Nie zu spät für die Lust am Lesen

Neunkirchen · 800 Schüler kamen gestern in den Genuss einer ganz besonderen Lesung. Demonstrierte doch Autor Stefan Gemmel in der Gebläsehalle, warum ihn der Buchhandel zum Vorlesekünstler des Jahres 2011 gekürt hatte.

 Stefan Gemmel ist bei seinen Lesungen eine Mischung aus Vorleser und Showmaster. Foto: Willi Hiegel

Stefan Gemmel ist bei seinen Lesungen eine Mischung aus Vorleser und Showmaster. Foto: Willi Hiegel

Foto: Willi Hiegel

Lesen ? Nee, das tat bei Stefan Gemmel in der Familie niemand freiwillig, ihn eingeschlossen. Klar gab es Bücher im Elternhaus im Hunsrück, das Telefonbuch zum Beispiel oder irgendwelche Lexika, die regelmäßig abgestaubt wurden. Sein Vater verlässt sich heute noch ausschließlich auf die mündliche Inhaltszusammenfassung seines Sohnes, statt dessen inzwischen über 30 Bücher selbst zu lesen. Die Kehrtwende kam für den jungen Gemmel in der siebenten Klasse in Gestalt der Deutschlehrerin. Die knallte ihm irgendwann mal "Die Schatzinsel" von Robert Louis Stevenson mit den Worten "Hier lies mal" auf die Schulbank. Seitdem läuft's.

Das ist nicht nur eine wahre Geschichte, sondern ein ziemlich genialer Schachzug. Die wundersame Wandlung des Leseverweigerers zum Erfolgsautor holt genau die Kinder im Saal ab, die mutig bei Gemmels Frage "Wer liest nie" die Hand gehoben haben. Es ist nämlich nie zu spät, mit dem Schmökern anzufangen - anders könnte die Botschaft anlässlich des Welttags des Buches ja auch gar nicht lauten.

Veranstalter dieses Vorlese-"Events" war die Buchhandlung König in Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei-Mediathek Neunkirchen und dem Carlsen Verlag . "34 Klassen aus 17 Schulen haben sich diesmal bei der Stiftung Lesen angemeldet", freute sich Inhaberin Edith Riefer über das Rekordinteresse. Da man diese Mengen an Viert- und Fünftklässlern unmöglich in Einzellesungen in der Buchhandlung "verarzten" kann, kam schnell die Gebläsehalle ins Spiel. Und dort schaffte der für sein Lese-Förderungs-Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Autor tatsächlich das Unmögliche: eine gute Stunde die Aufmerksamkeit der 800 Kinder auf seine Geschichten zu lenken.

Dafür zog er allerhand schauspielerische und komödiantische Register - schnitt wilde Grimassen, gestikulierte ungestüm herum und untermalte seine Performance mit allerlei interessanten Geräuschen. Tatsächlich vorgelesen wurde nicht sonderlich viel. Lieber erzählte der jugendlich wirkende Mittvierziger von seinem Bestseller "Mumienwächter" und wie schwer es ist, sich um eine Fortsetzung zu drücken. Weshalb er dann doch noch "Geistergefährten" geschrieben hat - ein Buch, das ohne Monster auskommt, den Leser dafür subtiler und immer auch humorvoll gruseln lässt. Schließlich stellte Gemmel, der mit Frau und zwei Kindern an der Mosel wohnt, noch sein neuestes Projekt vor: der neue Welt-Rekord Versuch "Schnellste Lesereise" mit dem im September erscheinenden Buch "Im Zeichen der Zauberkugel".

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