Lebst du noch oder schmeckst du schon?

Neunkirchen · Nichts für schwache Nerven ist das Thriller-Musical „Sweeney Todd“, das in der Gebläsehalle gastiert. Die von Studenten gestemmte Produktion wurde bei der Premiere am Mittwoch mit Standing Ovations gefeiert.

 Anika Hoff, furios als Mrs. Lovett, und Titelheld Julien Hirschauer meisterten das anspruchsvolle Stück. Foto: Thomas Seeber

Anika Hoff, furios als Mrs. Lovett, und Titelheld Julien Hirschauer meisterten das anspruchsvolle Stück. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

. "Einer pro Tag reicht, ihr solltet euch nicht überanstrengen." Pastetenbäckerin Mrs. Lovett ist besorgt um das Wohl ihres nicht nur göttlich rasierenden, parfümierenden und frisierenden, sondern nebenbei auch effektiv mordenden und für frischen Fleischnachschub sorgenden Untermieters, eines gewissen Sweeney Todd. Der hieß früher anders. Damals, vor 15 Jahren, als er glücklich verheiratet und Vater einer kleinen Tochter war. Doch dem Barbier wurde alles genommen. Als zynischer, trauriger Antiheld kehrt er zurück, um so gründlich wie blutig Rache zu nehmen.

Er kann einem wirklich leid tun. In dem fast dreistündigen Musical hat Todd eigentlich nur einen glücklichen Moment: als er sein Rasiermesser, seinen "treuen Freund", zurück bekommt und jubiliert: "Endlich ist mein rechter Arm wieder vollständig." Mehr Grund zur Freude hatte das Premierenpublikum in der Gebläsehalle. Erlebte es doch eine überzeugende, nah am Original bleibende Inszenierung, der man das Mini-Budget zwar anmerkte, was aber den Spaß nicht merklich schmälerte. Dafür sorgten die fast durch die Bank überzeugenden Sänger und ein hervorragendes zwölfköpfiges Orchester, das unter Leitung von Heike Ehl den halsbrecherischen Dissonanzengalopp Stephen Sondheims meisterte.

Einfache Kost ist dieses Musical gewiss nicht. Sondheim selbst bezeichnet sein Werk als "tiefschwarze Operette". Am Broadway seit Ende der 1970er Jahre ein großer Erfolg wurde es bei uns durch die Verfilmung Tim Burtons 2007 mit Johnny Depp in der Hauptrolle populär. Der Reiz des Stücks, das mal bizarr brutal, mal komisch daher kommt, liegt in der abwechslungsreichen Partitur. So reicht die Musik von chorischem Bänkelsang und verzerrten Anleihen an die katholische Liturgie über raffinierte Klangeffekte bis hin zu glutvollen Balladen.

Mit viel Sympathie verfolgten die Zuschauer die tragische Geschichte, die sich in einem minimalistischen, im Wesentlichen aus Gerüst und Straßenlaterne bestehenden Bühnenbild entwickelte. Immer wieder schickte Regisseur Tim Ganter sein Ensemble in den Saal, wo es mit Spiellust mal die Insassen der Irrenanstalt, mal am Stand flanierende Bürger mimte. Wirklich Überraschendes ereignete sich indes nicht, ein wenig mehr Kreativität und Unvorhersehbarkeit hätten dem Abend mehr Würze verliehen.

Am Schluss gab es stehend Applaus, keine Zugabe, aber jede Menge zufriedene Gäste, die der Studentenproduktion durchweg Respekt zollten. "Man merkt, da steckt viel Herzblut und Freizeit drin", lobte Sarah Chagri, die in Mainz studiert. Vor allem Maximilian Millen als Tobi habe sie gesanglich überzeugt. Und natürlich Julien Hirschauer als Todd: "Seine Stimme erinnert mich an Johnny Depp." Eine positive Überraschung sei die deutsche Übersetzung: "Die ist nicht so holprig, wie ich befürchtet hatte." - "Es war toll", schwärmte auch Markus Mayer aus Homburg, der ein Fan des Films ist, "schön umgesetzt von den jungen Leuten". "Man merkt, da ist viel Potenzial hinten dran", ergänzte Begleiterin Désirée Helfenstein. "Es wirkt alles sehr professionell."

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Auf einen BlickRegie/Produktionsleitung: Tim Ganter, Regieassistenz/Dramaturgie: Jenny Theobald, Musikalische Leitung: Heike Ehl, Darsteller: Julien Hirschauer (Sweeny Todd), Anika Hoff (Mrs. Lovett), Sandro Mariotti (Anthony Hope), Lukas Löw (Richter Turpin), Bianca Basler (Johanna), Matthias Schaufler (Büttel ), Sophia Buhl (Bettlerin), Tom Nothof (Pirelli), Maximilian Millen (Tobias). Gelegenheit, das Stück zu sehen, besteht nur noch am Freitag und Samstag, 20. und 21. Juni, um 19.30 Uhr. nig

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