Mit 40 noch mal ein Neuanfang

Lockweiler · Lange Jahre schlug sich Thomas Hartwich mit Gelegenheitsjobs durch. Ein fehlender Schulabschluss verhinderte eine qualifizierte Ausbildung. Das hat der Familienvater jetzt beides geschafft – und arbeitet als Fachlagerist fest bei ThyssenKrupp.

 Thomas Hartwich überwacht an seinem Arbeitsplatz eine Maschine zum Metallschneiden. Foto: Reusch

Thomas Hartwich überwacht an seinem Arbeitsplatz eine Maschine zum Metallschneiden. Foto: Reusch

Foto: Reusch

Endlich ein Dach über dem Kopf. Früher hat er beim Straßenbau gearbeitet, bei Wind und Wetter. War Matrose, wochenlang auf dem Schiff, hat deshalb die ersten Schritte seines Sohnes verpasst. Von Job zu Job gehangelt, zwischendurch immer mal stempeln gegangen. Und heute? Reguläre Arbeitszeiten, von 6 bis 14 Uhr, in einer Werkhalle, im Sommer kühl, im Winter warm. Und das Beste: mit abgeschlossener Ausbildung. Im Alter von 40 Jahren hat Thomas Hartwich in diesem Frühjahr seinen ersten Berufsabschluss erlangt. Eigentlich sogar seinen ersten Abschluss überhaupt, denn die Schule hatte er früh geschmissen. Hartwich und Schule, das funktionierte einfach nicht. Irgendwann ging auch der Glaube verloren, dass er eine Ausbildung überhaupt schaffen könnte. Dass es dann doch noch mit dem Abschluss als Fachlagerist klappte, und das im reifen Erwachsenen-Alter, hat viel mit Mut zu tun. Und mit der Hilfe von seiner Firma und von der Arbeitsagentur.

Hartwich arbeitete mehrere Jahre als Leiharbeiter bei ThyssenKrupp System Engineering in Lockweiler . Irgendwann wagte er es, nach einem festen Arbeitsverhältnis zu fragen. Als Leiharbeiter kann man schließlich schnell auf der Straße stehen, und mit drei Kindern braucht man Sicherheit. Auch für den Betriebsrat stand fest: Hartwich arbeitete schon so lange für die Firma, dass er keinen kurzfristigen Bedarf mehr erfüllte, sondern eine Planstelle besetzte. Er sollte also nicht mehr als Leiharbeiter, sondern als fester Angestellter dort tätig sein. Das Problem: Um eine feste Stelle zu bekommen, brauchte er eine Ausbildung. Die Lösung war so simpel wie kompliziert: eine Ausbildung.

"Da musste ich erst einmal schlucken", sagt Hartwich. Würde er das schaffen? Die Schule bestehen, nach so langer Zeit? Von den finanziellen Fragen nicht zu schweigen. Denn mit rund 900 Euro würde Hartwich als Auszubildender wesentlich weniger verdienen als zuvor als Leiharbeiter. Eine Familie ernähren ließ sich damit nicht. Die Geldsorgen zumindest konnte die Agentur für Arbeit zerstreuen. Im Rahmen des Programms "Initiative zur Flankierung des Strukturwandels" (IFlaS) förderte sie die Ausbildung, indem sie Harwich zusätzlich zu seinem Azubi-Gehalt Arbeitslosengeld zahlte und seine Fahrtkosten erstattete.

Die Rahmenbedingungen waren also geschaffen. Nun lag alles in Hartwichs Hand, er allein konnte über sein Schicksal entscheiden. Klar, dass er sich da selbst großen Druck machte. "Man will ja auch Vorbild sein für seine Kinder", sagt er, dessen ältester Sohn selbst eine Lehre zum Altenpfleger macht. Also drückte er wieder die Schulbank, war in seiner Klasse natürlich der Älteste. "Da hat mich der Lehrer auch schon mal gebeten, ein bisschen mit für Ruhe zu sorgen", erzählt er, der Klassen-Papa.

Leicht fiel ihm die Schule freilich nicht. Englisch zum Beispiel funktionierte gar nicht, da stand er auf 5. Beim Büffeln half aber die Firma, ein Kollege aus der Personalabteilung setzte sich nach Feierabend zusammen mit Hartwich hin. Sie konzentrierten sich auf die Hauptfächer, lernten "auf Lücke". Ohne die Nachhilfe, ist sich Hartwich sicher, hätte er den Abschluss wohl nicht geschafft. Jetzt hat Hartwich eine feste, unbefristete Stelle. Schmeißt praktisch alleine das Stahl-Lager bei ThyssenKrupp, eine verantwortungsvolle Aufgabe. Und zeigt: Es ist nie zu spät.

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stichwortMit dem Programm IflaS will die Agentur für Arbeit einem Fachkräftemangel frühzeitig vorbeugen. Geringqualifizierte und Berufsrückkehrer können die Förderung in Anspruch nehmen, um eine Ausbildung beziehungsweise eine Umschulung zu absolvieren. Die Ausbildungszeit wird dann verkürzt und zuzüglich zum Gehalt erhält der Geförderte Arbeitslosengeld .Das gleiche Ziel verfolgt das Programm WeGebAU (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen). Dabei wird die Weiterbildung ungelernter Arbeitnehmer sowie Beschäftigter in kleinen und mittleren Unternehmen bezuschusst.lre

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