„Restaurant ist unser drittes Kind“

Perl-Nennig · Christian Bau zählt zur Weltelite, er ist einer von zehn Drei-Sterne-Köchen in Deutschland und kocht in Victor's Fine Dining in Perl-Nennig (Schloss Berg). Warum, das hat viel mit Dankbarkeit zu tun.

 Ein moderner Typ: Sternekoch Christian Bau mit Ehefrau Yildiz und den beiden Töchtern. Foto: R. Serra

Ein moderner Typ: Sternekoch Christian Bau mit Ehefrau Yildiz und den beiden Töchtern. Foto: R. Serra

Foto: R. Serra

Räumen wir gleich mal mit Vorurteilen auf. Drei-Sterne-Essen ist unverschämt teuer? "Das ist relativ", meint Christian Bau (45). Seit elf Jahren hält er seinen dritten Stern im "Victor's Fine Dining" auf Schloss Berg. Dort kosten vier Gänge 148 Euro. Doch davor gibt's vielfache Amuse-Gueules, und auch nach dem Dessert "grüßt" der Koch mit mehreren Delikatessen aus der Küche. So gesehen, sagt der Küchenchef, esse man in Sterne-Restaurants günstiger als beim Italiener. Zweite These: In Drei-Sterne-Restaurants diktiere der Chef, was der Gast zu essen habe: unkorrigierbare Endlos-Speisefolgen. Unsinn, sagt Bau. Menüs seien nur Vorschläge, er reagiere auf Wünsche und serviere keineswegs immer ein ganzes Menü: "Wir nennen uns ganz bewusst Gast-Haus." Und es heißt, Bau sei introviert? Mitnichten. Denn er redet gern frei von der Leber weg, schildert sich als impulsiven Menschen. Tatsächlich ist viel Emotion im Spiel, nicht nur, wenn Bau eine Lanze bricht für die hohe Kochkunst, ein seiner Meinung nach gefährdetes Kulturgut. "Wir haben in Deutschland keine Lobby", sagt er. Andere Nationen, etwa die Dänen, zahlten staatliche Subventionen für Sterne-Restaurants. Hierzulande müsse man doch froh sein, wenn sich Unternehmer wie Hartmut Ostermann (Chef der Victor's Unternehmensgruppe) engagierten. Stattdessen müsse er, Bau, sich anhören, sein Restaurant werde "gesponsert": "Diese Missgunst muss man sich erst mal verdienen."

Der Weg in den Olymp war familiär nicht vorgezeichnet. Bau berichtet von seiner Entwurzelung als Scheidungskind, einer durch Umzüge geprägten Kindheit im Schwarzwald. Das "ehrliche Kochen" der Großmutter, die den ganzen Tag in der Küche verbrachte, machte der Junge, der kein Tüftler war, zu seinem Handwerk. Die Passion für die Nouvelle Cuisine weckte Gutbert Fallert in der Talmühle/Sasbachwalden. "Er sagte, investier dein Geld nicht in Uhren oder Autos, sondern geh essen." Also begab sich der 19-jährige Bau zusammen mit seiner Freundin Yildiz, die heute seine Service-Chefin ist, auf Bildungs-Tour zwischen Illhäusern und Baiersbronn. Die Begegnung mit Eckart Witzigmann in dessen legendärer Münchner "Aubergine" wurde zum elektrisierenden Schlüsselerlebnis: "Noch nie zuvor hatte ich eine solche Aura eines Kochs gesehen."

Bis heute verschmelzen beim Ehepaar Bau Beruf und Familie, Hobby und Pflicht: "Wir haben alles, wirklich alles, dem Beruf untergeordnet", so Bau. Die Töchter seien bereits mit drei Jahren in Paris bei Alain Ducasse zwischen den Töpfen herumgerannt. Heute reisen die Baus zu viert zu internationalen Koch-Events oder nach Antwerpen, ins Sternelokal "The Jane". Dorthin, wo die Trendpost abgeht, wo es leger und innovativ zugeht. Die ältere Tochter hat bereits Feuer gefangen, macht eine Ausbildung im Hotel Schloss Berg. Die Familie wohnt einen Steinwurf weit entfernt im Minidorf Besch. Bau sagt: "Ich lebe im Wir. Ich möchte meine Liebsten immer um mich haben."
Eine Krise mit Happy End

Das "Fine Dining" bezeichnet er als sein "drittes Kind". Undenkbar, dass er es aufgibt? Ganz undenkbar nicht. 2005 durchlebte Bau eine Krise. Seit ihm Hartmut Ostermann 1998 das "Victor's Gourmet Restaurant Schloss Berg" anvertraut hatte, erfüllte er alle Erwartungen, erkochte sich in rasanten zwei Jahren zwei Sterne, wurde im Alter von 34 Jahren Deutschlands jüngster Drei-Sterne-Star - mit hochartifizieller französischer Küche in elegant-steifem Rahmen. "Doch irgendwann wusste ich: Das bin nicht ich." Bau sah sich als "Grüßaugust mit schwarzen Lackschühchen. Ich wollte weltoffener werden". Bau stellte 2007 sein Konzept um, entwickelte einen puristisch-raffinierten, japanisch ausgerichteten Stil. Heute tragen die Kellner im "Fine Dining" keine Krawatten mehr, die Tischdecken sind verschwunden, und die Musik strömt direkt von Baus I-Pad ins Lokal.

Man muss Baus Wurzeln kennen, um diese Emanzipationsleistung zu ermessen. Bau trainierte Haute-Cuisine-Akrobatik bei Harald Wohlfahrt in der "Schwarzwaldstube" (Traube-Tonbach). "Man sprang auf einen ICE auf", erinnert er sich. Erst nach Monaten durfte er einen Probeteller kreieren: Pfifferlingtortellini mit Kalbsbries und Gemüse. Die Woche drauf stand das Gericht im Menü. Ähnlich biografiebestimmend erlebte Bau das Vertrauen Ostermanns. Der überließ dem damals 26-Jährigen Newcomer Bau das Herzstück auf Schloss Berg. Und ließ ihm auch 2007 die Entwicklungsfreiheit, als der Stil-Cut erfolgte. "Ich bin wegen Herrn Ostermann hier und ich bleibe wegen ihm hier", sagt Bau. Dankbarkeit, eine Drei-Sterne-Tugend.

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