Auf Augenhöhe mit Baumkronen

Orscholz · Weit über 3000 Neugierige haben am Samstag und Sonntag den neuen Baumwipfelpfad in Orscholz in Besitz genommen. Das hat Standortleiterin Carina Becker auf SZ-Anfrage mitgeteilt. Sie spricht von einer tollen Resonanz der Besucher in den ersten beiden Tagen.

 Neue Aussicht auf die Saarschleife aus 42 Metern Höhe. Fotos: Rolf Ruppenthal

Neue Aussicht auf die Saarschleife aus 42 Metern Höhe. Fotos: Rolf Ruppenthal

Völlig durchnässt suchen Susanne Grittmann und Christian Weis Schutz unter dem Dach des Ticket-Häuschens. Doch aufgeben wollen die Saarlouiserin und ihr Begleiter aus Saarbrücken nicht. Mit stoischer Ruhe warten beide, bis der Platzregen aufgehört hat, um erneut die Tour auf dem neuen Baumwipfelpfad zu starten. Anders die syrischen Familien, die mit ihren Kindern die 1200 Meter lange Strecke erkunden wollen. Das tropfnasse T-Shirt geht Sami derart gegen den Strich, dass er Wonneproppen die Nerven verliert. Dicke Tränen kullern dem Dreijährigen über das Gesicht.

Geld zurück

Er beruhigt sich erst, als Mama Rama Alsarad ihm ein trockenes Hemdchen überzieht. Sie passen, kriegen ihr Geld zurück - ein Grund, wieder zu kommen, wie sie sagen. Dagegen haben Berthold Disteldorf und seine Enkelinnen Lea und Ronja Glück. Kaum haben der Orscholzer und die beiden Neunjährigen ihre Tickets in der Hand, geht der Nieselregen in einen herzhaften Guss über. Folge: Die Tour wird vertagt - auf einen Tag in den Ferien.

Lob für kulantes Personal

Eines gesteht der bekennende Kritiker des 42 Meter hohen Aussichtsturmes ein: "Das Personal ist sehr kulant. Unsere Tickets behalten Gültigkeit für das nächste Mal." Der Parkplatz wäre für ihn der geeignete Standort für den Turm gewesen, nicht die Stelle über über der Cloef-Schutzhütte. "Da hätte man die gleiche Aussicht gehabt", meint der Orscholzer - eine Auffassung, die viele Gegner des Projektes teilen. "Es wirkt auf mich wie ein Holzmonster, das vom Schiff aus wie ein überdimensionales Parkhaus aussieht", beschwert sich ein Tourist nach einer Tour auf der Saar - Ansichten, der Standortleiterin Carina Becker vehement widerspricht. Disteldorf lenkt ein, will sich eines Besseren belehren lassen. Über die völlig neue Perspektive auf das saarländische Wahrzeichen und die Natur weit darüber hinaus, wie die Verantwortlichen der Erlebnis-Akademie aus Bad Kötzting werben, will sich Disteldorf nach seinem Bekunden ein Bild machen, wenn er mit dem schnuckeligen Zwillingspärchen den Pfad erkundet.

Derweil hat der Regen nachgelassen. Rainer Reimsbach, zuständig für Pfad-Informationen, macht sich wieder auf den Weg. "Nur bei Gewitter und Sturm ist der Pfad nicht begehbar."

Wie oft der Mondorfer am Premierentag die rund 1200 Metler lange Strecke abgegangen ist, vermag er nur zu schätzen: "Zehn, zwölf Mal bestimmt." Seine Arbeit als Lüftungsbauer hat er nach seinen Worten für den Job in freier Natur an den Nagel gehängt. "Jetzt arbeite ich da, wo andere Urlaub machen", strahlt er. Seine Aufgabe: Fragen beantworten, den Mischwald und die Stationen erläutern sowie bei kleineren Blessuren den Nothelfer spielen.

Hoch über dem Waldboden

 Mitarbeiter Rainer Reimsbach auf dem Aufsichtsturm.

Mitarbeiter Rainer Reimsbach auf dem Aufsichtsturm.

 Spaß auf einer der Erlebnisstationen.

Spaß auf einer der Erlebnisstationen.

Derweil ist Martina Wintrisch ganz vertieft in die Infotafel. "Ich kenne diesen Pfad aus dem Bayerischen Wald", verrät die Saarbrückerin. Jetzt auch direkt vor der Haustür in unberührter Natur spazieren zu gehen und neue Perspektiven zu erleben - ein Erlebnis, das sie sich nach ihren Worten nicht entgehen lassen will. "Allein der Weg über dem Waldboden ist sehenswert." Das Schönste komme noch - das Panorama, das sich ihr vom Aussichtsturm biete. Während Touristen , einzeln oder in Gruppen, auf dem Weg zur Cloef-Schutzhütte schlendern, genießen drei Touristen aus Russland die Route in Augenhöhe der Baumkronen. "Nein, so etwas gibt es in unserem Land nicht", gestehen sie. Noch hängen Nebelschwaden in den Wäldern, doch der Regen hat sich verzogen. Es herrscht wieder Betrieb am Ticket-Häuschen. "In den ersten zwei Stunden nach der Eröffnung haben wir über 30 Jahreskarten verkauft", freut sich Carina Becker. Die Resonanz des ersten Tages nennt sie "sehr erfreulich". Der Sonntag setzt noch einen drauf - mit sommerlichen Temperaturen, ohne Nass von oben. So machen sich Rollstuhlfahrer, Senioren mit Rollator, Familien mit Kindern und Kinderwagen auf den Weg. Und Carina Becker registriert weit über 3000 Besucher an den ersten beiden Tagen.

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