„Ein Bürgermeister muss immer greifbar sein“
Wie hat sich Wadern im Laufe der letzten 16 Jahre verändert - was gab es an Positivem, was an Negativem?Fredi Dewald: Was Wadern als Behörden-Standort angeht, gab es Licht und Schatten: Kurz nach meinem Amtsantritt ist die Außenstelle des Katasteramtes hier geschlossen worden, auch das Forstamt haben wir verloren.
Aber es ist uns gelungen, die Zweigstelle des Amtsgerichtes hier zu halten. Es gibt nach wie vor die Polizei-Inspektion in Wadern, ebenso sind die Bundesagentur für Arbeit und das Jobcenter hier vertreten. Und es gibt weiterhin die Zweigstelle der Kfz-Zulassungsstelle hier im Rathaus. Unterm Strich bin ich, was den Behörden-Standort anbelangt, recht zufrieden.
Und abgesehen von den Behördenstruktur?
Dewald: Auch die Entwicklung des Wirtschafts-Standortes Wadern war mir wichtig. Ich wollte die Einkaufsvielfalt steigern. Das ist uns gelungen durch die Ansiedlung zusätzlicher Discounter, die heutzutage in jeder attraktiven Einkaufsstadt vorhanden sein müssen. Durch die Erschließung des ersten Bauabschnittes vom Gewerbepark hier in Nähe der Stadtmitte und die Ansiedlung verschiedener Firmen dort ist ebenfalls etwas erreicht worden für den Wirtschafts-Standort. Für die Innenstadtentwicklung von besonderer Wichtigkeit war die Sanierung der Stadtmitte: In diesem Jahr wurde der Bereich Poststraße, Unterstraße und An der Kirche fertiggestellt. Vor einigen Jahren bereits haben wir einen Teilbereich in der Unterstraße neu gestaltet.
Wichtig war mir auch die Weiterentwicklung der touristischen Bemühungen unserer Stadt. Wir sind hier ebenfalls vorangekommen, etwa durch die Sanierung der Hochwaldalm und der Burgruine Dagstuhl . Der Noswendeler See mit seinem Naherholungs- und Freizeitzentrum ist sehr beliebt, getragen von Vereinen. Die Wanderwege, die angelegt wurden, tragen ebenfalls dazu bei.
Gibt es einen Wunsch, den Sie in Sachen Tourismus noch hegen?
Dewald: Die Gastronomie in Wadern hat sich gut entwickelt. Und wir haben mittlerweile ein Hotel mitten im Stadtkern. Mein Wunsch wäre, dass sich diese positive Entwicklung fortsetzt und dass wir sowohl von den innerörtlichen Aktivitäten wie von den touristischen Anziehungspunkten am Bostalsee und am Losheimer Stausee profitieren können.
Welche Ziele, die Sie sich zu Beginn Ihrer Amtszeit gesteckt hatten, haben Sie aus heutiger Sicht erreicht?
Dewald: Ein zentrales Anliegen von mir war von Beginn an, die Stadt Wadern als Bildungs- und Mittelzentrum im Hochwald zu erhalten. Das ist nicht einfach, aber es ist uns bis heute gelungen. Dazu gehört auch die Attraktivität des Bildungsstandortes: Ich bin froh, dass das Hochwald-Gymnasium, die Graf-Anton-Schule und das Berufsbildungszentrum sehr eng miteinander arbeiten und dass die Stadt alle positiven Dinge zu bieten hat, die ein Mittelzentrum ausmacht. Auch das ist ein Wunsch von mir: dass es Wadern wiederum schafft, seinen Status als Mittelzentrum zu erhalten. Diese Diskussion wird spätestens 2016, wenn der jetzt gültige Landesentwicklungsplan Siedlung ausläuft, wieder auf die Agenda kommen.
Wie war die Zusammenarbeit mit dem Rat und der Verwaltung?
Dewald: Als ich mein Amt am 1. November 1998 antrat, hatte ich bis zur nächsten Kommunalwahl im Sommer 1999 eine Mehrheit aus SPD und Freien Wählern im Rat. Ab dann freilich habe ich mich bis heute anderen Mehrheitsverhältnissen gegenübergesehen. Man kann sich in einer solchen Situation in den Schmollwinkel zurückziehen. Oder man muss sich klar machen: Die Ziele, die du dir gesteckt hast, erreichst du nur in Kooperation mit dem Entscheidungsträger, nämlich dem Stadtrat.
Also war für mich oberstes Gebot, eine vernünftige Basis zu finden mit den Mehrheiten, die mir gegenübersaßen. Darum habe ich mich auch bemüht, auch wenn das von meiner Partei nicht immer mit Wohlwollen betrachtet worden ist. Dennoch kann ich sagen, dass es mir gelungen ist, in diesen 16 Jahren ein vernünftiges Miteinander zwischen dem Bürgermeister und der Verwaltung auf der einen und dem Rat auf der anderen Seite hinzubekommen. Die Abstimmungsergebnisse zeigen das auch. Es gab kaum einmal große Reibereien. Das erfordert schon diplomatisches Geschick auf der einen Seite. Die andere muss die ausgestreckte Hand annehmen, was sie auch tat. Diese Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg funktioniert gut.
Was waren für Sie die schönsten Erlebnisse Ihrer Amtszeit?
Dewald: Es war immer wieder schön für mich, zu erfahren, dass die Bürger in Wadern mich nicht nur als Amtsträger, sondern auch als Mensch akzeptiert haben und Wert auf die Anwesenheit ihres Bürgermeisters gelegt haben. Momente wie die Einweihung der sanierten Hochwaldalm oder die Freigabe der Burgruine Dagstuhl nach der Restaurierung haben mich nicht nur mit Stolz, sondern auch mit Genugtuung erfüllt.
Und die unschönen Momente?
Dewald: Die gab es auch: Einige schlaflose Nächte haben mich die Sorgen um den Erhalt des Saargummi-Werkes in Büschfeld gekostet, als der Betrieb Ende 2010 Insolvenz angemeldet hatte. Weil man erkennen musste, man hat keinen direkten Einfluss auf die Ereignisse, sondern kann nur im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten indirekt Unterstützung leisten.
Keine schöne Geschichte war auch die Diskussion um das Blockheizkraft bei der Firma Homanit 2004. Da waren wir vielleicht etwas blauäugig an die Sache herangegangen und mussten nachher erkennen, dass das so einfach in der Bevölkerung nicht durchzusetzen ist. Ich gebe unumwunden zu, dass das auch für mich ein schmerzlicher Lernprozess war. Auch die Nordumfahrung Merzig, ein gemeinsames Ziel des Landkreises und der Städte und Kommunen, wäre für uns ein Riesenvorteil gewesen. Jetzt müssen Alternativen ausgearbeitet werden. Uns bleiben immerhin die neuen Kreisel in Nunkirchen , in Dagstuhl und am Hochwald-Gymnasium.
Hat sich das Amt eines Bürgermeisters in den vergangenen 16 Jahren verändert? Was muss ein Bürgermeister heute anders machen als früher?
Dewald: Mit der Urwahl ist ein Bürgermeister auch verpflichtet, Bürgernähe im Besonderen zu leben. Denn ein Bürgermeister will in der Regel gewählt werden, und das wissen auch die Leute. Ein Bürgermeister muss immer greifbar sein, der Bürger darf und muss ihn jederzeit und überall ansprechen können.
Bürgernähe ist das eine, aber eine gewisse Sachkompetenz braucht es auch. Wie kann sich ein neuer Bürgermeister die aneignen?
Dewald: Es schadet dem Amt nicht, wenn kommunalpolitische Erfahrung als Rüstzeug für diesen Posten vorhanden ist. Der Bürgermeister muss auf dem Laufenden bleiben, muss Kontakt halten zu den anderen Städten und Gemeinden, zur Landkreis- und Landesebene. Man darf nicht warten, bis einer vorbeikommt, sondern Dinge in die Hand nehmen. Ich war 14 Jahre Ortsvorsteher von Steinberg und 14 Jahre im Waderner Stadtrat. Mein Nachfolger Jochen Kuttler war zehn Jahre Ortsvorsteher von Nunkirchen , dem größten Ortsteil der Stadt. Auch hat er fünf Jahre Erfahrungen im Stadtrat gesammelt. In bestimmten Bereichen ist es wichtig und ratsam, dass man sich auch Kompetenz von außen nimmt, wie wir es beispielsweise bei der Windenergie taten. Das ist solch ein komplexes Thema, dass wir einen Rechtsanwalt beauftragt hatten. Wir haben im Rathaus keinen eigenen Juristen.
Wenn Sie die Zeit um 17 Jahre zurückdrehen könnten, würden Sie sich wieder zur Wahl stellen?
Dewald: Ich würde es heute wieder so tun. Zwar habe ich in meiner ersten Amtsperiode Momente erlebe, in denen ich für mich gedacht habe: War das richtig, dass du diesen Schritt gegangen bist? Ich habe dafür immerhin nach 32 Jahren der Sparkasse Ade gesagt, wo ich immer an vorderster Front eingesetzt war, unter anderem auch in Nunkirchen . Aber wenn ich nun am Ende der 16 Jahre einen Strich drunter ziehe, überwiegt doch das Positive.
Was bezeichnen Sie als Ihren größten Fehler?
Dewald: Meine Launen, die ich vielleicht manches Mal zu sehr nach außen gekehrt habe, ob bei Mitarbeitern im Rathaus oder gegenüber Externen.
Wird Wadern auch in zehn Jahren noch eigenständig sein?
Dewald: Mit ihren rund 16 500
Einwohnern wird die Stadt eigenständig bleiben. Gemeinden dieser Größenordnung werden ihre Selbstständigkeit erhalten können. Ein Fragezeichen setze ich dagegen bei Kommunen mit 6000 Einwohnern plus minus ein bisschen. Nicht desto trotz muss auch bei uns die interkommunale Zusammenarbeit verstärkt werden - auch wenn das ein steiniger Weg ist. Ob das auf freiwilligem Wege erreicht werden kann, da habe ich doch aktuell meine Zweifel.
Was halten sie von der Zusammenlegung von Landkreisen oder anderen Strukturreformen, über die jetzt diskutiert wird?
Dewald: Mit der Zusammenlegung von Landkreisen würde ein Stück Bürgernähe verloren gehen. Ich bin kein Anhänger dieser Idee. Die Wege für die Bürger müssen immer noch erträglich bleiben. Es kann doch nicht sein, dass ein Steinberger - vor allem bei den Angeboten, die der öffentliche Nahverkehr vorhält - nach Saarlouis fahren muss, um auf dem Landratsamt etwas zu erledigen. Die Landkreise sollen erhalten bleiben. Nicht alles, was dort an Aufgaben zentriert ist, kann so ohne weiteres auf die Gemeinden übertragen werden. Wichtige Aufgaben können zentriert werden, aber sehr, sehr vorsichtig. Die Leute müssen dann auch erkennen, dass durch eine Neustrukturierung auch wirklich etwas eingespart wird.
Kann die schon jetzt praktizierte Zusammenarbeit der Hochwaldkommunen, zum Beispiel im Bereich Wasserversorgung oder Tourismus, ein Modell sein für künftige Strukturveränderungen?
Dewald: Das ist eine denkbare Variante, dass es in Zukunft ein Verwaltungszentrum gibt, in dem alle wesentlichen Aufgaben zusammengefasst sind, während in verschiedenen Außenstellen die für die Bürger essenziellen Dinge erledigt werden können. Innerhalb eines solchen Modells könnte man es auch fertig bringen, die Verwaltung vor Ort, in die Stadt- und Ortsteile hinein zu bringen, zum Beispiel indem man dort einmal im Monat präsent ist. Ich sehe da durchaus Möglichkeiten.
Wie sehen Sie die Zukunft des Krankenhausstandortes in Wadern?
Dewald: Es wird gewiss zu Veränderungen kommen. Es laufen Gespräche zwischen den Krankenhausträgern und der Landesregierung mit Blick auf den neuen Krankenhausplan. Ich sehe auch ein, dass die Vielzahl an Standorten, wie wir sie im Moment haben, möglicherweise auf Dauer nicht zu halten ist. Wenn eine Reform kommt, sollten die Verantwortlichen aber darauf achten, dass nicht irgendwo ein Leerstand entsteht. Ich sehe die Zukunft für den Standort Wadern relativ optimistisch. Wenn man zum Beispiel an einen Neubau an zentraler Stelle denkt, bietet Wadern viele Vorteile: Der Altbau ist zu integrieren. Zudem gibt es an dem Standort noch Flächen und bietet mehr Möglichkeiten, sich zu entwickeln. Zudem liegt das Krankenhaus sehr zentral und in großer Nähe zur Autobahn.
Was geben Sie Ihrem Nachfolger Jochen Kuttler mit auf den Weg?
Dewald: Er soll seine Entscheidungskraft, seine Leutseligkeit und seine Geradlinigkeit beibehalten und sich diese von anderen nicht madig machen lassen. Und er sollte an die Worte des chinesischen Philosophen Laotse denken: "Wahre Worte sind nicht immer schön, und schöne Worte sind nicht immer wahr."
Freuen Sie sich auf Ihren Ruhestand?
Dewald: Seit der Stichwahl Ende Mai freue ich mich auf ein mehr selbst bestimmtes Leben.
Was werden Sie dann unternehmen?
Dewald: Ich werde mich dem Gesang in meinem Männerchor widmen, werde intensiver an den Proben und den Konzerten teilnehmen. In meiner Zeit als Bürgermeister musste ich mich wegen Terminen oft entschuldigen. Ich werde das schöne Fahrrad, das ich zu meinen 50. Geburtstag geschenkt bekam, mal wieder hervorkramen, um zu Touren durch den Hochwald zu starten. Ich will mich in einem Fitness-Studio zu einem Kurs in Senioren-Fitness anmelden. Und da sind noch die Familie, das Haus, der Garten. Die Arbeiten dafür muss ich dann nicht mehr auf Samstag verlegen.
Werden Sie sich komplett aus der Kommunalpolitik zurückziehen?
Dewald: Ja. 30 Jahre Kommunalpolitik sind genug.
Was wünschen Sie Ihrer Stadt für die kommenden zehn Jahre?
Dewald: Ich wünsche mir, dass die Zahl der Bevölkerung nicht so schrumpft, wie es im Augenblick angenommen wird. Ich wünsche mir, dass die guten Vereinsstrukturen intakt bleiben und dass die Stadt noch mehr zusammenwächst. Es wäre schön, wenn sich ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl herausbildet. Natürlich ist die Stadt, die 1974 durch die Gebietsreform entstanden ist, ein künstliches Gebilde. Doch es wäre zu wünschen, dass sich die Menschen aus allen Ortsteilen mehr mit "ihrer" Kommune und dem Kernort Wadern als deren Zentrum identifizieren.