Er ist auf dem Sprung an die Blies

Neunkirchen · Wolfgang Reeb verlegt seine Firma Film-Event-Treff nach Neunkirchen und will so Jungfilmer in die Stadt holen.

Es sind die dicksten Visitenkarten, die je einer mitgebracht hat. Der Schauspieler, Produzent und Autor Wolfgang Reeb hat aber nicht nur sie im Gepäck. Auch eine wunderschön gestaltete Infobroschüre und eine DVD gibt's obendrauf. Begeisterung schlägt Wellen - denn hier ist er drauf, der preisgekrönte Kurzfilm "Sekundenschlaf", den Besucher des letzten Kreatalk in einer Director's-Cut-Version sehen durften (wir berichteten). Damals hatte Reeb angekündigt, in Neunkirchen sein Produktionsbüro aufzumachen. Ursprünglich, so hieß es da, bereits zum 1. April. Im Gespräch waren Räume im Corona-Hochhaus, dort, wo mal kurzzeitig die Pizzeria war. Das hat sich zerschlagen, wie Reeb im SZ-Gespräch verrät. "Das war nicht das, was ich mir vorgestellt habe." Die Suche allerdings geht weiter. Suche nach Büroräumen zum einen und nach einer für Filmaufnahmen nutzbaren Halle zum anderen. Denn Reeb will die Filmer in die Stadt holen. "Nur logisch, schließlich stammt Günter Rohrbach von hier", meint der gebürtige Kaiserlauterner im charmantesten Pfälzer Dialekt. Rohrbach ist es auch zu verdanken, dass der Halb-Algerier die ehemalige Hüttenstadt für sich entdeckt hat. Schließlich ist er seit vier Jahren beim Filmemacher-Abend im Vorfeld des Rohrbach-Film-Preis-Verleihes dabei. Fiel damals Oberbürgermeister Jürgen Fried sozusagen ins Auge und kommt seitdem wie so einige andere auch zu den regelmäßigen kreativen Treffen mit dem Oberhaupt der zweitgrößten Stadt des Saarlandes. Im Saarland selbst ist Reeb seit nunmehr 17 Jahren zu Hause, als Lautrer für ihn alles andere als eine Unbekannte ("ich kannte auch zumindest den Namen Decker noch"). Der Weg hierher, der machte allerdings einen ungewöhnlichen Bogen. Rührig war Reeb schon immer, mutig und geradeaus - und ein Arbeitstier. Das erkennt man, wenn er aus seiner Vergangenheit plaudert. Mit 30 war der 1954 geborene Reeb in Lautern engagiert im Altstadtverein, hat sich stark gemacht für deren Erhalt, betrieb insgesamt fünf Kneipen. Dann kam es, wie es wohl kommen musste. "1989/90, da hatte ich so eine Art Burnout." Wo andere gen Süden ziehen oder sich gänzlich aufgeben, machte Reeb einen ganz anderen Schritt. Erste Station: Karl-Marx-Stadt, wo er eine Messe organisierte, DDR-Bürgern beibrachte, wie man sich selbstständig macht. Weiter ging es nach Prag. "Die Sprache konnte ich nicht." Was Reeb aber nicht dran hinderte, auch hier aktiv zu werden, Messen zu organisieren, die Kontakte zu Firmen fürs Wirtschaftsministerium herzustellen. Die Sprache, die lernte er dabei so nebenher. Ein Buch über seine Zeit in Prag hat er geschrieben, demnächst geht es wieder hin, um Fotos für ein Fotobuch machen zu lassen. Die Prager Erfahrungen haben Reeb zu dem Schluss gebracht: "Ich bin ein Zugpferd, wo ich bin, da kommt viel hinterher." Nun sollen es eben die jungen Filmemacher sein. Für die engagiert er sich bereits auf dem Saar-Lor-Lux-Filmfestival am Rande der Biennale in Berlin. "Heute ist es ja egal, wo man seinen Sitz hat", meint Reeb. Neunkirchen denkt er, ist eine gute Wahl. "Hier wird man als Kreativer sehr unterstützt." Die Unterstützung, die ist es auch, die er den jungen Filmern dann weitergeben will. "Dass ich nicht schlecht bin, das weiß ich ja, das wurde ja mit dem Preis auch bestätigt", ist Reeb ganz selbstbewusst. "Was ich in den letzten 40 Jahren gelernt habe, das gebe ich an die jungen weiter." Jungfilmer, die mit ihren Ideen an ihn herantreten, die produziert er, denen bietet er Räumlichkeiten an, so der Plan. Wenn die Idee passt - und: "wenn es in den Filmen eine Rolle für mich gibt." Für diese Vorgehensweise hat er Vorbilder wie beispielsweise Brad Pitt. "Und auch Till Schweiger ist ja Produzent und Schauspieler in einem." Neu ist die Firma, mit der Reeb nach Neunkirchen kommen will, allerdings nicht. Bereits vor einem Jahr wurde Film-Event-Treff gegründet. Die Firma wird sein zweites Standbein bleiben. In Saarbrücken betreibt Reeb den Kunst- und Kulturclub "Die Winzer". Und dieses Gesamtkunstwerk, wie er es nennt, wird er nach 17 Jahren natürlich nicht aufgeben, wenn er mit dem Film-Event-Treff nach Neunkirchen kommt. Auch, wenn die Räume noch nicht gefunden sind, an diesem Wochenende geht es bereits los mit einem großen zweitägigen Film-Ereignis: Beim ersten Wochenende des saarländischen Films (Bericht folgt) werden am Samstag und Sonntag in der Stummschen Reithalle 20 Filme von Jungfilmern gezeigt werden. Es wird ein Publikumspreis ausgelobt, sechs Jungfilmer werden zum Saar-Lor-Lux-Filmfestival nach Berlin eingeladen. "Dort", so hofft Reeb, "lernen sie dann viele Leute kennen, können Kontakte knüpfen." Kontakte - das ist übrigens auch ein Argument für Reeb, seine Firma nach Neunkirchen zu verlegen. Denn zusätzlich zur Unterstützung durch die Stadt selbst findet er eines: "Die Leute sind hier top. Ich habe richtige Freunde gefunden, die ich so nie hatte."

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