Krav Maga ist Selbstverteidigung, Kampfsport und Fitnesstraining

Merzig · Aus Israel stammt die Kampftechnik Krav Maga. Hauptaspekt ist die Dees- kalation. Aber wenn's sein muss, kann es auch hart zur Sache gehen.

 Schutzpolster fangen die Wucht des Trittes ab.

Schutzpolster fangen die Wucht des Trittes ab.

"Stop. Ich will keinen Stress", murmeln die 20 Kursteilnehmer verhalten. Sie haben eine der Grundposition eingenommen: Beine schulterbreit, leicht versetzt für einen festen Stand. Die gestreckten Hände deeskalierend erhoben auf Kopfhöhe. Im großen, hellen Fitnessraum mit den verspiegelten Wänden haben sich die jungen Männer und Frauen um ihren Trainer Hasan Cam verteilt. Einige sind zum ersten Mal hier. Andere trainieren schon seit Jahren. Zurückhaltend, etwas schüchtern wirken sie für den Moment trotzdem alle. "Das ist alles?", fragt Hasan etwas verächtlich. "So hätte ich nicht von euch abgelassen. Eure Stimme ist auch eine Waffe. Lauter!", brüllt er. "STOP!", schreien ihm 20 starke, entschlossene Stimmen entgegen. Dabei strecken alle die flachen Hände abwehrend von sich weg und machen einen beherzten Schritt nach vorne. Plötzlich wirkt die Stimmung im ersten Stock des Fitnesscenters sehr selbstbewusst.

Krav Maga, das ist hebräisch und bedeutet "Kontaktkampf". "Es ist ein Selbstverteidigungssystem, das ursprünglich vom israelischen Militär entwickelt wurde", erzählt Trainer André Feller. Ziel sei es, den Gegner möglichst schnell und unkompliziert auszuschalten. "Die Entwickler haben sich aus allen Kampfsportarten wie Judo, Thaiboxen oder Karate, die besten Sachen rausgepickt", erläutert der gebürtige Luxemburger, der selbst früher Aikido betrieben hat, bis ihm das nicht mehr ausgereicht hat. "Es gibt Boxelemente, Blocks, Hebel, Würfe und auch Bodenkampf." Aber es sei kein klassischer Kampfsport. Wettkämpfe gibt es nämlich nicht. "Im Vordergrund steht die Deeskalation", sagt er weiter. Die bilde auch den Mittelpunkt in seiner beruflichen Laufbahn. Als Sozialpädagoge hat er jahrelang mit Intensivtätern gearbeitet und eine einjährige Ausbildung zum Coolness-Trainer gemacht. Seine Expertise hilft ihm im Training. "Ich weiß, wie Täter denken und wie sie reagieren könnten. Das versuchen wir einzubauen und die Teilnehmer darauf einzustellen."

Wird die Situation brenzlig und es kommt trotz aller Schlichtungsversuche zur körperlichen Auseinandersetzung, dann ist nach seinen Worten im Krav Maga alles erlaubt. "Bei normalen Kampfsportarten trainiert man in einem geschützten Dojo, wo man respektvoll miteinander umgeht und sich an feste Regeln hält", sagt André. "Das zählt auf der Straße nicht. Deshalb treten wir in die Genitalien und schlagen auf den Kehlkopf. Wir kratzen, wir beißen, wir spucken. Alles, was weh tut oder ablenkt", erläutert er. Aus diesem Grund dürfe hier auch nicht jeder trainieren. "Wir wollen die Straßenschläger ja nicht noch gefährlicher machen." Sind sich die Trainer über die Absicht eines Interessenten nicht sicher, fordern sie laut André auch schon mal ein Führungszeugnis an.

Die Teilnehmer beobachten aufmerksam, was die Trainer zeigen. Es wird geblockt, geschlagen und getreten. Da geht es auch schon mal zur Sache und der Tiefschutz kommt zum Einsatz. Auffällig ist, dass viel mit der offenen Hand gearbeitet wird. "Offene Hände wirken nicht nur deeskalierend, sie orientieren sich auch mehr am natürlichen Reflex des Menschen und das Verletzungsrisiko ist geringer als bei der Faust", führt André aus. Der 51-Jährige ist kein Riese. Sein Co-Trainer überragt ihn um einen guten Kopf. Trotzdem muss Hasan sofort nachgeben, wenn André ihn mit gekonnten Griffen anpackt. "Krav Maga ist perfekt für Frauen", findet der Deutsch-Türke deshalb. Simone Eisenhuth und Iris Rothkopf bestätigen das. Beide trainieren seit über einem Jahr in Merzig. "Krav Maga ist gut für das Selbstbewusstsein der Frau. Man nimmt sich selbst anders wahr und man nimmt Situationen anders wahr. Auf gefährliche Situationen ist man vorbereitet", erzählen die beiden, denen das Training sichtlich Spaß macht. Iris kam zum Krav Maga, als eine ihrer Freundinnen auf der Straße angegangen wurde. "Da wollte ich einfach was tun. Vorbereitet sein", erzählt sie. "Ich komme aus der Slowakei und kenne Krav Maga noch von dort", sagt Simone. "Ich hab gelesen, dass das gute Selbstverteidigung für Frauen sei", erzählt sie. "Aber als ich hier herkam, waren hier nur Männer." Das hat sich inzwischen geändert.

Sieben Frauen sind an diesem Samstag zum Training gekommen. "Gerade nach den Vorfällen der Silvesternacht in Köln haben sich von einem auf den anderen Tag viel mehr Frauen angemeldet", stellt André fest. "Die Leute treten anders auf, die Ausstrahlung verändert sich, sie bekommen ein realistischeres Selbstbild. Die reale Situation ist immer anders, als man sich das im Kopf vorstellt. Prävention ist alles."

Zum Thema:

 Trainer André Feller blockt den Angriff von Co-Trainer Hasan Cam gekonnt ab. Fotos: Nina Drokur

Trainer André Feller blockt den Angriff von Co-Trainer Hasan Cam gekonnt ab. Fotos: Nina Drokur

 Simone Eisenhuth (links) und Iris Rothkopf trainieren seit über einem Jahr Krav Maga in Merzig.

Simone Eisenhuth (links) und Iris Rothkopf trainieren seit über einem Jahr Krav Maga in Merzig.

Trainingszeiten: Erwachsene: In Merzig, NOW Sports, Zum Wiesenhof 56, samstags, von 11 Uhr bis 12.30 Uhr; in Mettlach, Studio Fitness Forum, Bahnhofstraße 21a, dienstags, 20 Uhr bis 21.15 Uhr. Kinder und Jugendliche: In Merzig, in der Gymnastikhalle der Christian-Kretzschmar-Schule, von-Boch-Straße 75, Kinder im Alter von fünf bis sieben Jahre: 13 Uhr bis 13.45 Uhr; acht bis zwölf Jahre: 14 Uhr bis 14.50 Uhr; Jugendliche im Alter von 13 bis 16 Jahre: 15 Uhr bis 16 Uhr. www.kravmaga-saar.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort