Verbrechen, die betroffen machen

Merzig · Mit den Schicksalen von Merziger Psychatrie-Patienten in der NS-Zeit befassten sich die Schüler des Seminarfaches „Geschichte betrifft uns“ vom Merziger Gymnasium am Stefansberg – am Montag haben sie im Psychiatrie-Museum eine Ausstellung zu dem Thema eröffnet.

"Degenerierte, Ballastexistenzen, Volksschädlinge - Psychiatriepatienten der Merziger Heil- und Pflegeanstalt im Nationalsozialismus": So heißt die neue Ausstellung, die seit Montag im Psychiatrie-Museum der SHG-Klinik in Merzig , Trierer Straße 148, zu sehen ist. In einem Raum des Museums stehen die von den Elftklässlern gestalteten Stellwände. Darauf zu sehen sind Steckbriefe, mit den einzelnen Schicksalen von Merziger Patienten . Die Schüler haben sich bis ins kleinste Detail mit der Thematik befasst: "Wir haben die Krankenakten von damals durchgelesen", erklärt Noemi Neusius, eine der 18 Seminarfachteilnehmer.

Gemeinsam mit ihrer Lehrerin Ann-Katrin Engels hat die Schülergruppe seit Schuljahres-Anfang die Ausstellung vorbereitet. In Eigenregie wurden die Stellwände gestaltet und beschriftet, an einer Wand ein großer Zeit-Strahl aufgemalt. Dieser zeigt die geschichtliche Entwicklung, mit Maßnahmen der Nazis gegen Kranke, und ordnet die einzelnen Schicksale wiederum zeitlich ein. "Wir besichtigten die Tötungsanstalt Hadamar , vor Ort konnten wir zusätzliche Akten durchlesen", erklärt Neusius mit ihren Mitschülerinnen Amelie Schuler und Elena Johann. Während die Mädchen von diesem Besuch erzählen, merkt man ihnen an, wie bewegend das Erlebte für sie war: "Zwischen Gaskammer und Krematorium war ein spezieller Belag auf Teilen des Bodens, um die Leichen besser darüber ziehen zu können."

Auch Lehrerin Engels machte der Besuch in Hadamar betroffen: "Während der Führung betrat keiner der Schüler diesen Belag, es war eine bedrückende Atmosphäre zu spüren." Es sei schwer für die jungen Menschen, die damalige Brutalität nachzuvollziehen. Dabei geholfen habe der Besuch bei Maria Lauer in Menningen. Sie war zur NS-Zeit Krankenschwester in der Merziger Anstalt - begleitete die Patienten sogar bei der Kriegs-Evakuierung nach Hessen. "Es war beeindruckend, wie viel Frau Lauer noch von damals wusste", erinnert sich Engels. Das Gespräch mit der Zeitzeugin ist als Teil der Ausstellung auf Tablet-Computern zu sehen. Auf einem Fernseher daneben läuft ein Propaganda-Video der Nazis, das für die Diskriminierung von psychisch und körperlich kranken Menschen wirbt.

Ermöglicht hat die Ausstellung nicht nur das große Engagement der Schüler, sondern auch die Unterstützung der Klinik für Psychiatrie und deren Mitarbeiter Ralf Schmitt, der dabei geholfen hat, die Akten zu bekommen und mit Rat und Tat zur Seite stand. "Auch ohne die finanzielle Unterstützung durch das Kultusministerium und unseren Förderverein wäre die Ausstellung in dieser Form nicht möglich gewesen", erzählt Engels. Für den Leiter der Klinik, Dr. Martin Kaiser, ist die Ausstellung eine Bereicherung: "Wir arbeiten schon seit über zehn Jahren mit dem Stefansberg-Gymnasium zusammen. Dabei kamen immer Erfolge raus." Sein Wunsch: "Ich hoffe, dass auch viele Besucher von außerhalb des Landkreises zu uns finden und sich die Ausstellung anschauen."

Die Ausstellung ist noch bis Jahresende im Psychiatrie-Museum zu sehen, Besichtung nach Terminvereinbarung möglich.

Zum Thema:

HintergrundZwischen 1933 und 1945 beraubten die Nationalsozialisten hilfs- und pflegebedürftige Menschen nach und nach ihrer Rechte. Zunächst wurde durchgesetzt, dass behinderte, psychisch Kranke und sozial auffällige Menschen gegen ihren Willen zwangssterilisiert werden konnten. Nach Kriegsausbruch 1939 wurden als "lebensunwert" Bezeichnete systematisch in speziellen Tötungsanstalten umgebracht. Insgesamt fielen diesen Verbrechen weit über 100 000 Männer, Frauen und Kinder zum Opfer. Aus der Merziger Heil- und Pflegeanstalt wurden zu Kriegsbeginn über 800 Patienten evakuiert, von denen nur wenige zurückkehrten. pha

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