Höchste Beschwerde-Instanz in Merzig?

Merzig · Es war keine klammheimliche Gerichtsreform, sondern schlicht und einfach ein peinlicher Fehler, der dem kleinen Amtsgericht in Merzig Aufgaben zuwies, die eigentlich in die Zuständigkeit des Oberlandgerichtes fallen.

. Quasi über Nacht hat das kleine Amtsgericht in Merzig neue Aufgaben erhalten und muss sogar teilweise Arbeit des Oberlandesgerichtes (OLG) übernehmen. Diesen Schluss lässt jedenfalls ein Hinweis in einem Beschluss des Landgerichts Saarbrücken in einer Strafvollzugssache zu. In solchen Streitfällen geht es meist darum, dass Häftlinge der Justizvollzugsanstalt sich gegen Anweisungen des Gefängnisdirektors wehren. Mindestens ein Gefangener, der die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts bemühte, hat jetzt schwarz auf weiß, dass er sich persönlich zum Amtsgericht Merzig vorführen lassen kann, um dort eine Beschwerde gegen den Landgerichts-Beschluss zur Niederschrift zu geben. So heißt es jedenfalls in der "Rechtsmittelbelehrung" am Ende der vierseitigen Entscheidung, die unserer Zeitung vorliegt. Konkret verweist die zuständige Kammer auf den angeblichen Paragrafen 799 der Strafprozessordnung (StPO). Da staunt der Jurist, und der Laie wundert sich.
Es bleibt bei 495 Paragrafen

Wurde etwa im kleinen Saarland, aus dem bekanntlich sogar der Bundesjustizminister kommt, dieses umfangreiche Paragrafenwerk klammheimlich um 304 Paragrafen erweitert? Denn amtlich bekannt waren bislang nur 495 Paragrafen der viel zitierten Strafprozessordnung .

Der Fall um den Beschluss der Vollstreckungskammer II vom 20. Juli dieses Jahres wirft noch eine weitere Frage auf. Gab es - vielleicht unter Ausschluss der kritischen Öffentlichkeit - eine heimliche Justizreform an der Saar? Wie sonst kommt das Landgericht dazu, den Häftling für seine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss an das Merziger Amtsgericht zu verweisen? Immerhin war doch bislang das OLG für solche Beschwerden über das Landgericht zuständig. Ist in Merzig jetzt die höchste Beschwerde-Instanz im Land?

Das Justizministerium versucht, die Gemüter zu beruhigen. Das OLG bleibt weiter für die Beschwerden zuständig. Es gab keine Gerichtsreform, und die Strafprozessordnung hat auch im Saarland künftig nur 495 Paragrafen, beteuert Pressesprecher Robert Klein. Er bestätigt damit, dass Landgericht und Justiz nicht unfehlbar sind und sich irren können - weil dort Menschen arbeiten. Bleibt nur noch abzuwarten, ob und wie die Amtsrichter in Merzig tatsächlich in den Fällen entscheiden, in denen sie jetzt überraschend vom Landgericht zur Beschwerde-Instanz berufen wurden. Mindestens ein Fall soll dort bereits auf dem Richtertisch liegen.

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