Traurige Narren – für kurze Zeit

Kreis Neunkirchen · Für die Freunde der Fastnacht war es ein Schlag: Die Rosenmontagszüge sind im Kreis gestern alle abgesagt worden. Was mit den Umzügen am heutigen Dienstag ist, wollen die Organisatoren kurzfristig entscheiden.

 Im Funkenheim war die Stimmung am Nachmittag schon wieder ausgelassen. Foto: Thomas Seeber

Im Funkenheim war die Stimmung am Nachmittag schon wieder ausgelassen. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber
 Der Stummplatz war gestern um die Mittagszeit verwaist. Nichts von Rosenmontagsstimmung weit und breit. Foto: Thomas Seeber

Der Stummplatz war gestern um die Mittagszeit verwaist. Nichts von Rosenmontagsstimmung weit und breit. Foto: Thomas Seeber

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 Die Roten Funken stürmten gestern ihren Tabakladen, Doris Frank feierte mit. Foto: Frank

Die Roten Funken stürmten gestern ihren Tabakladen, Doris Frank feierte mit. Foto: Frank

Foto: Frank

Die Garde-Mädchen Shaylea, Lara-Marie und Lea sitzen im Treppenhaus neben Tabak Frank in der Neunkircher Bahnhofstraße. In ihren Kostümen sehen sie richtig gut aus. Aber ihre Gesichter sind so düster wie der Himmel vor der Tür an diesem Morgen. Kein Rosenmontagsumzug - es bedarf nur eines flüchtigen Blickes, um zu sehen, was das für sie bedeutet. "Wir haben uns richtig darauf gefreut. Dass der Umzug abgesagt ist, ist schade", sagt Lara-Marie. Die 14-Jährige von den Roten Funken erinnert auch an die Arbeit, die in den Kostümen steckt, an die Mühe ihrer Betreuerinnen. Es wäre doch schön gewesen, wenn die Leute an der Strecke das gesehen hätten, sagt sie tonlos. Lea sieht es genauso: "Das ärgert uns ziemlich." Funken-Sitzungspräsident Michael Schley ruft Shaylea, Dritte im Bunde, in den Tabakladen, den die Narren erobert haben. Dort singt sie "Am Rosenmontag bin ich geboren". Aber Freude sieht anders aus.

Nicht nur die Neunkircher Fastnachter müssen mit der Entscheidung gegen den Umzug leben. Neben dem Groß-Ereignis in der Kreisstadt sind gestern auch die weiteren närrischen Rosenmontagszüge in Merchweiler, Illingen und Stennweiler der kritischen Wetterlage zum Opfer gefallen. Für den heutigen Dienstag stehen Ottweiler, Spiesen-Elversberg und Heiligenwald auf dem Programm. Eine Absage gab es gestern nicht, in der Früh wollen die Organisatoren noch einmal beraten. Auf Facebook ist Ottweilers Bürgermeister Holger Schäfer am Montagmittag allerdings bester Dinge: Nachmeldungen für den Umzug seien noch möglich. Das Prinzip Hoffnung gilt bis zuletzt.

Die Hoffnung wollte auch Karl Albert am Sonntagabend noch nicht fahren lassen. Doch die Wetterradarbilder, sagt der Präsident des Neunkircher Karnevalsausschuss (NKA) am nächsten Morgen, ließen keine positive Entscheidung zu: "Wir konnten den Umzug nicht stattfinden lassen. Das Risiko ist einfach zu hoch." Was wäre, fragt er, wenn sich ein Dachziegel entlang der Strecke löst und jemand zu Schaden käme? "Die Enttäuschung ist natürlich groß. Das ist immer der krönende Abschluss der Session."

Es ist nicht das erste Mal, dass der Neunkircher Umzug ausfällt. Beim Orkan Wiebke 1990 und im Folgejahr 1991 beim zweiten Golf-Krieg blieben die Straßen auch schon leer. Mancherorts wird jetzt über einen Ausweichtermin spekuliert. Stadt-Pressesprecher Markus Müller erläutert, die Verwaltungsspitze habe die Absage mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Aber die Entscheidung sei richtig gewesen. Müller: "Wenn der Zug - wie angedacht - im Frühjahr nachgeholt werden sollte, dann kann Neunkirchen zeigen, dass es zu Recht als eine der Fastnachtshochburgen der Region gilt." Ein Nachholtermin für den Umzug? NKA-Präsident Albert sagt auf SZ-Nachfrage, die Neunkircher Fastnachter werden sich "heftig Gedanken machen" um einen eventuellen Frühjahrsumzug. Das Wurfmaterial - von über acht Tonnen war zuletzt die Rede - werde sicher auch anders gute Verwendung finden. Ob bei der Neunkircher Tafel oder in Kitas.

Auch Neunkirchens Bürgermeister Jörg Aumann äußert sich via Facebook zur Absage: "Es tut mir sehr leid für die vielen engagierten Menschen, die viel Geld, Zeit und Herzblut in die Vorbereitung ihrer Umzugswagen und Fußgruppen gesteckt haben, aber die Sicherheit geht vor." Landrat Sören Meng teilt ebenfalls über die sozialen Medien die Enttäuschung: "So viel Vorbereitungszeit, stundenlanges Werkeln an den prächtigen Wagen, Kostüme schneidern für die Fußgruppen, die ganze Arbeit der Organisatoren." Die Fassenachter seien "geknetscht".

Aber nicht zu lange. Die Roten Funken jedenfalls feiern schon am frühen Nachmittag ausgelassen in ihrem Vereinsheim in der Zweibrücker Straße. Vielleicht können da ja auch die Garde-Mädchen wieder ein wenig lachen. Die Illinger Pressestelle meldete gestern schon um 7.28 Uhr: Der Illinger Rosenmontagsumzug fällt aus. Die Sicherheit aller Beteiligten habe Vorrang. Womöglich könne es im Frühling einen Ersatztermin geben.

Auch in Merchweiler saßen zwischen 7 und 8 Uhr die Karnevalsgesellschaft "Mir senn do", die den Zug organisiert, mit Polizei , DRK und anderen zusammen. Dort wollten die Gruppen unbedingt gehen. Carsten Boeckmann, Vorsitzender des Vereins und Zugpräsident, berichtet, unter verstärkten Sicherheitsvorkehrungen - man entfernte Teile von den Wagen, die hätten wegfliegen und jemanden verletzen können - machten sich die unerschrockenen Fastnachter schon startklar. Kurz vor 9 Uhr dann nach erneuter Rücksprache mit der Polizei doch die Absage, oder besser, der Merchweiler Sonderweg. Die Wagen rückten ab, die Fußgruppen gingen in die Allenfeld-Halle. "Wir haben den wahrscheinlich ersten Indoor-Umzug des Saarlandes veranstaltet", sagte Carsten Boeckmann. 22 Minuten (2 x 11) dürfte er gedauert haben. Berliner und Gutzjer wurden also unters Volk gebracht. Die Improvisation kam prima an. Boeckmann: "Bei uns waren die herumfliegenden Teile nicht lebensgefährlich, sondern nur gefährlich für die Hüften." Fastnacht müsse ja ohnehin etwas verrückt sein, erklärt der Zugpräsident. So gesehen hat in Merchweiler alles seine Richtigkeit gehabt.

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