Stich für Stich zum Luxusschuh

Losheim · Das Saarland ist kein reiches Bundesland, aber auch hier wird Luxus geschaffen: von Toptechnikern, Spitzenhandwerkern und Genusskünstlern. Wir stellen einige von ihnen und ihre Produkte in loser Folge vor: heute „Krisam & Wittling“, die in ihrer Losheimer Manufaktur handgefertigte Maßschuhe herstellen.

 Thomas Krisam (rechts) und Sohn Philippe erfüllen selbst ausgefallene Schuh-Wünsche. Fotos: Rolf Ruppenthal

Thomas Krisam (rechts) und Sohn Philippe erfüllen selbst ausgefallene Schuh-Wünsche. Fotos: Rolf Ruppenthal

 Bis ein handgemachtes Paar Schuhe fertig ist, kann bis zu einem halben Jahr vergehen.

Bis ein handgemachtes Paar Schuhe fertig ist, kann bis zu einem halben Jahr vergehen.

Den "Auftritt mit Stil" verkaufen Thomas Krisam und Joachim Wittling in ihrer kleinen Manufaktur in Losheim am See - und das ist wörtlich zu nehmen: "Krisam & Wittling" stellt handgefertigte, rahmengenähte Maßschuhe aus edelstem Leder her. Mehr Stil am Fuß geht nicht. Allerdings hat der auch seinen Preis.

Eine dunkle Holztreppe windet sich ins erste Stockwerk des Geschäftshauses. Im Erdgeschoss werden orthopädische Schuhe verkauft, eine Etage höher das schöne Leben. Hier thronen die schweren Chesterfield-Möbel und in der Glasbox auf dem Sideboard liegen drei Zigarren parat. Ein kleiner Golfball und ein paar spitze Golftees schmücken das Regal hinten links. Daneben steht passend dazu der Golfschuh.

Bis ins Detail soll der Kunde hier den Luxus spüren - denn wer hierher ins Obergeschoss kommt, dem geht es auch allein um den Luxus . Maßschuhe sind die Königsdisziplin im edlen Kleidungsstil. Wer prahlen will, schüttelt die teure Uhr am Handgelenk. Wer aber einen feinen Sinn fürs Elegante hat, ohne unbedingt protzen zu müssen, der trägt einen handgefertigten Maßschuh - gerne unterm Maßanzug, versteht sich.

Für die nonverbale Prahlerei sind die Schuhe nämlich nicht geeignet, denn das "Erkennungsmerkmal" des rahmengenähten Luxusschuhs verbirgt sich dem Betrachter in der Regel. Es ist nämlich nur von unten zu sehen. Am äußeren Rand der Laufsohle reiht sich die Naht entlang, die im besten Falle der Maßschuhmacher per Hand Stich für Stich gesetzt hat. Mit einem in Pech getränkten Garn werden solche Sohlen vernäht. Das halte ewig, verspricht Krisam.

Auf derartiges Schuhwerk setzten "Leute, die luxusaffin sind", sagt Sohn Philippe Krisam, der in vierter Generation im Schuhmacherbetrieb mitarbeitet. "Leute, die eine Referenz für etwas Gutes haben", beschreibt Vater Thomas die Architekten, Bauunternehmer oder Politiker - inklusive Vertreter der saarländischen Landespolitik -, die sich in Losheim die Füße kleiden lassen. Auch der 2005 verstorbene Modeschöpfer Rudolph Moshammer zählte einst zur Kundschaft. "Wir haben Kunden aus ganz Deutschland und auch aus Frankreich und Luxemburg", erzählt Krisam senior. Einer von ihnen lebe sogar in den USA.

Das Einzugsgebiet ist groß, denn Schuhmacher, die ihr Handwerk wörtlich nehmen, gibt es nur eine Handvoll in Deutschland. In München etwa, in Hamburg oder in Baden-Baden. Schon in der Ausbildung zum Orthopädieschuhmacher sei es auch sein Traum gewesen, nicht nur Gesundheitsschuhe, sondern auch "schöne, filigrane Schuhe " zu machen, sagt Thomas Krisam. Und so wurde vor 16 Jahren zusätzlich zum Orthopädieschuhbetrieb die kleine Manufaktur für Luxusschuhe aus der Taufe gehoben.

Bis dort ein handgemachtes Paar fertig ist, dauert es bis zu einem halben Jahr. Vier Mal müssen sich Schuhmacher und Kunde treffen, bis dieser sein erstes Paar in Händen hält. Beim ersten Treffen wird Maß genommen: Wie lang ist der Fuß? Wie breit? Anhand der Maße fertigt der Schuhmacher den Leisten und damit einen ersten Probeschuh, den sogenannten Folienschuh, an. Diesen zieht der Kunde an, der Schuhmacher prüft und korrigiert den Leisten. Ein zweiter Probeschuh, bereits aus Leder, entsteht. Ihn nimmt der Kunde mit nach Hause, um ihn dort ein paar Tage Probe zu laufen. Dann geht es wieder zum Schuhmacher, der Leisten wird erneut angepasst. Erst danach entsteht der eigentliche Maßschuh.

Ob das am Ende ein verspielter Budapester sein soll oder ein eleganter Oxford, ein stattlicher Blücher oder etwa gar ein Wanderstiefel - das bestimmt der Kunde. Er wählt auch das Leder aus, aus dem der Schuh bestehen soll. Krisams nutzen ausschließlich natürlich gegerbte Vollleder. Gängig sei Kalb, aber bitte "nur vom Besten des Tieres", betont der Unternehmensgründer. Vom Mittelteil also, nicht aus den Flanken. Ab und an, auf Wunsch eines Kunden, landen auch exotische Leder auf der Werkbank in Losheim wie etwa Krokodil, Strauß oder Schlange.

Das außergewöhnlichste Paar Schuhe , dass die Manufaktur bisher verlassen habe, sei ein Paar hellbeige Westernstiefel aus Python-Leder gewesen. Mit gut 4000 Euro hatten die demnach auch einen außergewöhnlichen Preis. Ein normales Paar ist in der Erstanfertigung und im Vergleich zu den Schlangen-Stiefeln für günstige 1800 Euro zu haben. Wer nicht von Hand zusammennähen lassen will, sondern mit einem maschinell gefertigten "Semi-Maßschuh" zufrieden ist, kommt mit knapp einem Viertel des Preises hin.

Eines übrigens ist ein neuer Maßschuh nicht: bequem. Während einer Studie von Deutschem Schuhinstitut und Bundesverband der Deutschen Schuhindustrie zufolge drei Viertel aller Deutschen ihre Schuhe zu groß kaufen, sitzt der lederne Maßschuh ja passgenau. Und das kann erst einmal Blasen bereiten, vor allem an der Ferse. "Die Schuhe müssen stundenweise eingelaufen werden", betont der Maßschuhmacher. Von "einer ausgiebigen Shoppingtour in neuen Schuhen durch die Stadt" rate er tunlichst ab. Sonst durchzuckt schnell ein teuer bezahlter Schmerz den edel bekleideten Fuß.

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