„Rollen lassen. Ohne Angst.“

Neunkirchen · Die Flüchtlingshilfe Neunkirchen hat gemeinsamem mit vielen Partnern zum Fahrradtag im Wagwiesental eingeladen. Besonders gut an kam das Mountainbike-Training. Was dabei half: Radsportler sind in der Heimat oft Idole.

 Sicheres Fahrradfahren will gelernt sein. Nicht nur für viele junge Geflüchtete ist das eine völlig neue Welt. Foto: Anja Kernig

Sicheres Fahrradfahren will gelernt sein. Nicht nur für viele junge Geflüchtete ist das eine völlig neue Welt. Foto: Anja Kernig

Foto: Anja Kernig

"Wenn du auf der Treppe bist, nicht mehr in die Pedale treten. Rollen lassen. Ohne Angst." Leichter gesagt als getan, wenn es Stufen steil bergab geht und man auf einem etwas zu großen Mountainbike sitzt wie der achtjährige Mohamed Amin gerade. Beziehungsweise eben nicht sitzt. Denn das Gesäß gehört bei der Treppenabfahrt hinter den Sattel. Das hat Profi Matthias Schnapka eben erklärt und anschließend demonstriert.

Wirklich lebenswichtig ist das sicher nicht - macht aber Spaß, wie man am Mittwochnachmittag in den Gesichtern der zehn jungen Syrer lesen konnte. Hinter der TUS-Halle hatten die Veranstalter, allen vorneweg die Flüchtlingshilfe Neunkirchen , einen Pavillon aufgebaut. In seinem Schatten wurde im Rahmen des Fahrrad-Aktionstages gespielt und Infomaterial ausgetauscht. Fahrräder konnte man inspizieren und reparieren lassen und vor allem seine Geschicklichkeit auf dem Mountainbike schulen. Diesen Part übernahm Schnapka vom Verein Bike Aid.

Der engagiert sich auch für Radsportler aus Eritrea, denen er unter anderem das Training in Deutschland und die Teilnahme an Rennen ermöglicht. "Das war für uns so ein Aha-Erlebnis. Als wir mit den afrikanischen Sportlern auf Tour waren, haben wir unterwegs Flüchtlinge getroffen. Die sind fast auf die Knie gefallen, als sie die Sportler erkannt haben", erzählt der Blieskasteler Radsportler . "Die sind in ihrer Heimat große Idole." Von da aus war der Weg zur Idee mit den Trainingsstunden für Flüchtlinge nicht mehr weit. "Sie sollen sicherer im Umgang mit den Zweirädern werden", so das Konzept. Um die Straßenverkehrsordnung geht es da eher weniger. Verkehrsregeln erläutert stattdessen ein eigens angefertigter Flyer, den es auch auf Arabisch gibt. "Wir haben unser Training zuerst zwei-, dreimal in kleinem Kreis durchgeführt", und traten damit eine kleine Lawine los. "Unentwegt schreiben mich Kommunen an." Aber mehr als acht Termine im Jahr sind ehrenamtlich nicht zu stemmen, meint Schnapka.

Trotz Hitze schwangen sich die jungen Syrer mit Begeisterung auf die von Bike Aid mitgebrachten Räder. Das Phänomen, dass sich die Teilnehmer besonders in Schale werfen für das Training, war für Schnapka nicht neu: "Beim ersten Mal kommen die jungen Männer immer schick gekleidet und gegelten Haaren. Dann muss man sie erst mal dazu bringen, einen Helm anzuziehen." Denn ohne den durfte niemand aufsteigen. Salih Alali hat der Nachmittag gut gefallen. "Das macht richtig Spaß", bestätigte der 17-Jährige, der aus Al-Hasaka stammt und seit sieben Monaten im Saarland lebt. Daheim, in der Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements in der Dschazira-Region im Nordosten Syriens, herrschen übrigens gerade 40 Grad, kein Wunder, dass Salih und seine Freunde gut klar kamen mit der Witterung. Würde das Training noch mal angeboten werden, wäre Salih gern wieder dabei - im Trainingsanzug.

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