Eine Landkarte des Drogenkonsums

Neunkirchen · Die Neunkircher Polizei hatte in diesen Tagen mit etlichen Drogendelikten zu tun: vom Unfall unter Alkohol- und Drogeneinfluss über die Entdeckung einer Cannabis-Plantage bis zur Festnahme dreier mutmaßlicher Drogendealer. Welche Ausmaße der Drogenkonsum in Stadt und Kreis Neunkirchen tatsächlich hat, soll ein Forschungsprojekt der Universitäts-Klinik in Homburg aufzeigen.

 Kläranlage Wellesweiler: Wie jeden Tag entnimmt Carina Stöckl, Fachkraft für Abwassertechnik, auf unserem aktuellen Foto eine Wasserprobe. Im Juli wurden diese Proben auf Restbestandteile von Drogen hin analysiert. Foto: Thomas Seeber

Kläranlage Wellesweiler: Wie jeden Tag entnimmt Carina Stöckl, Fachkraft für Abwassertechnik, auf unserem aktuellen Foto eine Wasserprobe. Im Juli wurden diese Proben auf Restbestandteile von Drogen hin analysiert. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

Leistungssportler müssen regelmäßig zur Dopingkontrolle, doch auch der tägliche Toilettengang von Otto Normalverbraucher kann Forschern wichtige Aufschlüsse geben über den Konsum von Drogen. Nicht über einzelne Konsumenten, aber über Städte und Regionen. Dank eines dreijährigen EU-Projektes, an dem Homburger Toxikologen beteiligt sind, gibt es solche ersten Erkenntnisse auch über den Landkreis Neunkirchen.

Die Abteilung für Experimentelle und Klinische Toxikologie in Homburg arbeitet für das Projekt mit dem Entsorgungsverband Saar (EVS) zusammen. Denn das Forschungsteam unter Leitung von Dr. Markus R. Meyer untersucht Proben des Abwassers, die in saarländischen Kläranlagen ohnehin gezogen werden. Vier von insgesamt zehn saarländischen Kläranlagen , die in einem ersten Schritt für dieses Projekt ausgesucht wurden, liegen im Landkreis Neunkirchen (siehe "Hintergrund").

Mit den ausgewählten Anlagen sollen sowohl städtische als auch ländliche Regionen abgedeckt werden. Dazu sei es wichtig, auch Anlagen mit Anschluss an Clubs und Diskotheken einzuschließen, erläuterte Meyer auf SZ-Anfrage. Nahezu alle Missbrauchsdrogen, aber auch Arzneistoffe lassen sich über die angewandte Analytik (basierend auf der Massenspektrometrie) nachweisen. Das Homburger Team entschied sich jedoch dafür, zunächst die klassischen Drogen wie Kokain , Amphetamin und Ecstasy zu analysieren.

Dazu liegen auch bereits erste, konkrete Ergebnisse vor. Die Tendenz der Proben in eher städtischen Regionen (wie Wellesweiler) zeigt einen etwas erhöhten Konsum von Kokain , während es bei Amphetamin keinen Stadt-Land-Unterschied gibt. Grundsätzlich folgt das Saarland dem europaweiten, aber auch deutschlandweiten Trend, berichtet der Toxikologe. "Beispielsweise scheint der Konsum von Metamphetamin (umgangssprachlich Crystal Meth, die Redaktion), im Gegensatz zum Amphetamin im Saarland beziehungsweise Westeuropa im Vergleich zu mittel- und osteuropäischen Ländern sowie östlichen Bundesländen nur eine untergeordnete Rolle zu spielen", so Meyer. Im Laufe des ersten Halbjahres 2015 sei dazu eine wissenschaftliche Publikation geplant.

Als eine "spannende Aufgabe" bezeichnet Diplom-Ingenieurin Tina Vollerthun die Zusammenarbeit des EVS mit den Wissenschaftlern der Universität Homburg . Die Art und Weise, wie in den Kläranlagen des EVS ohnehin täglich Proben des Abwassers entnommen werden, kam der Forschung des Homburger Biologenteams entgegen. Es findet alle zwei Stunden eine automatische Probeentnahme statt, die dann zu einer 24-Stundenprobe gemischt wird. So erhält man ein repräsentatives Ergebnis.

Die erste Runde der Probenentnahme lief vom 15. bis 23. Juli 2014. In einem aufwendigen Verfahren werden die tiefgefrorenen Proben auf die relativ geringen Spuren von Drogen untersucht. "In diesem Jahr wird es eine zweite Runde geben", informiert Tina Vollerthun, dabei werde der Fokus auf andere Substanzen gelegt. Grundsätzlich sei der EVS daran interessiert, Hochschulen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. "Als Körperschaft des öffentlichen Rechts sehen wir auch eine gesellschaftliche Verantwortung." Und das aktuelle Projekt sei bisher auf großes Interesse gestoßen.

Ziel des europaweiten Projektes ist nach Angaben von Meyer eine "Kartierung" Europas, um die Verteilung des Konsums klassischer Drogen, aber auch neuer Drogen ("legal highs") quasi in Echtzeit zu überwachen. Diese Daten dienen dann wiederum Einrichtungen wie der EMCDDA (European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction) zur gezielten Einrichtung von Präventionsprogrammen.

Doch nicht nur Europa profitiert von den gewonnenen Erkenntnissen. In Stadt und Kreis Neunkirchen können sie auch für Polizei oder Drogenberatungsstellen nützlich sein.

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HintergrundAn dem neuartigen Überwachungssystem, welches das Ausmaß des Konsums von alten und neuen Missbrauchsdrogen innerhalb der Europäischen Union mittels Abwasseranalyse regis triert, arbeitet auch die Abteilung für Experimentelle und Klinische Toxikologie in Homburg von Professor Hans Maurer. In einer ersten Pilotphase sind Proben von zehn Kläranlagen im Saarland untersucht worden. Vier davon im Landkreis Neunkirchen: Bubach-Calmesweiler, Dirmingen, Wustweiler und Wellesweiler. red

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