Die Fähre fuhr nach Fremersdorf

Merzig · Von Menningen aus konnte man bis zum Bau einer Brücke im Jahr 1964 über die Saar schippern

 Noch bis zum Jahr 1964 verkehrte die Fähre bei Fremersdorf. Hier ein Bild aus der 1930er Jahren. Foto: Verein für Heimatkunde

Noch bis zum Jahr 1964 verkehrte die Fähre bei Fremersdorf. Hier ein Bild aus der 1930er Jahren. Foto: Verein für Heimatkunde

Foto: Verein für Heimatkunde

Während die Ortschaften des Kreisgebietes, die direkt oder in nicht allzu weiter Entfernung von der Saarstrecke lagen, also ab 1860 in immer stärkerem Maße von den Bahnverbindungen profitierten, sah dies für die Hochwaldgemeinden zunächst noch wesentlich schlechter aus. Es sollte noch bis 1897 dauern, bis durch die Eröffnung der Strecke Hermeskeil-Wemmetsweiler erstmals auch der Hochwald an das Eisenbahnnetz angeschlossen war. Diese Strecke diente von Anfang an dazu, Arbeitskräfte aus den dünn besiedelten nördlichen Gebieten des heutigen Saarlandes in die Industrieregion zu führen. In Primsweiler zweigte eine Stichstrecke nach Dillingen ab. Bahnhöfe gab es an dieser Strecke im Merziger Kreisgebiet in Büschfeld, Wadern-Dagstuhl und Krettnich.

Auch der Ausbau des Straßennetzes wurde gerade während und nach der Gründerzeit ganz massiv weiterverfolgt. 1878 wurde die erste Saarbrücke, die Merzig mit Hilbringen verband, erbaut. Der sich daran anschließende Ausbau der nach Waldwiese führenden Straße hatte natürlich auch zum Ziel, die verkehrstechnische Erschließung des seit 1871 zum Reich gehörenden Lothringen zu verbessern. Der Bau der Brücke zwischen Merzig und Hilbringen hatte dabei gleichzeitig zur Folge, dass der bis dahin zwischen den beiden Orten eingerichtete Fährverkehr überflüssig wurde. Dies galt natürlich auch für die übrigen über die Saar führenden Brückenbauten, die 1886 Mettlach mit Keuchingen, 1898 Beckingen mit Rehlingen und schließlich 1903 Besseringen mit Schwemlingen verbanden. Durch den Bau dieser Brücken kam auch an diesen Stellen der Fährverkehr zum Erliegen.

Ein Kuriosum bildete in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass demgegenüber noch bis 1964, man höre und staune, eine Fähre zwischen Fremersdorf und Menningen verkehrte. Dies war nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass es in Höhe von Menningen einen Eisenbahnhaltepunkt gab, der von den Fremersdorfern genutzt wurde. Der Bau einer Fußgängerbrücke über die Saar bedeutete dann 1964 auch das Ende für diese Jahrhunderte alte Fährverbindung.

Die vorstehend beschriebenen Fortschritte im Verkehrswesen wirkten sich natürlich auch auf die Wirtschaft im Kreisgebiet positiv aus. Villeroy & Boch in Mettlach entwickelte sich dabei in kurzer Zeit zu einem Weltunternehmen. 1852 waren Archäologen in der Nähe Mettlachs auf ein römisches Bodenmosaik gestoßen. Dieser archäologische Fund inspirierte Eugen von Boch und seine Techniker dazu, Materialexperimente zur Herstellung von Fliesen durchzuführen. Sie erarbeiteten ein Produktionsverfahren, das enorme Abriebfestigkeit mit extravaganter Ästhetik verband. Diese Fliesen, seit 1852 in Mettlach hergestellt, wurden als "Mettlacher Platten" weltweit ein großer Erfolg. Die Nachfrage war so groß, dass 1866 eine auf Fliesen spezialisierte Fabrik gebaut worden war, die "Mosaikfabrik".

1879 erwarb Villeroy & Boch schließlich die 1856 gegründete "Thonwarenfabrik Fellenberg & Cie" in Merzig und entwickelte auch dort mit künstlerischen Terrakotten ein neues Produkt. Dabei gelang es den Technikern, das Material so zu verbessern, dass es anderen Baustoffen, selbst Naturstein, an Robustheit und Wetterbeständigkeit überlegen war. Diese "Bauzier" genannten Terrakotten wurden weltweit vertrieben und vor allem bei Prestigeobjekten verwandt, wie beim Bau von Herrenhäusern, Kathedralen, Banken und Schlössern, darunter beispielsweise Schloss Herrenchiemsee.

In Beckingen entwickelte sich das 1869 unter dem Namen Hetzler und Kolb zunächst als Fabrik für Eisenkonstruktionen gegründete Unternehmen, nachdem 1872 Friedrich Bernhard Karcher als Teilhaber in das Unternehmen eingetreten war, ebenfalls zu einem bedeutenden Unternehmen. Karcher spezialisierte die Produktion auf Schrauben. Bis zum Beginn des 1. Weltkrieges wuchsen die Schraubenwerke "Karcher" schließlich auf etwa 900 Beschäftigte an.

Nicht zuletzt nahm die Kreisstadt Merzig, vor allem was Handel und Gewerbe betraf, in zunehmendem Maße eine dominierende Stellung ein. Die Stadt wuchs um diese Zeit sowohl, was ihre Einwohnerzahl, als auch ihre Ausdehnung betraf ganz beträchtlich. Es wurden darüber hinaus allerdings auch Firmen und Betriebe gewerblicher Art gegründet, die einer Vielzahl von Menschen Arbeit und Brot gaben. 1876 war beispielsweise die Lederfabrik Thees gegründet worden. Sie entwickelte sich zu einer der bedeutendsten Fabriken für Spezialtreibriemen in Deutschland.

1880 erfolgte, wohl nicht zuletzt wegen der verkehrsgünstigeren Lage, der Umzug der Seifen- und Glyzerinfabrik der Gebr. Wagner von Lockweiler nach Merzig, um ein weiteres Beispiel zu nennen. 1882 war das Gründungsjahr der Maschinenbaufabrik Schettle, die Maschinen und Apparate herstellte. Neben Villeroy & Boch gab es ab 1889 mit der Tonwarenfabrik Rieff & Bauer in Merzig noch eine weitere Fabrik, die keramische Produkte herstellte. Zeitweise beschäftigte diese Firma bis zu 200 Personen.

1864 hatten die Brüder Nikolaus und Johann Schuler die Konzession zur Errichtung und dem Betrieb einer Brauerei erworben. 1888 wurde aus dieser Brauerei die "Actien-Brauerei Merzig", die spätere "Saarfürst Brauerei". Diese entwickelte sich zur größten Brauerei in der Merziger Region und verdrängte nach und nach die übrigen kleineren Brauereien, die es in Merzig und im übrigen Kreisgebiet gegeben hatte.

In die Zeit zwischen Reichsgründung und Jahrhundertwende fällt auch die Gründung der ersten Krankenhäuser in der Merziger Region. Zwar waren auch zuvor schon die Städte und Gemeinden verpflichtet, für Arme und Kranke zu sorgen. Das altruistische Motiv, Not leidende Menschen, die wegen ihres Alters, einer Krankheit, Verletzungen oder aufgrund sozialer Missstände Hilfe benötigen, zu unterstützen, war auch schon in früheren Zeiten und Gesellschaften den Menschen eine besondere Verpflichtung. Aus dieser Motivation heraus wurden Kinder und Alte gepflegt, Arme unterstützt und Versuche unternommen, Schmerzen bei Krankheiten oder Verletzungen zu lindern. Schon im Mittelalter waren religiöse Pflegeorden entstanden, die sich getragen vom Ideal christlicher Nächstenliebe den Pflegebedürftigen zuwandten.

Als in Merzig im Oktober 1854 eine Choleraepidemie ausbrach, wandte sich der Magistrat der Stadt an den Orden der Borromäerinnen mit der Bitte, einige Pflegeschwestern zu entsenden. Daraufhin kamen noch im selben Jahr die ersten drei Schwestern dieses Ordens nach Merzig. Zu ihren Aufgaben gehörte die Kranken- und Altenpflege, die Aufnahme und Erziehung von Waisenkindern sowie die Errichtung einer sechsten Schulklasse und einer Arbeitsschule für Mädchen von 13 bis 16 Jahren. Die Schwestern verrichteten ihren Dienst im sog. Spitälchen. Der Begriff Hospital bzw. Spital ist dabei eine in weiten Teilen Deutschlands veraltete Bezeichnung für Pflegeheime und Altenheime.

Es ist bereits darüber berichtet worden, dass während des Krieges 1870, nachdem alle Räume des Spitälchens belegt waren, daneben Schulsäle und die Fellenbergsche Fabrik für Verwundete hergerichtet wurden. Die Familie von Fellenberg zeichnete sich in Merzig überhaupt durch ein hohes soziales Engagement aus. So ließ sie leerstehende Schulsäle, die durch den Schulneubau in der Hochwaldstraße im Oktober 1875 frei geworden waren, als Krankensäle herrichten und stellte die für die Krankenpflege erforderlichen Mittel zur Verfügung.

Anlässlich ihrer Goldenen Hochzeit fasste das Ehepaar Fellenberg den Entschluss, ein Kranken- und Waisenhaus in Merzig zu stiften. 1879 wurde der Grundstein für den Bau gelegt. Wilhelm von Fellenberg erlebte die Fertigstellung selbst allerdings nicht mehr, da er zuvor verstarb. 1880 konnte das Krankenhaus, in dem nun 30 Betten für die Krankenpflege zur Verfügung standen bereits eröffnet werden. Die ärztliche Leitung übernahm der Kreis-Physikus Dr. Hellinger; für die Pflege waren die Schwestern zuständig. 1884 übertrug Virginie von Fellenberg das Eigentum am Krankenhaus mit der Verpflichtung, die Anstalt als "Fellenbergstift" weiterzuführen, an die Firma Villeroy & Boch. 1908 wurde das Krankenhaus in der Hochwaldstraße schließlich an den Kreis Merzig übertragen.

Auch die Anfänge des Mettlacher Krankenhauses gehen auf Villeroy & Boch zurück. 1857 ließ Eugen von Boch auf seinem Eigentum in Zusammenarbeit mit den Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Karl Borromäus verschiedene Einrichtungen errichten: ein Spital für altersschwache Männer und Frauen, eine Anstalt zur Erziehung verwaister Kinder und eine ambulante Krankenpflege für Mettlach und Umgebung. Nachdem es sich im Laufe der Jahre als nicht mehr ausreichend erwiesen hatte, stellte Villeroy & Boch 1880 die erforderlichen Mittel bereit, um das Krankenhaus erstmalig zu erweitern und umzubauen.

In den Kriegen von 1864 und 1866 widmeten sich die Borromäerinnen von Mettlach der Bekämpfung der aus Luxemburg eingeschleppten Cholera, die besonders in Orscholz wütete. Hier forderte diese Epidemie 121 Menschenleben, wobei unter den Toten hauptsächlich Kinder zu finden waren. Im Krieg 1870 wurde in dem eben erst erstellten Bau der Speiseanstalt der Fabrik ein Lazarett eingerichtet, in dem zunächst 30 Verwundete aus der Schlacht bei Spichern Aufnahme fanden. Für an Thyphus und Ruhr Erkrankte wurden daneben Baracken im Garten aufgestellt.

1865 kamen die ersten drei Franziskanerinnen auf Bitten der Familie de Lasalle von Louisenthal nach Wadern, um dort in dem von der Familie gestifteten Hospiz die Pflege von armen oder kranken Menschen und die Erziehung von Waisenkindern zu übernehmen. In den eigentlich nur notdürftig eingerichteten Krankenräumen standen lediglich 4 Betten. Wäsche und Geschirr waren Spenden der Familie de Lasalle und des Waderner Elisabethenvereins, der 1834 von der "Malergräfin" Oktavie gegründet worden war. Im Krieg 1870/71 stellte Gräfin Oktavie zwölf Betten ihres Hauses für Verwundete zur Verfügung, wodurch sich das kleine Hospiz zum ersten Mal als Krankenhaus anbot. 1883 wurde dann mit dem Bau eines kleinen Krankenhauses begonnen, das 1884 bezogen werden konnte. Ein Um- und Erweiterungsbau im modernen Sinn konnte erst 1930 verwirklicht werden.

Was heute nur noch wenig bekannt sein dürfte, ist die Tatsache, dass ab 1899 auch ein Krankenhaus in Beckingen eröffnet wurde. Die Firma Karcher hatte es für ihre Werksangehörigen, die verstreut in vielen Ortschaften ansässig waren und in Krankheitsfällen oft nicht die richtige Pflege erhielten, erbauen lassen. Das Krankenhaus verfügte über 30 Betten. Gleichzeitig wurde ein Mädchenwohnheim für die Fabrikarbeiterinnen erstellt, wo diese in den Monaten Oktober bis April Unterkunft fanden. Die Patienten des Krankenhauses, die nicht nur Werksangehörige, sondern auch sonstige Personen umfassten, wurden wie in Losheim von Waldbreitbacher Franziskanerinnen unter Aufsicht eines Fabrikarztes betreut und versorgt.

Das Beckinger Krankenhaus war um die Jahrhundertwende ohne Zweifel die am besten und modernsten ausgestattete Krankenanstalt des Kreisgebiets. Die Familie Karcher hatte eine Mustereinrichtung schaffen wollen, für die sie bei der Weltausstellung in Paris im Jahr 1900 auch eine ehrenvolle Anerkennung erhielt. Während des 1. Weltkriegs war das Krankenhaus fast ausschließlich Reservelazaret. Das Beckinger Krankenhaus bestand bis zur Evakuierung Beckingens 1939. Später kaufte es die Bürgermeisterei Haustadt und nutzte es als Verwaltungsgebäude. Heute befindet sich hier das Beckinger Rathaus. . < Wird fortgesetzt.

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