Die Frau mit dem Wein-Oscar

Perl · Sommeliers sind die jüngsten Stars der Gastro-Szene. Und wer bei der Falstaff-Weintrophy siegt, gilt als Oscar-Preisträger. Nina Mann (28) hat das im Frühjahr 2016 geschafft und brachte die Auszeichnung mit ins Saarland, ins Drei-Sterne-Restaurant „Victor's Fine Dining by Christian Bau“ in Nennig.

 Aus der Bier-Region im bayerischen Oberfranken in die Welt des Rieslings an die Mosel: Für Nina Mann „der Himmel“ auf Erden.

Aus der Bier-Region im bayerischen Oberfranken in die Welt des Rieslings an die Mosel: Für Nina Mann „der Himmel“ auf Erden.

Foto: Rich Serra

Der Riesling ist an allem Schuld. Die Begeisterung für diese Rebsorte gab den allerletzten Ausschlag, damit Nina Mann (28) im März in Stuttgart ihre Sachen packte, um sich an die "Königsdisziplin" zu wagen, den Job als Chefsommelier in einem Drei-Sterne-Lokal. Dass es sich dabei um Christian Baus "Victor's Fine Dining" auf Schloss Berg handelte, das berühmt ist für die perfekte Aromen-Symbiose zwischen regionalen Weinen und asiatischem Kochstil, das darf man schicksalhaft nennen. Denn jetzt lebt Nina Mann im Riesling-Top-Anbaugebiet an der Mosel.

"Es ist der Himmel, es ist mein ganz persönliches Glück", sagt sie während unseres Treffens auf Schloss Berg. Und man hört die Seelen-Luftsprünge mit. Ähnliches wiederholt sich auch bei der Verabschiedung. Es ist später Freitagnachmittag, und Nina Mann spricht den Satz "Das Wochenende steht vor der Tür!" so aus, als ginge es um Weihnachten. Ihre Vorfreude gilt jedoch keineswegs einer Powerpackung Freizeit - sondern den Gästen: "Am Wochenende sind alle entspannt." Das beflügele die Atmosphäre und sie in ihrem Tun.

Für Letzteres hält Nina Mann keine flotten Sprüche bereit wie viele ihrer Kollegen, die neuen coolen Performer der Genusswelt, nach denen sich die Spitzenrestaurants die Finger lecken. Deren Berufsbeschreibung lautet etwa so: Türen aufhalten, hauptsächlich Wasser nachschenken, lockere Geschichten rund um Weingüter auftischen.

Nicht wenige der neuen Weinspezialisten hüpfen von Messe zu Event , von Consulting zu Blogging. Das ist nichts für Nina Mann, die dem "Hype" mit viel Distanz begegnet - und manche Absage austeilt. Viele Kollegen seien nur noch mit dem "Cruisen" und der Selbstvermarktung beschäftigt, meint sie. Und bedauert, dass sich in der Außenwahrnehmung das Berufsbild auf die reine Weinberatung verenge - dabei gehe es um die komplette Getränke-Palette, etwa auch um Wasser und Kaffee. Oder in Nina Manns Fall auch um Sake und Reiswein.

Der Job im japanischen Ein-Sterne-Restaurant Nagaya in Düsseldorf öffnete ihr die Sinne und den Weg in die Fortbildung nach London. Kurz darauf offerierte ihr ein Headhunter den Sprung ins Chefsommelier-Fach (Zirbelstube, Stuttgart). Dass sie ihr Sake-Spezialwissen nun auch auf Schloss Berg einbringen kann, bestätigt sie in ihrer Grundhaltung: "Es gibt nichts, was es sich nicht zu wissen lohnt. Man hat immer einen Grund, sich zu informieren."

Wie lautet ihr Beratungskonzept? Nur nicht über Aromen einsteigen! Denn fruchtig, ledrig, schokoladig, das seien individuelle, instabile Kategorien. Nina Mann fragt nach bevorzugten Rebsorten und Anbaugebieten, lässt Probeschlückchen kommen, tastet sich vorsichtig vor. Und eine Überraschungs-Weinbegleitung, auch die eigene, empfiehlt sie nur, wenn sie den Gast bereits kennt beziehungsweise der Gast ihren, Nina Manns, Geschmack.

Der ist übrigens kaum deckungsgleich mit den sogenannten Parker-Punkte-Weinen: zu alkoholreich und cremig, laut und fett, meint sie. Nina Mann bevorzugt das Filigrane und zugleich Ausdrucksstarke, erzählt begeistert über gerade erst von ihr entdeckte Muscats und Gewürztraminer aus dem Elsass, etwa die der Domaine Zind-Humbrecht in Turckheim.

Und wie sieht das Privatleben aus? Sie ist ledig und fährt gern heim, nach Oberfranken, auf den Bauernhof ihrer Familie. Freunden nimmt sie deren Favoriten mit: Kabinettslagen von Moselweinen mit Restsüße - missionarisch tätig ist sie weder bei Gästen noch privat. Auch im Saarland lebt sie auf dem Land, im Minidorf Tetting. Die Grenznähe fasziniert sie, dass sie mal gerade so nach Remich rüber kann, um Croissants oder Crevetten zu kaufen.

Wissbegier hat sie zu Bau gebracht. Das Mädchen aus dem Bierland Bayern kannte einst nur je "einen Weißen, einen Rosé oder einen Roten". Namen, Lagen, Terroir, das waren Leerstellen auf den Karten, auch während ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau im "Hotel Meerfräulein" in Wermding. Terrassenbeschickung und Hochzeitsbankette gehörten bis 2011 mit zum Alltag.

Doch wie schafft man dann den Quantensprung in die Upperupperclass der Gourmetwelt? Final umgelegt wurde der Schalter im Hotel Kronenschlösschen in Hattenheim, ihrer ersten Ein-Sterne-Station, dank eines strengen Lehrmeisters. Er bestand darauf, dass seine junge Mitarbeiterin alle Fragen, die sie tagsüber einem Gast nicht beantworten konnte, noch nachts, nach der Schicht, lesend aufarbeitete: Wo wächst ein Sauvignon Jaune?

Bis heute kann sie sich vergraben in Bodenkunde und Mikroklima. Und freut sich über fordernde, anspruchsvolle Gäste, wie sie sie jetzt bei Christian Bau trifft. Bei ihrer Sommelier-Ausbildung, die sie aus eigenen Ersparnissen finanzierte, hörte sie: "Du musst großgroßgroß trinken, um Qualität zu erkennen." Jetzt trifft sie Menschen, die sich das leisten können und Jahrgänge kennen, die schon nicht mehr auf dem Markt sind: "Ich lerne unheimlich viel von ihnen." Das nennt man dann wohl eine Ideal-Konstellation.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort