Wie Frauen in die Falle Altersarmut tappen

Kreis Neunkirchen · Heike Neurohr-Kleer, Gleichstellungsbeauftragte im Kreis Neunkirchen, besucht Schulen, um über die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu reden. Und das ist weit mehr als ein philosophisches Thema.

 Wenn die heile Familienwelt zerbricht, sind die Frauen oft die Benachteiligten nach der Trennung vom Ehemann. Foto: Frank Leonhard/dpa

Wenn die heile Familienwelt zerbricht, sind die Frauen oft die Benachteiligten nach der Trennung vom Ehemann. Foto: Frank Leonhard/dpa

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Gleichberechtigung ist nicht nur die Frage danach, wer die dreckigen Teller in den Geschirrspüler räumt oder die Waschmaschine anmacht - es ist auch eine Frage, die die materiellen Grundlagen eines Menschen betrifft. Heike Neurohr-Kleer wird deshalb nicht müde, auf die "Gender-Frage" aufmerksam zu machen. Die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Neunkirchen versucht die harte Nuss unter anderem mit Besuchen an Schulen zu knacken und an zwei bis drei Vormittagen Neun- und Zehntklässlern das ein oder andere jenseits der biologischen Differenzierung klarzumachen. Das englische Wort Gender heißt im Deutschen Geschlecht. Allerdings nicht das biologische, sondern das soziokulturelle Geschlecht. Und da gilt es auch heute noch gegen Stereotypen - so sind Männer , so sind Frauen - anzukämpfen.

Die Bundesregierung, sagt Neurohr-Kleer, habe den ersten Gleichstellungsbericht 2011 veröffentlicht. In dem komme deutlich heraus, dass Frauen noch immer den größten Teil der Sorgearbeit leisteten. Neurohr-Kleer: "Damit stehen sie immer vor der Falle Altersarmut ." In den Schulen, die die Kreis-Mitarbeiterin besucht, erklärt sie das mit einem Beispiel: Michael und Michaela sind ein Ärzte-Ehepaar. Als das erste gemeinsame Kind auf die Welt kommt, reduziert Michaela im Job Stunden, arbeitet also Teilzeit. Dann kommt das zweite Kind auf die Welt. Michaela wechselt in einen Mini-Job, während ihr Mann Karriere macht - und irgendwann eine andere Frau kennenlernt. Das Paar trennt sich, als das zweite Kind zehn Jahre alt ist. Michaela muss plötzlich von ihrem Minijob leben, der zuvor Taschengeld war. Zurück in den Job, das ist nach den Betreuungsjahren kaum zu realisieren. Hartz IV winkt. Und auch in Sachen Rente sieht es für Michaela düster aus.

Das Wissen um die Altersarmut ist nicht sonderlich weit verbreitet, sagt Neurohr-Kleer. Wenn sich eine Frau für Kinder und Haushalt entscheide, sei ihr das unbenommen, aber sie sollte schon wissen, worauf sie sich einlässt. Im Übrigen könne ja auch der gut verdienende Part in einer Beziehung dem anderen eine Lebensversicherung abschließen.

"Junge Frauen sagen heute oft: Wofür braucht man euch Frauenbeauftragten? Das ärgert mich", nimmt Neurohr-Kleer kein Blatt vor den Mund. Sie würde gerne möglichst alle Schulen im Kreis besuchen und mit den jungen Leuten über Gender-Fragen diskutieren. Allerdings sind es bislang vorwiegend Gemeinschaftsschulen in Illingen, Ottweiler und Spiesen-Elversberg, die sie bereist. "Die Schulen tun sich teilweise schwer", sagt sie. Prüfungen, Praktikumswochen und anderes ließen nicht viel freie Zeit. Dabei sei die Gender-Frage doch so wichtig. Auch jenseits von dreckigen Tellern oder dreckiger Wäsche.

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