Riesen-Interesse am Schlagabtausch der Kandidaten

Orscholz · Für ihre Aktion gegen Rechts am Rande des Kandidatenpodiums trotzten Antifa, Jusos, Mitglieder der Jungen Union und die Linksjugend dem unaufhörlichen Regen an diesem Abend. Mit Broschüren und Infomaterial machten sie vor dem Cloef-Atrium gegen die NPD und Peter Richter, der als Einzelbewerber für das Bürgermeisteramt in Mettlach antritt, mobil. "Nach dem Richter kommt der Henker", hatte die Antifa ihr Flugblatt überschrieben. Auch Jusos und Linksjugend informierten über den "parteilosen Kandidaten" mit Flyern. Zudem verteilten sie Broschüren, die Tipps enthielten, "gemeinsam Nazis" zu stoppen. Die JUler verteilten einen Artikel des Rechtsexperten Dr. Marc Brandstetter. Der Titel: "Gegen die moderne Gesellschaft - das Parteiprogramm der NPD ". "Es war toll, dass wir an einem Strang gezogen haben und gemeinsam gegen Rechts demonstriert haben",waren sich die vier Organisationen einig. Am 19. Juni wählen die Bürger von Mettlach ihren neuen Bürgermeister. Sechs Männer bewerben sich um die Nachfolge des zurückgetretenen SPD-Verwaltungschefs Carsten Wiemann . Wiemann war über seine Verwicklung in die Immobilien-Affäre um das ehemalige Hotel-Restaurant Auf Kappelt gestolpert. Am Mittwoch stellten sich vier der sechs Bewerber im Orscholzer Cloef-Atrium beim Wahlpodium von Saarbrücker Zeitung und Saarländischem Rundfunk den Fragen von SZ-Redakteur Wolf Porz und seinem SR-Pendant Thomas Gerber: Joachim Badelt, Kandidat der Freien Bürger Mettlach; Daniel Kiefer, der für die SPD antritt; Peter Richter, der als Einzelbewerber ins Rennen geht und der rechtsextremen NPD angehört; Christian Schmitt, der Kandidat der CDU . Zwei weitere Einzelbewerber fehlten: Christian Kopytko war kurzfristig erkrankt, Joachim Leinen nahm an der Podiumsdiskussion nicht teil (Kurzportäts zu den Kandidaten siehe unten).

 Am Mittwoch beantworteten vier der sechs Bürgermeister-Bewerber im Cloef-Atrium beim Wahlpodium von SZ und SR Fragen der Moderatoren Wolf Porz und Thomas Gerber sowie des Publikums. Fotos: Ruppenthal

Am Mittwoch beantworteten vier der sechs Bürgermeister-Bewerber im Cloef-Atrium beim Wahlpodium von SZ und SR Fragen der Moderatoren Wolf Porz und Thomas Gerber sowie des Publikums. Fotos: Ruppenthal

Dass die Wahl in Mettlach auf Grund ihrer besonderen Umstände alles andere als gewöhnlich werden wird, zeigte auch die Podiumsdiskussion im Cloef-Atrium: Die Resonanz der Mettlacher Bürger war gewaltig, mit rund 700 Besuchern platzte der Saal des Atriums aus allen Nähten. Viele Besucher mussten den Schlagabtausch der Kandidaten im Stehen verfolgen. Bei der Podiumsdiskussion sollte es nicht nur darum gehen, "die unrühmliche Vergangenheit aufzuarbeiten, sondern auch in die Zukunft zu schauen", hatte es SR-Moderator Thomas Gerber eingangs formuliert. Und wenn auch die Affäre um das heute als Flüchtlings genutzte frühere Hotel-Restaurant in Saarhözbach breiten Raum in der Diskussion einnahm, so ging es doch auch um andere Themen.

Tourismus als wichtiges Thema

Um den Tourismus beispielsweise, und dabei insbesondere um ein Projekt, an dessen Verwirklichung aktuell intensiv gearbeitet wird: den Baumwipfelpfad oberhalb der Cloef mit dem umstrittenen, rund 40 Meter hohen Aussichtsturm. Joachim Badelt hatte mit seiner Ratsfraktion von der Freien Bürgern Mettlach dem Vorhaben von Anbeginn an kritisch gegenübergestanden, und auf dem Kandidatenpodium erläuterte er auch, warum: "Wenn Bürgermeister und Verwaltung lieber 2,3 Millionen ausgeben für einen Aussichtstturm und Parkplätze, wo soll da noch Geld bleiben für eine funktionierende Infrastruktur?" Im Gemeinderat werde seit Jahren um die Instandsetzung jedes einzelnen Buswarte-Häuschens gekämpft, stets mit dem Argument, dass es an finanziellen Mitteln fehle. "Für bestimmte Dinge ist aber stets Geld da", befand Badelt. Nach seiner Überzeugung stellt die Gemeinde zudem der Erlebnis-Akademie aus Bayern, dem Betreiber des Baumwipfelpfades, die geplanten Büroräume im Cloef-Atrium für eine zu geringe Miete zur Verfügung. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Gemeinde über ihre Tourismus-Gesellschaft Saarschleifen-Touristik das Gebäude dafür noch für rund eine halbe Million Euro umbauen lasse.

Auch CDU-Mann Christian Schmitt bekannte, dass er den Turm zwiespältig sehe. "Zum einen tut mir der damit verbundene Verlust des Märchenparks, zu dem ich eine enge familiäre Beziehung hatte, heute noch weh." Zum anderen traue er den Prognosen nicht so recht, wonach Baumwipfelpfad und Turm tatsächlich 200 000 Besucher im Jahr anziehen sollen. Auch sei ihm bewusst, dass die Cloef "das Heiligtum von Orscholz " sei. Dass der Aussichtstturm, der hoch über die Bäume dort hinausragen wird, dieses Heiligtum verschandeln werde, diese Ansicht teilte Schmitt nicht: "Von der Optik her ist der Turm vertretbar, auch wenn er eine Veränderung in der Landschaft darstellt." Skeptisch hinsichtlich der prognostizierten Besucherzahlen äußerte sich auch Peter Richter: "Ich habe meine Zweifel, ob wirklich so viele Touristen kommen." Der Baumwipfelpfad sei "ja nicht so wahnsinnig originell". Richter äußerte, nach seiner Überzeugung hätte die Gemeinde vor der Verabschiedung des Projektes die Bürger fragen sollen, was diese eigentlich wollen. Außerdem sehe er in der bisherigen Planung auch nicht den notwendigen weiteren Ausbau der touristischen Infrastruktur berücksichtigt.

Er stehe uneingeschränkt hinter dem Projekt, bekräftigte hingegen SPD-Bewerber Daniel Kiefer. "Ich halte das Projekt für vertretbar und denke, dass die Besucherzahlen, die da im Raum stehen, realistisch sind." Orscholz sei auf eine höhere Verweildauer der Cloef-Besucher angewiesen. "Das können wir mit diesem Projekt erreichen." Daher sei es auch gerechtfertigt, die umliegende Infrastruktur wie die Parkflächen rund um die Cloef auf Kosten der Gemeinde auszubauen.

Hochverschuldete Gemeinde

Ein weiteres Thema, das breiten Raum einnahm, war die prekäre Finanzsituation der Gemeinde. "Wie kann Mettlach als hochverschuldete Gemeinde sparen?", diese Frage kam aus dem Publikum an die Kandidaten. Christian Schmitt befand: "Man müsste den Personal- und Sachkostenbereich kritisch unter die Lupe nehmen." Der Personalbestand in der Verwaltung sei binnen 15 Jahren um gut zehn Prozent gestiegen. Hier sehe er noch Luft, um Einsparungen umzusetzen, sagte der CDU-Kandidat, zum Beispiel indem nicht mehr jede frei werdende Stelle besetzt werde.

Dies wiederum hielt Peter Richter für den falschen Weg: "Wenn man eine effizientere und bürgernahe Verwaltung fordert, ist es der falsche Weg, Personalkosten zu sparen." Er sprach sich dafür aus, die Kommunikationswege für die Bürger zur Verwaltung zu erleichtern, unter anderem durch die Nutzung neuer digitaler Techniken. Auch für SPD-Kandidat Daniel Kiefer sind bei der Verwaltung keine weiteren Einsparungen mehr machbar. "Die Verwaltung ist ja bereits von sieben auf jetzt drei Fachbereiche zusammengeschrumpft." Für ihn ist der Ausbau der interkommunalen Zusammenarbeit der geeignete Weg, um Ausgaben für die Gemeinde einzusparen. Joachim Badelt unterstrich: "Wir sparen nicht an den Menschen und an den sozialen Dingen." Man könne eine Gemeinde nicht betreiben wie ein auf Optimierung ausgelegtes Unternehmen. "Das geht nicht und das soll auch nicht so sein." Er sprach sich dafür aus, mehr Einnahmen für die Gemeindekasse zu generieren, indem mehr mittelständische Unternehmen in Mettlach angesiedelt werden können und indem dort ein attraktives Lebensumfeld für junge Familien geschaffen werde.

Den Wegzug verhindern

Wie können in der Gemeinde auch in Zukunft attraktive Arbeitsplätze geschaffen werden, die einen Wegzug von jungen, qualifizierten Bürgern verhindern helfen? Joachim Badelt äußerte auf diese Frage hin, dass man bei der Diskussion zu diesem Thema nicht nur an die großen Orte Mettlach und Orscholz denken dürfe, sondern auch die kleineren Ortsteile im Blick behalten müsse. In Zusammenhang mit diesem Thema sei das Projekt Mettlach 2.0, also der Umbau der Alten Abtei zu einem Handels- und Dienstleistungszentrum "eine gute Sache, wenn es so kommt, wie es uns vorgestellt worden ist". SPD-Bewerber Daniel Kiefer sprach sich dafür aus, weitere Ansiedlungen im Gewerbegebiet Danzemer Gewann in Orscholz voranzutreiben. Außerdem dürfe es nicht nur darum gehen, mittelständische Unternehmen in die Gemeinde zu bringen. Auch die Kaufkraft müsse an die Gemeinde gebunden werden. Hierfür sei das Projekt Mettlach 2.0 geeignet, weil es zu einem Zuwachs an Verkaufsfläche führe. Allerdings müsse die geplante Anbindung an die Fußgängerzone auch tatsächlich geschafft werden. Christian Schmitt gab zu bedenken, dass Villeroy & Boch durch den Umbau der Alten Abtei zwar 3000 Quadratmeter zusätzlicher Verkaufsfläche schaffe, aber nur rund zehn Prozent davon für externe Anbieter zur Verfügung stellen wolle. "Das ist mit deutlich zu wenig", bekannte der CDU-Kandidat, der das Vorhaben als "zu kurz gefasst" beurteilte. Für Schmitt liegt das wirtschaftliche Schwergewicht der Gemeinde eindeutig in Orscholz : "Wir haben hier einen heilklimatischen Luftkurort und eine brummende Kurklinik". Um das herum gebe es ein großes Potenzial für neue Ansiedlungen und zukunftsträchtige Wirtschaftszweige. Peter Richter betonte, er könne das Projekt Mettlach 2.0 "nur voll und ganz unterstützen". Auch aus optischen Gründen sei die geplante Umgestaltung des Mettlacher Ortskernes "dringend notwendig". Allerdings dürfe sich die Gemeinde nicht allein auf ein Outlet-Center in Mettlach konzentrieren, sondern müsse auch auf die Versorgung der Ortsteile achten.
Vier der sechs Bewerber für das Amt des Bürgermeisters der Gemeinde Mettlach stellten sich am Mittwoch im Cloef-Atrium den Fragen der Öffentlichkeit. Die Bürgermeisterwahl in Mettlach findet am Sonntag, 19. Juni, statt.
Zum Thema:

Daniel Kiefer Geboren am 12. September 1980, studierte Betriebswirtschaft . Er arbeitete als Betriebsverkaufsleiter und SB-Warenhausleiter, seit Dezember 2012 arbeitet er als Expansionsleiter für einen Markendiscounter. Seit 18 Jahren ist er in der SPD . Seit 2004 engagiert er sich im Ortsrat und ist derzeit stellvertretender Ortsvorsteher. Er ist im Lions Club Merzig, Chef des Musikvereins Orscholz sowie Mitglied vieler Vereine. mst
Christian Schmitt Geboren am 28. April 1971 in Wadern, ist er seit 21 Jahren verheiratet und hat drei Kinder (18, 16 und acht Jahre). Der Landesbeamte arbeitet im Wirtschaftsministerium und ist dort für Projekte im Bereich der Organisationsentwicklung und des Fördermittelcontrollings zuständig. Seit 18 Jahren ist er bereits CDU-Mitglied, seit 2003 sitzt er im Vorstand des Orscholzer Ortsverbandes. red

 Das Besucher-Interesse im Cloef-Atrium war gewaltig. Gut 700 Gäste wollten bei der Fragerunde mit dabei sein.

Das Besucher-Interesse im Cloef-Atrium war gewaltig. Gut 700 Gäste wollten bei der Fragerunde mit dabei sein.

Joachim Badelt Am 28. September 1954 in München geboren, absolvierte 1970 eine Banklehre. 1974 erwarb er die Fachschulreife für Betriebswirtschaft. Dem BWL-Studium folgten ein Studium der Politologie, Philosophie und Psychologie in München, ab 1982 Politologie in Berlin. Seine Promotion erfolgte im Mai 1993 mit "magna cum laude". Seit 2000 ist er Leiter der Volkshochschule Lebach. red

Joachim Leinen Geboren 1957, betreibt eine Versicherungsagentur in Orscholz. Er tritt als unabhängiger Einzelbewerber an. Leinen nennt als sein größtes Hobby den Fußball, dem er sich aber mangels Zeit selbst nicht mehr widmen kann. Allerdings hat er sich als zeitweiliger erster Vorsitzender des heimischen Fußballclubs SC Viktoria Orscholz ehrenamtlich für seinen Lieblingssport engagiert. red

Peter Richter Am 11. Oktober 1985 in St. Ingbert geboren. Er bestand sein erstes juristisches Staatsexamen an der Univerität des Saarlandes mit sehr gut. Nach der zweiten Staatsprüfung folgten verschiedene Praktika, unter anderem bei der NPD-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Nach einem Jahr als Sitzungsvertreter bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken machte er sich 2012 als Rechtsanwalt selbstständig. red

Christian Kopytko In Merzig am 27. Dezember 1965 geboren. Der Familienvater, der in Mettlach lebt, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Nach dem Fachabitur im Bereich der Elektrotechnik leistete seinen Wehrdienst bei der Luftwaffe abWährend des Studiums der Elektrotechnik bewarb er sich bei der Polizei . 1989 wurde er Polizeianwärter. Heute ist er Dienstgruppenleiter bei der Polizeinspektion Merzig. red

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