„Kinder erkranken immer früher an Diabetes“

Neunkirchen · An diesem Samstag können sich in der Neunkircher Klinik St. Josef Kohlhof Eltern und Kinder über Diabetes und das Leben damit informieren. SZ-Redakteurin Ute Klockner sprach vorab mit Chefarzt Dr. Ghiath Shamdeen.

Immer mehr Kinder bekommen Diabetes . Woran liegt das?

Shamdeen: Die Gesamtzahl der Kinder mit Diabetes ist zwar aktuell etwas höher, aber nicht massiv höher. Wir bemerken aber, dass Kinder immer früher erkranken. Früher war es so, dass Diabetes Typ 1 sich im Alter von zwölf oder 13 Jahren manifestiert hat. Mittlerweile haben wir sehr viele Kinder, die im Alter von einem oder zwei Jahren mit der Diagnose Diabetes mellitus zu uns kommen. Das ist eine neue Entwicklung. Warum, ist medizinisch leider noch nicht zu 100 Prozent beantwortet. Man vermutet, dass es irgendetwas mit unserem Lebensstil zu tun hat. Dieses Phänomen gibt es nicht nur bei uns in Deutschland, sondern wird praktisch in der gesamten westlichen Welt beobachtet. Man fragt sich, ob die Ernährung eine Rolle spielt und ob die immer häufiger vorkommenden Kaiserschnittentbindungen eine Rolle spielen.

Kann man Diabetes vorbeugen?

Shamdeen: Nein. Man muss unterscheiden zwischen zwei Formen von Diabetes : Typ 1 und Typ 2. Typ 2 kommt häufig im Erwachsenenalter und hier kann man vorbeugen. Typ 2 kommt häufiger, wenn wir Übergewicht haben, wenn wir unsere Ernährung vollkommen aus dem Ruder laufen lassen. Typ 1 ist nicht abhängig von der Ernährung, sondern ist eine Autoimmunreaktion. Das bedeutet, dass unser Immunsystem , das dafür verantwortlich ist, unseren Körper vor Bakterien und Keimen zu verteidigen, manchmal eine Art Fehlfunktion hat, und Antikörper produziert, die körpereigene Gewebe angreifen. Bei Diabetes mellitus Typ 1 produziert das Immunsystem Antikörper, die die Gewebe der Bauchspeicheldrüse angreifen, die Insulin produziert. Dadurch haben die Kinder nicht ausreichend Insulin, also das Hormon, das wir alle brauchen, um Zucker abzubauen.

Wie können Eltern merken, dass ihr Kind an Diabetes erkrankt ist? Was sind typische Warnsignale?

Shamdeen: Eltern sollten wachsam sein, wenn sie folgende drei Alarmsignale in Kombination bemerken: Das Kind trinkt viel zu viel, geht häufig auf die Toilette und verliert an Gewicht. Dann sollten sie mit dem Kind zum Kinderarzt gehen und den Blutzuckerspiegel kontrollieren lassen. Müdigkeit und Schlappheit können erschwerend hinzu kommen, sind aber kein alleiniges Symptom für Diabetes , sondern können unterschiedliche Ursachen haben. Hier sollte ebenfalls ein Arzt aufgesucht werden.

Wie gefährlich ist die Krankheit?

Shamdeen: Wenn Diabetes unerkannt bleibt, dann droht die Situation zu entgleiten und ein Kind ins Koma zu rutschen. Das ist eine lebensbedrohliche Situation, in der der Notarzt gerufen werden muss.

Wie schwer ist es, heute mit Diabetes zu leben?

Shamdeen: Diabetes ist leider nicht heilbar, aber Gott sei Dank haben wir viele Mittel, die helfen, ein normales Leben zu führen. Kinder und Eltern werden geschult und bekommen einen Pen oder eine Pumpe, mit der das Insulin in den Körper gespritzt wird. Sie müssen anhand dessen, was sie gegessen haben und wie viel sie sich bewegt haben, berechnen, wie viel Insulin nötig ist. Das klingt erst einmal kompliziert. Aber wir erleben immer wieder, dass es die Regel ist, dass die Kinder und Eltern das sehr gut beherrschen. Dadurch gelingt es den Kindern, dass sie alles essen dürfen und sich bewegen können und trotzdem normale Blutzuckerwerte haben. Regelmäßige Kontrollen beim Arzt bleiben aber notwendig.

Zum Thema:

Auf einen Blick Unter dem Motto "Diabetes mellitus - na und? Mach dich stark!" veranstalten der Landesverband Saarland des Deutschen Diabetikerbundes, das Diabetes Netzwerk Saarland und die Techniker Krankenkasse am Samstag, 10. September von 14 bis 18 Uhr den "12. Saarländischen Kinder und Jugenddiabetikertag". Veranstaltungsort ist die Marienhausklinik St. Josef Kohlhof in Neunkirchen (Klinikweg 1). An diesem Tag können sich Eltern und Kinder mit Typ-1-Diabetes über die Krankheit und ihre Auswirkungen auf den Alltag austauschen und informieren. Außerdem werden neue Behandlungsmethoden präsentiert. Im Saarland gibt es 370 Patienten mit Diabetes im Alter von 0 bis 20 Jahren. ukl

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort