Wohnmobil hatte ihn zum Schmunzeln gebracht. "Aber was dieser Mann hier macht, ist schon der Wahnsinn", sagt Feltes.

Mindestens 800 Kilometer hat Schnarr seit Fahrtbeginn bei sengender Hitze zurückgelegt. Die nächste Etappe sei Trier, das Ziel seiner beschwerlichen Radtour: Freunde in Wales. Eigentlich wollte Schnarr über Zweibrücken fahren, doch den Weg fand er nicht auf Anhieb. Kein Wunder: Er hat weder eine feste Route noch ein Handy in der Tasche. Seine Landkarte müsse reichen. "Ein Telefon mit Internet? Ich tue mich ja schon schwer mit einem normalen Handy", sagt Schnarr und schüttelt den Kopf. Ungewöhnlich findet der sportliche Rentner seine Ausflüge ins Ungewisse nicht. Er sei schließlich schon mit dem Rad von Wien nach Rostock gefahren. Bestens ausgestattet ist er allemal: ein Zelt, mehrere Decken, Werkzeug, ein Ersatzschlauch und Wasser dürfen auf seinen Reisen nicht fehlen. Insgesamt sind es 41 Kilogramm Gepäck, die er stets mit viel Geduld 45 Minuten lang auf seinen Drahtesel hievt.

Wie er bei solch einer Last und Temperaturen um die 40 Grad das Gleichgewicht hält, ist wohl jedem Hobbyradler ein Rätsel. Ganz ungefährlich ist die Reise nicht. Er sei auch schon im Straßengraben und anschließend im Krankenhaus gelandet. "Ja, aber was soll ich sonst machen?", fragt Schnarr, als sei die ungewöhnliche Radtour das einzige Freizeitangebot für Ruheständler . Es gehe ihm um die Natur, um die Menschen, die er auf seinen Fahrten kennenlerne. Zwar sei er auch schon mit Freunden unterwegs gewesen, meistens breche er aber alleine auf. "Wenn man zu zweit unterwegs ist, dann ist es schwer, sich auf einen Weg zu einigen", sagt Schnarr, der sich am liebsten treiben lässt. Er sei ein "Ich-Mensch" und die Ferne seine Heimat.

In seinem ehemaligen Beruf als Koch habe er mal in Berlin, mal auf den britischen Kanalinseln Speisen serviert. Mit dem Fahrrad sei er auch schon in Neuseeland und in Afrika unterwegs gewesen. Seine erste längere Tour unternahm er 1996 in seiner Heimat Österreich. Seitdem ist Schnarr - im wahrsten Sinne des Wortes - nicht zu bremsen. Gestern Mittag brach er sein Zelt wieder ab, um sein Ziel im Vereinigten Königreich rechtzeitig Mitte August zu erreichen. Dass ihn ein platter Reifen nach Neunkirchen verschlagen würde, hätte er nicht erwartet. Eine Wiederkehr schließe er nicht aus:"Es kommt eben, wie es kommt."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort