Zu Besuch in der Weihnachtswerkstatt Neunkirchen

Neunkirchen · Zwischen Papier, Schere und Kleber wird in der Kinder-Kultur-Werkstatt auch Integration gelebt – etwa, wenn die muslimischen Kinder beim Weihnachtsbasteln wissen wollen: „Eine Krippe, was ist das?“

 Mittwochs- und Donnerstagsnachmittags öffnet die von Doris Weber betreute Kinder-Kultur-Werkstatt in der Hüttenbergstraße 6. Hier können sich die Kleinen ohne Erfolgsdruck ausprobieren. Foto: Thomas Seeber

Mittwochs- und Donnerstagsnachmittags öffnet die von Doris Weber betreute Kinder-Kultur-Werkstatt in der Hüttenbergstraße 6. Hier können sich die Kleinen ohne Erfolgsdruck ausprobieren. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

Fatima streicht mit den Fingern zögerlich Pappmaché auf den Karton. So richtig geheuer ist der Neunjährigen dieser braune Brei nicht, der später so krass an den Fingern antrocknet. Das Teil soll, mit Goldfarbe angestrichen, mal Deko für ein Blumenge-steck werden. "Kann ich auch Herzen drauf malen?", wendet sich Fatima an Doris Weber. Was für eine Frage! Hier in der Kinder-Kultur-Werkstatt in der Hüttenbergstraße 6 ist eigentlich fast alles erlaubt, was kreativen und handwerklichen Charakter hat. Immer mittwochs und donnerstags von 15 bis 18 Uhr bietet Doris Weber diese Möglichkeit an, kostenlos und ohne Voranmeldung: "Wer kommt, macht mit", gern auch später, weil sich das Angebot anfangs noch mit der Nachmittagsbetreuung der Ganztagsschulen überschneidet.

Aber heute, das ist ein außerplanmäßiger Termin namens Weihnachtswerkstatt. Acht Bastelbegeisterte haben sich eingefunden, um Adventsdekoration und kleine Geschenke herzustellen. Was insofern etwas paradox ist, als die Kinder, die alle zur therapeutischen Schülerhilfe des Familien- und Nachbarschaftszentrums (FNZ) gehören, in der Mehrzahl Muslime sind. "Eine Krippe, was ist das?", erkundigt sich die achtjährige Melek nach einem aufgeschnappten Wort. "In unserer Kultur gibt es ein Jesuskind, den Sohn Gottes", erklärt Betreuerin Sabine Jung. "Das kommt in einem Stall auf die Welt und wird in die Futterkrippe gelegt." Weiter vertiefen muss man das nicht, lieber noch Tannenbäume aus grünen Kartonkreisen falten oder "Frohe Weihnacht" in eine Papiertragetasche prickeln.

Dass Kinder heute nichts mehr mit Basteln am Hut haben, kann Weber so nicht bestätigen. Etwas schwieriger als vor zehn, 20 Jahren gestalte es sich zwar schon, gerade was Fantasie oder Motorik anbelangt. "Aber man muss es nur ein bisschen rauslocken aus ihnen." Am besten funktioniert alles, womit man "rumschweinern" kann, fügt Sabine Jung lachend hinzu, sprich das Arbeiten mit Materialien wie Gips und Ton, Fimo oder Teig. Leider neigt die junge Generation heute zum übertriebenen Perfektionismus. "Die sind schnell unzufrieden und demotiviert, wenn es nicht gleich klappt oder nicht so aussieht, wie sie sich das vorgestellt haben." Zum Glück hat Doris Weber ein Talent für Schadensbegrenzung. Da wird aus einem Werkstück am Schluss schon mal etwas ganz anderes: "Mir ist wichtig, dass sich die Kinder ausprobieren können", ergänzt Doris Weber - ohne Erfolgsdruck. Vom kreativen Potenzial der jungen Klientel zeugen Masken, Tetra-Pack-Männchen, Waldgeister, Kostüme und Hunderte andere gemalte, genähte, gesägte, geklebte Dinge in dem lichten Raum mit seinen hohen Regalen und den randvollen Kisten mit unterschiedlichsten Arbeitsmaterialien.

"Es war und ist immer schwierig, für diesen Luxus Geld zu bekommen", sagt Weber mit einer Handbewegung, die den ganzen Raum umfasst. Dringend gesucht werden Sponsoren, die die Miete nächstes Jahr finanzieren. Sie selbst arbeitet ehrenamtlich: "Ich wollte schon mal aufgeben, als ich in Rente gegangen bin. Aber wenn man das hier sieht . . . ." Sagt es und deutet lächelnd auf Cathlyn und Melek, die andächtig Sterne prickeln.

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