Trotz Wiemann-Erklärung viele offene Fragen

Mettlach · Carsten Wiemann geht zunächst einmal auf Tauchstation: „Ich bitte, von weiteren Fragen und Interviews zunächst abzusehen, da ich eine Beurteilung der Sachverhalte durch die Kommunalaufsicht abwarten möchte“, teilte der Mettlacher SPD-Bürgermeister am Ende seiner Erklärung mit, in der er am Dienstag die zeitweilige Beteiligung seiner Ehefrau an der Immobilienfirma Grüner Kreis Immobilien (GKI) einräumte. Die GKI steht im Zentrum der Affäre um die Anmietung der alten Schule „Auf Kappelt“ in Saarhölzbach durch die Gemeinde Mettlach. Dabei gäbe es Fragen genug zu der Verstrickung des Rathauschefs in die Vorgänge, wie allein der Blick in die Chronologie der Ereignisse deutlich macht. Die SZ fasst die wichtigsten Daten nochmals zusammen und zeigt auf, welche Ungereimtheiten und offenen Fragen auch nach der Erklärung des Rathauschefs bestehen bleiben.

 Carsten Wiemann Foto: Robby Lorenz

Carsten Wiemann Foto: Robby Lorenz

Foto: Robby Lorenz



Am Montag, 5. Oktober 2015, gründet der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Mettlacher Gemeinderat, Markus Rausch, die Firma GKI in Berlin. Als erster Firmensitz wird Stresemannstraße 23 (eine Briefkastenfirma) eingetragen, Rausch ist zunächst alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer in Personalunion.

Wenige Tage darauf, am 9. oder 10. Oktober, trifft sich der damalige Besitzer des Gasthauses "Auf Kappelt", Sascha Jacobs, mit dem Mettlacher Bürgermeister Carsten Wiemann im Hotel Saarpark in Mettlach . Jacobs legt dem Rathauschef ein Angebot zur Anmietung des Gebäudes zu folgenden Konditionen vor: 4900 Euro monatliche Kaltmiete, dazu kämen monatliche Kosten von 900 Euro für Hausmeister und Putzfrau, zusammen also 5800 Euro - Unterhaltungskosten nicht eingerechnet. Die Laufzeit des Mietvertrages soll sechs Jahre betragen.

Am Dienstag, 13. Oktober, stellt Wiemann das Mietangebot von Jacobs dem Hauptausschuss der Gemeinde in nichtöffentlicher Sitzung vor - obwohl dies nicht notwendig wäre, als Verwaltungschef hätte er die Befugnis, über solche Auftragsangelegenheiten wie die Beschaffung von Wohnraum für Flüchtlinge in eigener Verantwortung zu entscheiden. Wiemann begründet die Beratung im Ausschuss damit, dass die Konditionen des Jacobs-Angebotes über den marktüblichen Bedingungen gelegen hätten und er sich die Rückendeckung des Ausschusses für eine Entscheidung über das Angebot habe holen wollen. Der Ausschuss beschließt einstimmig (also auch mit der Stimme von Markus Rausch), das Angebot nicht anzunehmen: Sowohl die Höhe der geforderten Miete als auch die Laufzeit des Mietvertrages erscheinen dem Gremium als zu hoch, ferner äußern mehrere Ausschussmitglieder Bedenken wegen des Standortes und der Tatsache, dass dort an zentraler Stelle im Ort eine Art Sammelunterkunft entstehen solle. In der Ausschusssitzung wird von Seiten der Verwaltung mitgeteilt, dass auf der Basis des vorliegenden Verkehrsgutachtens für das Gebäude eine monatliche Kaltmiete von 3900 Euro als vertretbar und üblich erachtet werde. In der Sitzung erklärt SPD-Fraktionschef Markus Rausch laut Protokoll: "Die Laufzeit betreffend, halte seine Fraktion einen Zeitraum von vier bis fünf Jahren für vertretbar, jedoch nicht länger." Im Protokoll zur Ausschussitzung wird zudem eine maximale Laufzeit solcher Mietvereinbarungen von vier Jahren als "grundsätzliche Zielsetzung" bezeichnet.

Einen Tag nach der Sitzung teilt Bürgermeister Wiemann am Mittwoch, 14. Oktober, in einer Mail an Sascha Jacobs mit: "Die Entscheidung lautet so, dass ich Ihr Angebot zurzeit nicht wahrnehmen kann. Mietzins, Mietdauer und Standort fanden keine Zustimmung."

Drei Tage nach der Ausschussitzung, am Freitag, 16. Oktober, findet beim Amtsgericht Merzig die Zwangsversteigerung des Objektes "Auf Kappelt" statt. Die von Markus Rausch gegründete GKI ist bei diesem ersten Versteigerungstermin der einzige Bieter - und bekommt für 210 000 Euro den Zuschlag. Ein vom Gericht bestellter Gutachter hatte vor der Versteigerung für das Gebäude einen Verkehrswert von rund 330 000 Euro ermittelt. Noch am gleichen Tag bietet Markus Rausch als juristischer Vertreter der Gesellschaft GKI der Gemeinde Mettlach in einem Fax das von seiner Firma erworbene Haus zur Anmietung an: In einem Schreiben an das Ordnungsamt fragt er an, "ob die Gemeinde Mettlach grundsätzliches Interesse an der Anmietung des Objektes zeigt zur Unterbringung von Flüchtlingen".

Am Ende seines Schreibens kommt der Hinweis: "Wir teilen gleichzeitig mit, dass der Unterzeichner diesbezüglich auch Gespräche mit der Stadt Merzig wie auch der Stadt Saarlouis aufgenommen hat."

An eben diesem Freitag, 16. Oktober, hat Bürgermeister Wiemann seinen letzten Arbeitstag vor einem mehrwöchigen Urlaub. Dieser Urlaub dauerte nach SZ-Informationen drei Wochen, Wiemann wäre demnach ab 9. November wieder im Dienst gewesen. Auf seine Anweisung hin hatten Mitarbeiter des Bauamtes der Gemeinde auch an dem Zwangsversteigerungstermin teilgenommen, dies gibt er später im Interview mit der SZ zu Protokoll. Weiter hatte Wiemann in diesem Interview erklärt: "Erst am Tag der Zwangsversteigerung habe ich auch Kenntnis davon erlangt, dass die Grüner Kreis Immobilien das Objekt ersteigert hat." Von dem Mietangebot der GKI habe er erst nach seinem Jahresurlaub erfahren, hatte Wiemann weiter erklärt.

Am Donnerstag, 12. November, gibt es nach Darstellung von SPD-Fraktionschef und GKI-Gründer Markus Rausch gegenüber der SZ einen Termin mit der Gemeinde Mettlach , bei dem es um die angebotene Anmietung des von ihm erworbenen Gebäudes gegangen sei. An diesem Tag ist laut Rausch "eine Absichtserklärung der Gemeinde zur grundsätzlichen Anmietung von Kappelt schriftlich fixiert worden".

Am Freitag, 13. November, also einen Tag darauf, wird im Handelsregister eine bedeutsame Änderung in der Gesellschafterstruktur der Gesellschaft GKI notariell fixiert. Statt Markus Rausch werden dort nun drei neue Gesellschafter eingetragen: Karin Rausch-Buchna, die Ehefrau des Firmengründers, zudem Hans-Georg Stritter, Ex-Landtagsabgeordneter aus Mettlach , und Iris Wiemann-Enkler, die Ehefrau von Bürgermeister Carsten Wiemann . Inwiefern dieser Umstand zu der Aussage des Bürgermeisters im SZ-Interview passt, dass er vom Anmietungsangebot der Firma GKI erst nach seinem Urlaub erfahren habe, ist ungeklärt. Zumal Wiemann auf Nachfrage der SZ, ob er vorher auf informellem Wege über die Absicht von Markus Rausch, die GKI zu gründen und das Gebäude "Auf Kappelt" zu erwerben, ausweichend geantwortet hatte: "Informell hört sich nach Gemauschel an - was ich zurückweise."

Am Dienstag, 17. November, informiert Bürgermeister Wiemann den Ortsrat Saarhölzbach in nichtöffentlicher Sitzung, dass die Gemeinde das Gebäude der alten Schule "Auf Kappelt" zur Unterbringung von Flüchtlingen nutzen werde. Laut Protokoll der Sitzung erklärt der Rathauschef an diesem Abend, dass die Gemeinde bereits den Mietvertrag mit dem neuen Eigentümer (der Firma GKI) geschlossen habe. Allerdings wird dieser Vertrag tatsächlich erst am 10. Dezember formell unterzeichnet. Als Kaltmiete werden darin nach SZ-Informationen 3900 Euro monatlich vereinbart, was exakt der im Ausschuss besprochenen Miethöhe entsprechen würde. Die Laufzeit beträgt fünf Jahre. Aus Sicht von Markus Rausch indes lag mit der angeblich am 12. November getroffenen Absichtserkärung "ein gewisser Vertrauenstatbestand, jedoch noch kein ausgehandelter Vertrag schriftlich vor, auf den sich ein Dritter hätte berufen können". Für Rausch war die Aussage des Bürgermeisters in der Ortsratssitzung zwar juristisch nicht korrekt, "jedoch auch im Hinblick auf den geschaffenen Vertrauenstatbestand nicht falsch".

Dieser 17. November ist noch in anderer Hinsicht bedeutsam: Nach Aussage von Carsten Wiemann in seiner Erklärung vom Dienstag habe er "mit diesen Fachfragen befasste Mitarbeiter" der Verwaltung an diesem Tage darüber informiert, dass seine Frau sich aus der Gesellschaft GKI zurückziehen werde.

Nach Darstellung des Bürgermeisters ist seine Frau am Freitag, 4. Dezember, notariell als Gesellschafterin bei GKI ausgeschieden. Im Handelsregister wird diese Veränderung allerdings erst für einen späteren Zeitpunkt festgehalten: Laut Handelsregisterauszug vom Montag, 4. Januar 2016, sind dort "nach Geschäftsanteilsabtretung" nun folgende Gesellschafter aufgelistet: Karin Rausch-Buchna, die die Hälfte des Unternehmens-Stammkapitals hält, sowie die beiden Kinder von Hans-Georg Stritter, die sich die andere Hälfte teilen. Stritter selbst ist kein Gesellschafter mehr, fungiert aber weiterhin als Geschäftsführer der GKI. Unklar bleibt, wie diese zeitliche Diskrepanz zwischen den Angaben von Bürgermeister Wiemann zum Ausscheiden seiner Frau aus der Firma (4. Dezember) und dem Eintrag ins Handelsregister (4. Januar) zu erklären ist. Denn: Um Weihnachten herum hatten die Medien die Vorgänge rund um den Erwerb und die spätere Vermietung von "Auf Kappelt" erstmals aufgegriffen.

Ein weiteres bedeutsames Datum in der Affäre ist Donnerstag, 10. Dezember: An diesem Tag unterzeichnet der Erste Beigeordnete der Gemeinde, Bernhard Schneider, den Mietvertrag zwischen Kommune und GKI. Bürgermeister Wiemann hatte sich an diesem Tag auf Dienstreise befunden. Nach Aussage von Carsten Wiemann im SZ-Interview ist diese Vorgehensweise, dass nämlich der Beigeordnete als Stellvertreter des Bürgermeisters solche Mietverträge unterzeichne, "durchaus nichts Unübliches" und seit 2013 schon mehrfach geschehen. Aus anderen Rathäusern im Landkreis ist indes genau das Gegenteil zu hören, nämlich dass diese Vorgehensweise absolut unüblich ist.

Zumal Carsten Wiemann nur einen Tag später, am Freitag, 11. Dezember, wieder im Rathaus ist und an diesem Tag die Jahreabschlussitzung des Gemeinderates leitet. Warum musste der Vertrag mit GKI so eilig unterzeichnet werden? Vor dem Hintergrund der jetzt bekannt gewordenen Umstände, dass Wiemanns Frau zwischenzeitlich Gesellschafterin in dem Unternehmen war, stellt sich diese Frage jetzt in einem ganz neuen Licht.

Anfang Januar beginnt die Gemeinde Mettlach , Flüchtlinge in dem Gebäude "Auf Kappelt" einzuquartieren.

Mit Schreiben vom Freitag, 8. Januar, erklärt das SPD-Gemeinderatsmitglied Daniel Becker aus Saarhölzbach seinen Rücktritt. Als Begründung gibt er gegenüber der SZ mangelndes Vertrauen in seinen eigenen Fraktionsvorsitzenden Markus Rausch an.

Am Montag, 11. Januar, bestätigt das Saar-Innenministerium gegenüber der SZ, dass die Kommunalaufsicht beim Landesverwaltungsamt sich eingeschaltet habe und von der Gemeinde eine Stellungnahme dazu eingefordert habe.

Am Dienstag, 19. Januar, räumt Bürgermeister Carsten Wiemann gegenüber dem Hauptausschuss des Mettlacher Gemeinderates ein, dass seine Frau vorübergehend Gesellschafterin bei GKI gewesen sei. Dies teilt er via Presseerklärung auch Medienvertretern mit.

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