Mehr Kinder brauchen Schutz

Kreis Neunkirchen · In der Debatte um die Finanzen des Kreises stehen auch die Kosten für Jugend- und Familienhilfe im Fokus. Ein Forschungsinstitut analysiert die Strukturen. Die Zahl der Inobhutnahmen ist gestiegen.

 Kinder sollten in einem behüteten Umfeld aufwachsen. Wo das gar nicht gelingt, greift das Jugendamt ein. Symbolfoto: Holschneider/dpa

Kinder sollten in einem behüteten Umfeld aufwachsen. Wo das gar nicht gelingt, greift das Jugendamt ein. Symbolfoto: Holschneider/dpa

Die Sozialausgaben drohen den stetig steigenden Finanzbedarf des Kreises aufzufressen. Die Kommunen stöhnen unter der wachsenden Umlage, mit der sie diese Verwaltungsebene mitfinanzieren. Ihre eigenen Sparbemühungen werden so immer wieder zunichtegemacht. Im Kreistag murren die Christdemokraten, Jahr für Jahr steigende Ausgaben könne man nicht weiter hinnehmen. Bei den Kosten für Jugend- und Familienhilfe , fürs laufende Jahr mit 32,87 Millionen Euro veranschlagt, fordern sie Aufklärung. Warum ist eine Analyse zu diesem Thema seit zwei Jahren in Arbeit, ohne dass der Kreistag Ergebnisse sieht? Warum kostet eine stationäre Unterbringung im Monat nahezu 5000 Euro?

Das Thema ist vielschichtig. Landrat Sören Meng hatte im vergangenen Herbst noch als Wahlkämpfer um den Chefsessel der Kreisverwaltung verschiedentlich darauf hingewiesen: Eine intensive Betreuung von Kindern und Jugendlichen, die in schwierigen Verhältnissen aufwachsen, sei im Zuge der Chancengleichheit geboten. Was in junge Menschen investiert werde, sei gut angelegtes Geld. Und spare letztlich Kosten , wenn eine Biografie durch stützende Maßnahmen einen besseren Verlauf nehmen könne. Er stehe für einen präventiven Ansatz, sagt er auch heute. Die angesprochene Studie, erläutert Meng, werde im nächsten Kreistag auf der Tagesordnung stehen. Das Gremium tritt am Donnerstag, 17. März, wieder zusammen. Allerdings dämpft er die Erwartungen. Es handele sich um eine komplexe Geschichte.

Mit der Analyse der Jugendhilfestrukturen im Kreis beschäftigt sich das Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ism). Konkret nimmt es Planungs- und Steuerungsmöglichkeiten im Bereich der Hilfen zur Erziehung unter die Lupe. Zu der CDU-Kritik sagt Kreis-Jugendamtsleiter Joachim Brill, die Erstellung des Berichts sei gemäß dem vom Kreistag beschlossenen Zeitplan für Mitte des Jahres vorgesehen. Brill: "Von daher existiert noch kein entsprechender Abschlussbericht. Den Mitgliedern des Kreistags wurde letztmals am 25. Juni 2015 durch das Institut ism über die zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Ergebnisse berichtet."

Die Kosten steigen, bestätigt der Amtsleiter. Die Zahl der Inobhutnahmen sei seit Einführung des Bundeskinderschutzgesetzes 2012 im Vergleich zu den Vorjahren stark angestiegen. Brill: "Sie pendelt im Landkreis Neunkirchen seitdem zwischen 80 und 100 Inobhutnahmen pro Jahr. Vorher waren es um die 50 bis 60."

Die Kosten für die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen richteten sich nach den landesweit gültigen Entgeltvereinbarungen der freien Träger der Jugendhilfe , führt er aus. Deren Tagessätze ergeben sich im Detail aus den zwischen Träger und Landesentgeltkommission ausgehandelten Sätzen, die je nach freiem Träger leicht variieren. Alleine schon Personalkosten mit entsprechenden Tarifsteigerungen sorgen für eine sukzessive Steigerung der Kosten . Eine Heimunterbringung könne zwischen 4000 und 5000 Euro kosten, so das Amt.

Meinung:
Deutschland ist ein reiches Land

Von SZ-Redakteur Michael Beer

Die Sozialausgaben des Kreises sind eine harte Nuss. Wenn die CDU auf den denkbaren finanziellen Kollaps der Kommunen hinweist, ist das völlig berechtigt. Es stimmt aber auch, wenn die Mehrheitsfraktionen im Kreistag betonen, der Kreishaushalt sei mehr oder minder alternativlos. Vielleicht ist in der Verwaltung die ein oder andere Stelle einzusparen, vielleicht lässt sich die Unterbringung eines Jugendlichen ein paar Euro billiger gestalten. An dem grundlegenden Finanzierungsproblem ändert das nichts. Was tun? Kopf in den Sand und Luft anhalten? Deutschland ist ein reiches Land. Der OECD-Sozialbericht sprach vergangenes Jahr von besonders ungleicher Vermögensverteilung im Vergleich zu anderen Industrienationen, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sieht sich häufenden Reichtum. Scharfmacher stehen schon bereit, das Meer der Unzufriedenen zum Tsunami zu formen. Will die Gesellschaft dies verhindern, muss der Reichtum wieder mehr dem Allgemeinwohl zugutekommen. Besonders in der Jugendhilfe .

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