Kommerz, Cajón, Kartoffelwaffeln

Neunkirchen · Klein aber fein präsentiert sich der Neunkircher Weihnachtsmarkt an der Christuskirche. Nicht jeder findet das gut. Einkaufen bis Mitternacht – von diesem Angebot machten am Samstag viele Gebrauch.

 Am Samstagabend war der Platz gut gefüllt, an den Ständen herrschte Hochbetrieb. Viele verbanden den Marktbesuch mit dem Latenight-Shopping. Fotos: Jörg Jacobi

Am Samstagabend war der Platz gut gefüllt, an den Ständen herrschte Hochbetrieb. Viele verbanden den Marktbesuch mit dem Latenight-Shopping. Fotos: Jörg Jacobi

Er lebt wieder, der Neunkircher Weihnachtsmarkt. Wer unter den mit Lichterketten illuminierten Platanen am späten Samstagnachmittag durchs Weihnachtsdorf wandelte - im Betriebshof hatten fleißige Hände für den Markt neue Holzhütten gezimmert - kam nur langsam voran. Was an den vielen bekannten Gesichtern, darunter das von Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger , und zig kulinarischen Versuchungen lag: Grillkäse (Lebenshilfe), Kartoffelwaffeln zum Crémant (Lions Club), syrischer Zitronenkuchen (Gemeinschaftsstand), Gulaschsuppe (Fliedner Hospiz), weißer Winzerglühwein (Kreisstadt) und so weiter. Nicht nur optisch aus der Reihe fiel da der silberne Barbecue Food Truck. Aus dem "Ufo" heraus servierte Tim Dönkes Drunken-Santa-Burger mit Rotkraut, Spekulatius, Camembert und Birne. Sogar der älteren Kundschaft mundete das. Den Markt findet Dönkes im Übrigen "gemütlich und überschaubar".

Verdauungsfördernd wirkte sich das Wippen mit Fuß oder Kopf zu den locker leicht verjazzten Weihnachtsliedklassikern aus, die Jens Müller mit dem Saxofon, Gitarrist Daniel Wohlfeil und Philipp Günder auf dem Cajón, einer peruanischen Kistentrommel, interpretierten.

Wer eine Auszeit vom Trubel brauchte, musste nicht weit gehen, luden doch sowohl die Christuskirche-Gemeinde als auch die Wohngruppen des Schwesternverbandes zu Kaffee und Kuchen ein. "Wir wollten probieren, wie es funktioniert", meinte Pfarrerin Britt Goedeking, durchaus zufrieden mit der Resonanz. Viele kamen, mit und ohne Kinder. Manche Gäste beteten auch oder zündeten als "Gebet ohne Worte" Kerzen an. In den Ex-City-Polster-Räumen vis-à-vis konnte man eine Partie "Weihnachts-Mensch ärgere dich nicht" spielen oder sich vorlesen lassen, wobei sich die 26 Bewohner als 1-A-Gastgeber erwiesen.

Fünf Stunden später: Die Luft ist raus aus der begehbaren Schneekugel vorm Optikerladen, die Fensterläden auf dem Weihnachtsmarkt schließen, Müll wird eingesammelt. Durch die zugige Stummstraße dröhnen orientalische Hip-Hop-Rhythmen. Nebel schleicht sich auf den ausgestorbenen Stummplatz. Bei Reno verlieren sich zwei Kunden zwischen Schuhregalen, mehr Betrieb herrscht im German-Flavours-Shop für E-Zigaretten , gegenüber im Eiscafé Venezia herrscht gähnende Leere.

Fleißig geschoppt wird dafür im Kaufhof und im Saarpark-Center . "Wer wie ich lange arbeitet unter der Woche, ist froh drum", meinte Wolfgang Jung. Der Bexbacher und seine Frau hatten Pralinen gekauft, einen Pulli und Deko. "Überrascht hat uns das Konzert." Womit der Jazz-und-Christmas-Carols-Auftritt der Kantorei St. Marien gemeint war - ein fast meditativer Kontrastpunkt inmitten der Wunschlisten abarbeitenden Käuferschar. Draußen in der Kälte dreht Michael Blum mit seiner weißen Schäferhündin Kimba Runden. Schon das vierte Wochenende ist die Rettungshundestaffel Furpach im Einsatz: "Wir finanzieren unsere Arbeit von diesen Spenden." Die Leute sind eigentlich ganz gut drauf, findet Sabine Kickendahl. Was ihr nicht gefällt, ist der "neue" Weihnachtsmarkt: zu mickrig, zu unspektakulär. "Die Stadt tut nichts für ihre Bürger", was sich OB Jürgen Fried ruhig mal zu Herzen nehmen könne. Vor allem aber sei es "blöd, dass er nicht mehr auf dem Stummplatz ist".

Meinung:

Allen Menschen Recht getan . . .

Von SZ-Redakteurin Elke Jacobi

 Die beleuchteten Fenster der Christuskirche machen das Stimmungsbild perfekt.

Die beleuchteten Fenster der Christuskirche machen das Stimmungsbild perfekt.

Er hat es nicht leicht, der Neunkircher Weihnachtsmarkt. Oder wie meine Oma gesagt hätte: Wie man's macht, ist's falsch. Man erinnert sich: Die Anfänge hatte der Markt ganz stimmungsvoll vor über 20 Jahren an der Christuskirche. Ein Wochenende ist zu kurz, meinte der Bürger. Der Markt zog um auf den Stummplatz, dauerte fortan mehrere Wochen, hatte anfangs sogar eine Eisbahn. Da waren die Stände den Besuchern zu kommerziell. Der Markt wurde kleiner, dann kürzer, dann ganz kurz: Kein Markt mehr, sondern ein Weihnachtstreff in Form einer Bude. Unmöglich, war die einhellige Meinung. Nun ist er wieder dort, wo alles begann. Ist nicht kommerziell, hat ein weihnachtliches Programm. Alles gut? Weit gefehlt! Das nun, das gefällt auch nicht jedem. Nachzulesen auf der Facebook-Seite der Lokalredaktion oder in den Kommentaren zum (positiven) Post von Bürgermeister Jörg Aumann . Zu klein und ein Witz für die zweitgrößte Stadt des Landes. Kann man so sehen. Muss man aber nicht. Man kann's auch einfach mal stehen lassen, sich den Sinn der Weihnacht in Erinnerung rufen, genießen, was man hat, und dem Markt mal eine Chance geben.

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