Mit dem Rucksack quer durchs Land

Neunkirchen/Steinbach · Kein Essen, kein Trinken, dafür eine Angel, einen Schlafsack und eine Reiseapotheke. Das Gepäck von Extremsportler Sidney Dingert beschränkt sich auf das Nötigste. Schließlich muss er es bei seinem Fußmarsch von Wilhelmshaven bis auf die Zugspitze auf dem Rücken tragen.

 Die Ausrüstung sitzt: Sidney Dingert ist bereit für seinen morgen startenden Lauf durch Deutschland. Foto: Rolf Ruppenthal

Die Ausrüstung sitzt: Sidney Dingert ist bereit für seinen morgen startenden Lauf durch Deutschland. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Die Sportwettbewerbe Ironman und Dolomitenmann waren ihm nicht genug: Ab Samstag will der Steinbacher Extremsportler Sidney Dingert von Wilhelmshaven bis auf die Zugspitze laufen. Ohne Verpflegung im Gepäck, ohne Komfort. 900 Kilometer in 15 Tagen und drei Stunden gilt es zu schlagen - den Rekord von Steven Rau, der im vergangenen Jahr Joey Kelly (17 Tage und 23 Stunden) geschlagen hat. "Ich will über mehrere Tage hinweg gefordert sein, nicht wie sonst bei Eintagesveranstaltungen", erklärt Dingert seine Motivation: "Und etwas tun, bei dem ich allein auf mich selbst angewiesen bin."

Im Fall von Dingert bedeutet das, sich jeden Tag einen Schlafplatz und Nahrungsmittel wie Beeren, Kartoffeln, Wurzeln, Wildkräuter entlang des Weges zu suchen. Eine kleine Angel hat der 39-Jährige auch in seinem Rucksack. "Ich rechne nicht damit, jeden Tag zwei Forellen zu fangen. Aber ich habe mich gut vorbereitet, kenne mich auch mit pflanzlicher Notnahrung aus." Salz und Pfeffer hat er nicht dabei. "Auf Geschmack muss ich wohl für zwei Wochen verzichten." Wasser holt er sich aus Flüssen und Seen - und reinigt es in einem selbst gebauten Filter. Der 89-Kilo-Mann rechnet damit, etwa zehn Kilogramm an Gewicht zu verlieren. "Das könnte dann die neue Brigitte-Diät werden", scherzt Dingert, der als Ingenieur bei Eberspächer arbeitet.

Als Abschlusstraining ist er kürzlich von Neustadt/Weinstraße 68 Kilometer durch den Wald bis nach Landstuhl gelaufen, ohne zwischendurch etwas zu essen. "Das ging erstaunlich gut", so Dingert. Doch könne er jetzt noch nicht absehen, wie es ihm nach zehn Tagen gehe. "Das Wichtigste wird sein, mich am Anfang nicht selbst zu überschätzen, mich diszipliniert an mein Tagesziel und die Motivation hoch zu halten." Mit dem beschwerlichen Trip will er nicht nur sich selbst etwas beweisen. Er läuft für das Hilfsprojekt "Target" von Überlebenskünstler Rüdiger Nehberg , das sich für Mädchen in Afrika einsetzt, die von Genitalverstümmelung betroffen sind. Nehberg wird auch bei Dingerts Start in Wilhelmshaven als Unterstützer dabei sein.

Doch nicht alle sind so angetan von Dingerts Idee wie Nehberg. "Meine Frau macht das Ganze nur mit, weil sie weiß, dass es für einen guten Zweck ist und ich nur kalkulierbare Risiken eingehe", erzählt der Vater von zwei Kindern, zu dessen sportlichen Aktivitäten auch Gleitschirmfliegen zählt. "Wenn es nicht mehr geht, bin ich so vernünftig, die Reißleine zu ziehen." Schmerzen und Gefahren seien bei so einem Lauf jedoch nicht zu vermeiden. Respekt hat Dingert vor allem vor Zecken. Eine Zeckenzange habe er dabei, ebenso eine Reiseapotheke.

Zwei Wochen lang will er täglich 60 Kilometer in etwa zwölf Stunden zurücklegen - über Straßen, Feld- und Waldwege -, so nahe wie möglich an der Luftlinie zwischen Wilhelmshaven und der Zugspitze . Einen Tag Puffer hat er außerdem eingeplant, für den Aufstieg auf den höchsten Berg Deutschlands. Ein Bergführer wird ihn dabei begleiten, "denn nach 14 Tagen werde ich nicht mehr so taufrisch und froh über die Hilfe sein", so Dingert. Auf dem Gipfel erwarten ihn dann Familie und Freunde. Den restlichen Weg versucht Dingert Höhenmeter zu vermeiden und geht stattdessen lieber Umwege, wie etwa an den Ausläufern der Schwäbischen Alb. Freunde und Kollegen hätten angekündigt, ihn einen Tag begleiten zu wollen. "Die haben aber schon die Befürchtung geäußert, dass sie mich ausbremsen und vom Rekord abhalten könnten."

Den Rekord offiziell anerkennen zu lassen, sei schwierig, weil er dafür 24 Stunden am Tag überwacht werden müsste. Die Bestzeit zu knacken ist auch nicht seine Priorität. Sie sei mehr eine Planungsgröße gewesen, um den Streckenverlauf abzustecken. "Selbst wenn ich den Rekord nicht knacken sollte, was ich nicht hoffe, das Wichtigste ist Ankommen. Sofern ich nicht vom Verletzungspech verfolgt bin, laufe ich die Strecke zu Ende. Für die afrikanischen Mädchen. Und weil ich keiner bin, der aufgibt."

 Im Redaktionsgespräch erklärte der 39-Jährige, welche Strapazen ihn erwarten. Foto: Seeber

Im Redaktionsgespräch erklärte der 39-Jährige, welche Strapazen ihn erwarten. Foto: Seeber

Foto: Seeber

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Auf einen BlickUnsere Zeitung wird täglich mit Sidney Dingert in Verbindung bleiben und über seine aktuelle Position und den Verlauf seiner Etappen berichten. Wo genau sich Sidney Dingert gerade befindet, können Interessierte über eine Webseite verfolgen, die ab dem Start freigeschaltet wird. Die Daten werden alle zehn Minuten aktualisiert. Der Steinbacher freut sich über unterstützende Worte über Twitter . Folgen kann man ihm über "@sid-dingert".Das Spendenkonto von Target: Target e.V. Ruediger Nehberg; Geldinstitut: Sparkasse Holstein, BIC: NOLADE21HOL; IBAN: DE16213522400000050500. Kennwort: Deutschlandmarsch. Spenden sind auch online möglich:target-nehberg.de

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