Von A bis Z die Denkweise eines Künstlers annehmen

Merzig · Im Atelier des Merziger Gymnasiums am Stefansberg (GaS) wird seit acht Wochen fleißig geschuftet. Denn hier bereiten gerade Schüler der 11. Klasse eine Arbeit für den „Evonik – Jugend Kunst Preis 2016“ vor.

 Die Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse bei den Vorbereitungen ihrer Arbeiten. Fotos: Schule

Die Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse bei den Vorbereitungen ihrer Arbeiten. Fotos: Schule

Die Schüler des Grundkurses Bildende Kunst der Klassenstufe 11 von Lehrerin Julia Baur knien in den Überresten der abgefallenen Materialien aus Sand und Asche, legen letzte Hand an. Diese Woche muss ihr Kunstwerk fertig sein, dann ist Abgabeschluss bei "Evonik - Jugend Kunst Preis 2016". 400 Schulen aus ganz Deutschland haben sich für den Wettbewerb angemeldet. Das Losverfahren hat letztlich entschieden, welche 20 Schulen tatsächlich teilnehmen dürfen - und zum ersten Mal hatte hier auch das GaS Glück.

Das erste damit verbundene Highlight haben die 20 Schüler des Kunstkurses schon hinter sich gebracht. Wie alle anderen Wettbewerbs-Teilnehmer durften sie kostenfrei einen Ausflug in das MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst machen und sich, kunstpädagogisch betreut, einen ganzen Tag lang dort die Kunstwerke anschauen, darüber diskutieren und auch selbst zeichnen. "Durch den Museumsbesuch haben wir völlig neue Eindrücke von der modernen Kunst mit Werken von Künstlern wie Lüpertz oder Penck bekommen. Wir konnten sehen, wie unterschiedlich Kunst interpretiert werden kann - von Fotographie über plastische Skulpturen bis hin zu Action Painting", war Schülerin Marie Fox - ähnlich wie alle ihre Mitschüler - von der Ausstellung fasziniert.

Eine kreative Interpretation

Inspiriert von den verschiedenen Werken mussten die Schüler jetzt selbst auf die Suche nach einem geeigneten Thema für ihr eigenes Kunstwerk gehen. Lehrerin Julia Baur hielt sich im Hintergrund und überließ allein den Schülern die Entscheidung: Nach kurzer Diskussion entschieden sich die Schüler fast einstimmig, Anselm Kiefers Werk "Die goldene Bulle" als Anhaltspunkt für ihre eigene kreative Interpretation von Kunst zu nehmen. "Seine Bilder erzeugen durch ihre großen Formate und die Verwendung von Materialien wie Sonnenblumenkerne oder Sand eine ganz besondere Wirkung", begründet Marie Fox die Wahl. Aber nicht nur von der Art der bildlichen Gestaltung, sondern auch inhaltlich ließen sich die Schüler von Anselm Kiefers Werk inspirieren.

Ähnlich wie Kiefer, der in seiner Darstellung "Die goldene Bulle" historisch auf die 1494 erlassene Bulle des Papstes Alexander VI. anspielt, in der die Aufteilung der Neuen Welt zwischen Spanien und Portugal geregelt wird, entschieden sich auch der Kunstkurs, sich bei seiner Arbeit mit wichtigen historischen Ereignissen auseinander zu setzen. "Schnell war klar, dass der Fall der Berliner Mauer Motiv unserer Gemeinschaftsarbeit werden sollte", erläutert Fox den Entscheidungsprozess, "da wir aber auch aktuelle Ereignisse darstellen wollten und das Thema Terrorismus im Moment von großer Bedeutung ist, waren wir uns sicher, dass auch die Zeichnung des Attentats auf das World Trade Center am 11. September 2001 und des Eifelturms als Symbol für die Anschläge in Paris am 13. November 2015 sehr interessant wäre." Um all ihre Ideen umsetzen zu können, entschieden sich die Schüler für eine Komposition aus drei Bildern.

Nachdem die ersten Entwürfe fertig waren, stellte sich die Frage nach den richtigen Materialien: "Wir hofften, durch die Verwendung von Sand, Asche und Glassplittern unseren Bildern eine ähnliche Wucht zu verleihen, wie es Anselm Kiefer gelungen ist", sagt Marie Fox Um in ihren Werken die beabsichtigte dreidimensionale Wirkung entstehen zu lassen, war Geduld und Kreativität gefragt: "Wir haben Sand in unterschiedlichen Korngrößen mit verschiedenen Farben gemischt und das dann in unterschiedlicher Dicke auf ausgewählte Stellen aufgetragen", gibt Kursteilnehmerin Sarah Kühn einen kurzen Einblick in den Arbeitsprozess, in den sich wirklich alle integriert haben. "Ich hätte nicht gedacht, dass man mit 20 Leuten an drei Bildern arbeiten kann, aber es hatte doch jeder ständig etwas zu tun", war Manuel Rexha positiv überrascht und auch Mitschülerin Jana Bouillon lobt das gut funktionierende Teamwork: "Jeder hat andere Fähigkeiten - wir haben uns prima ergänzt." Angespornt von der guten Arbeitsatmosphäre waren die Schüler schließlich auch bereit, Überstunden einzulegen, um ihr Kunstwerk rechtzeitig fertig zu stellen.

"Einschnitte" heißt das Werk

 „Einschnitte“ heißt die Arbeit der Merziger Gymnasiasten aus Acryl, Sand, Glas und Asche.

„Einschnitte“ heißt die Arbeit der Merziger Gymnasiasten aus Acryl, Sand, Glas und Asche.

Mit dem Ergebnis, vor allem aber auch mit der Arbeitsprozess an sich ist Kunstlehrerin Julia Baur sehr zufrieden: "Die Schüler haben gelernt, von A bis Z zu denken wie ein Künstler. So etwas ist im normalen Kunstunterricht gar nicht möglich." Das fertige Werk, für das die Schüler den Titel "Einschnitte" ausgewählt haben, wird jetzt mit einem eigens dafür bereitgestellten Kunsttransporter abgeholt und später im MKM Museum Küppersmühle ausgestellt. Die Preisverleihung findet voraussichtlich im nächsten Frühjahr statt. Aber Julia Baur ist sich sicher, dass alleine die Teilnahme schon eine Auszeichnung für sich ist: "Ich finde, wir haben alle schon gewonnen, weil wir so gut gemeinsam gearbeitet haben und ein tolles Gemeinschaftsgefühl entstanden ist."

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