„In zweieinhalb Minuten verlor ich meine Eltern“

Wadern · Zeitzeugen der Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges haben die Graf-Anton-Schule in Wadern und das Schengen-Lyzeum in Perl besucht. In Wadern berichtete eine Überlebende des Holocaust von ihrem Schicksal, in Perl ein ehemaliger Wehrmachtssoldat.

 Aufmerksame Zuhörer fand Werner Abel in den Achtklässlern des Schengen-Lyzeums bei seiner Lesung vor wenigen Tagen Foto: Dillschneider

Aufmerksame Zuhörer fand Werner Abel in den Achtklässlern des Schengen-Lyzeums bei seiner Lesung vor wenigen Tagen Foto: Dillschneider

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"In nur zweieinhalb Minuten verlor ich meine Eltern . Zuerst wurde mein Vater erschossen. Das Letzte, was er sagte, war, dass ich weglaufen sollte. Dann schrie meine Mutter, und ich hörte Schüsse. Dann war es still, und ich rannte so schnell ich konnte in den Wald." Dies war nur die Spitze dessen, was Henriette Kretz Schülern der Waderner Graf-Anton-Schule berichtete.

Henriette Kretz ist heute 80 Jahre alt. Sie wurde als Tochter eines Arztes geboren. Die Familie war jüdischen Glaubens. Obwohl die Religion in der Familie nicht wichtig war, war sie Anlass zur Verfolgung. Henriette Kretz erzählt den Schülern der Abschlussklassen sowie den Geschichtslehrern, wie sie den Einmarsch der deutschen Truppen und die folgenden Jahre der Besatzung in Polen er- und überlebte. Als sechsjähriges Kind wurde Kretz mit ihren Eltern im Ghetto untergebracht. Mit etwa acht Jahren wurde sie von Soldaten der Wehrmacht verhaftet. In einer dunklen Gefängniszelle erlebte sie, wie man sich fühlt, bevor es zur Deportation weiterging. Sie hatte jedoch das Glück, dass sich die Wachmannschaften von ihrem Vater hatten bestechen lassen, wodurch Henriette Kretz wieder ins Ghetto kam. Dort angekommen, flüchtete sie mit ihren Eltern zu einem befreundeten Ehepaar.

Henriette Kretz erzählte, dass sie in einer Sommernacht 1943 von der Wehrmacht entdeckt wurden. Zwei Soldaten kamen auf den Dachboden und forderten die Familie auf, ihnen zu folgen. Vor dem Haus wurden dann die Eltern erschossen. Henriette Kretz entkam und fand nach einigen Tagen Unterschlupf in einem Kinderheim. 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges lautet ihre Botschaft an die Schüler : "Hass, Ausgrenzung und Vorurteile sind das Übel. Sie sind der böse Geist in der Welt, den es immer noch gibt. Ihr habt es nun als junge Menschen in der Hand, dafür zu sorgen, dass dieser böse Geist nie wieder hierher zurückkehrt und dass er in der Welt zurückgedrängt wird."

"Der Krieg ist etwas Schreckliches. Ich hab immer Angst, dass die jüngere Generation, die selbst keinen Krieg erlebt hat, mal in den Krieg zieht." So schilderte Werner Abel, ehemaliger Schulleiter an den Kaufmännischen Berufsbildungszentren in Saarbrücken und Völklingen den Schülern der achten Klassen des Schengen-Lyzeums in Perl von seinen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg. Der heute 89-Jährige hat seine Kriegserlebnisse hinter der Ostfront und in russischer Gefangenschaft in dem Buch "Spasibo Iwan - Danke Soldat" festgehalten. Er las den Achtklässlern Passagen daraus vor und führte sie so in eine heute kaum mehr verständliche Welt. Sichtlich berührt erzählte der Veteran von Altruismus, Vergebung, Toleranz, Frieden und Hunger: "Der Frieden ist keine Selbstverständlichkeit. Ich habe im Gegensatz zu der jungen Generation den Krieg erleben müssen. Schon deshalb bin ich emotional für Europa, das uns Jahrzehnte Frieden gebracht hat." Einige Schüler begleiteten den Autor noch in die Schülerbibliothek des Schengen-Lyzeums und setzten sich weiter mit jener Zeit auseinander.

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